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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 44. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Der rechte Streiter.
Von Theodor Oelkers.[1]

Willst du ein rechter Streiter sein
     In einer guten Sache,
So glaub’ den Sieg gewißlich dein
     Und jedes Zweifels lache.

5
Wenn er im guten Kampfe ficht,

Dann fragt der rechte Streiter nicht,
Ob man ihm Lorbeerkränze flicht,
     Ob unter’n Huf ihn stampfe
Des Feindes Roß – er zweifelt nicht

10
     Am Sieg im guten Kampfe.


Der Stein, tief in den Grund gebracht,
     Des Baues Last zu tragen,
Sieht selbst, versenkt in stete Nacht,
     Ja den Palast nie ragen,

15
Sieht nicht, wie kühn der Pfeiler strebt,

Nicht, wie sich stolz die Kuppel hebt,
Noch wie, aus Blumenschmelz gewebt,
     Zuletzt im Festesglanze
Hoch über’m Dach die Krone schwebt –

20
     Und doch trägt er das Ganze!


Ob dich auch nimmermehr erfreu’
     Der Siegsentscheidung Morgen,
Schaff du dein Tagwerk nur getreu
     Und laß den Höchsten sorgen.

25
Scheint auch der Kampf heut unfruchtbar,

Währt auch der Kampf an tausend Jahr,
Ob deß der Widersacher Schaar
     Als eitlen Spiels auch lache:
Gedenk’, es bleibt doch ewig wahr,

30
     Es siegt die gute Sache!


Und schiene dir das Recht auch schon
     Erdrückt, im Todeskampfe:
O, zweifle nicht, Sieg ist der Lohn
     In jedem guten Kampfe!

35
Wenn du auch nicht zum Ziele kommst,

Vergebens darnach rangst und klommst,
Ja selbst verblutest und verkommst,
     Ereilt von Feindesrache –
Sei überzeugt, daß so du frommst

40
     Dem Sieg der guten Sache.


All die vor Zeiten, lang vor dir,
     Ihr Blut dafür vergossen,
Und die’s vergießen lang nach dir,
     Sind deine Siegsgenossen.

45
Kein guter Streiter unterliegt,

Leb’ oder sterb’ er nun, er siegt!
Sinkt jede Fahn’ auch, stolz doch fliegt
     Das Banner festen Muthes!
Sein Theil zum Sieg des Guten wiegt

50
     Ein jeder Tropfen Blutes.


Siehst du auch nicht das Werk vollbracht,
     Der Erbe wird’s vollbringen;
Und schlägst du nicht die letzte Schlacht,
     Dem Enkel wird’s gelingen.

55
Kennt doch der treue Gott die Zeit!

Sei du vom Ziel auch noch so weit,
Und ob die ganze Höll’ im Streit
     Dir auch entgegendampfe:
Gewiß bleibt auch in Ewigkeit

60
     Der Sieg im guten Kampfe!




Nur eine Putzmacherin.
Eine stille Geschichte.

„Putz- und Modewaarenhandlung von L. Albrecht“ prangte mit großen Buchstaben auf einem Schilde über der Thür eines stattlichen Hauses. Ein riesiges Schaufenster, hinter welchem eine Menge der elegantesten Putzsachen die vorübergehenden Feminina zum Eintritt oder wenigstens zum Stehenbleiben lockte, machte das Schild fast überflüssig; auch gab es in der ganzen Stadt wohl kein weibliches Wesen, vom kleinen Schulmädchen bis zur Matrone, von jenen bejammernswerthen Geschöpfen, die „für Alles“ dienen, bis zur gebietenden Frau Präsidentin, das nicht die Albrecht’sche Putzhandlung, wenn auch nur von außen, kannte. Doch auch weit über das Weichbild der Provinzialstadt hinaus war der Ruf der Madame Albrecht gedrungen, und seit einer Reihe von Jahren konnte keine Dame in Stadt und weiter Umgegend Anspruch auf Eleganz machen, deren Hüte, Hauben, Coiffuren, Morgenhauben etc. nicht bei dieser berühmten Modistin gekauft waren. Das öffentliche Geheimniß ihrer Ueberlegenheit über alle Nebenbuhlerinnen, welche sich etwa bestrebten, ein Geschäft neben dem ihrigen in Flor zu bringen, bestand darin, daß sie die Modelle ihrer Putzsachen nicht aus Berlin oder Leipzig, sondern direct aus Paris bezog. Das konnte ihr Niemand auf die Dauer nachthun, so blieb denn L. Albrecht die erste Firma in R., und was nicht aus ihrer Werkstätte hervorging, war auch nicht modern. Es geschah sogar nicht selten, daß Bestellungen aus der Provinzialhauptstadt gemacht wurden, weil man in derselben nicht Pariser Modelle hatte.

Madame Albrecht, die frühzeitig Wittwe geworden war, hatte sich dabei ein ansehnliches Vermögen erworben; sie stattete ihre Töchter sehr reich aus, ließ ihre Söhne studiren, nahm in den gesellschaflichen

Kreisen R.’s eine bedeutende Stelle ein und war wegen

  1. Probe aus dessen binnen Kurzem erscheinenden Gedichten.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_629.jpg&oldid=- (Version vom 29.7.2019)