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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Illustration zu Schiller’s Lied „an die Freude“.

„Männerstolz vor Königsthronen –
Brüder, gält’ es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut.“


In der Reihe der Festgaben, welche zur Verherrlichung unsers Dichterfürsten geschaffen sind und mit jedem Tage noch geschaffen werden, prangt auch eine illustrirte Ausgabe des Schiller’schen Lieds: „An die Freude.“ Ludwig Loeffler in Berlin, unsern Lesern durch seine kleinen Reiseskizzen in Wort und Bild bekannt, hat es unternommen, die Gedanken und Empfindungen des Liedes künstlerisch zur Darstellung zu bringen, eine Aufgabe, die just bei diesem Gedicht nicht zu den kleinsten gehört. In siebzehn vollständig ausgeführten, in Holz geschnittenen Illustrationen, auf schönstes Kupferdruckpapier sauber mit Tonplatte gedruckt und in elegantem Carton verschlossen, liegt die Festgabe jetzt vor uns. Die Verlagshandlung (H. Mendelssohn) war so freundlich, uns eine der Illustrationen behufs Abdruck in der Gartenlaube zu überlassen. Wir haben die Stelle des Liedes:

„Männerstolz vor Königsthronen –
Brüder, gält’ es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut.“

gewählt, die der Künstler mit glücklichem Takt durch die Darstellung des gefangenen Dichters Schubart (auf Hohenasperg) illustrirte.




Aus der Beamtenwelt.[1]
Skizzen nach der Natur.
III. Das Stipendium.

Ein zeitiger Herbst hatte früher als sonst die Bäume entlaubt, und die rauschenden Blätter, die ein schneidender Ostwind, der Vorbote baldigen Schnees, emporjagte, umwirbelten im raschen Tanze einen verspäteten Wanderer, der auf den Promenaden einer deutschen Universitätsstadt mit raschen Schritten seiner Behausung zueilte. Das flackernde Licht der Gaslaternen, das den trüben Octoberabend erhellte, ließ einen hagern Mann in mittleren Jahren erkennen, der den Kragen seines abgetragenen Burnus schützend emporgezogen und die Mütze tief in die Stirn gedrückt hatte.

Mit Unmuth gedachte er des kalten Zimmers, das ihn daheim erwartete, da er noch keinen wärmenden Holzvorrath für den häuslichen Heerd zur Abwehr der Kälte hatte bergen können, und mit banger Sorge sah er der unruhigen Nacht entgegen, die ihm bevorstand, da im gemeinsamen Schlafgemach ein krankes Kindlein die langen dunkeln Stunden im Arm der Mutterliebe durchwimmerte. „Elende Generation, die man da heranzieht!“ murmelte er endlich zwischen den Zähnen, den unmuthigen Gedanken, die ihn erfüllten, Worte gebend, „aber wie kann es anders sein bei Kartoffeln und Schwarzbrod? denn weiter reicht der Gehalt eines Secretairs ja nicht, als um das Leben der Familie eben zu fristen.

  1. Siehe Gartenlaube, Jahrgang 1857, Nr. 38 und 44.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_657.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)