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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Gehöfte, aber jetzt seltener durch Gräben getrennt, und wenn dies der Fall, wenigstens durch eine Art von Brücken verbunden, die von Jedem, der sie betritt, ein gewisses Talent für den Seiltanz beanspruchen.

Nur selten gewährte uns auf dieser Wanderung ein Busch den so sehr bedürftigen Schatten. Immer mehr häßliche, sandige Flecken stellten sich zwischen verbrannten Feldern ein, und unsere gute nordische Kiefer, die man in dem ganzen Spreewalde vergebens sucht, findet wieder einen ihr günstigeren Boden.

In dem Hauptdorfe Burg, das zusammenhängend wie unsere übrigen Dörfer erbaut ist, und in einem so trostlosen Sande liegt, wie ihn nur die gute Lausitz aufzuweisen hat, wurde unser Junge zurückgeschickt, und nach kurzer Rast in der schattigen Laube eines Gasthauses traten wir unsere Weiterreise an.

Im Felde.

Wenn alle Strauße der Welt sich vereinigten, um durch Majorität zu entscheiden, wo ihnen der liebste Sommeraufenthalt in Deutschland sein möchte, so würde durch Stimmeneinheit die Partie zwischen Gülden und Cotbus gewählt werden, und wenn das Kameel „das Schiff der Wüste“ genannt wird, so weiß ich nicht, ob wir nicht einiges Anrecht auf diese (wenigstens auf die poetische) Bezeichnung zwischen Gülden und Cotbus bekamen. Brennende Sonne, Kieferngehölz, in dem sich die Hitze wie zur Conservirung bis zum nächsten Sommer gelagert, und zolltiefer Mehlsand versetzten uns in einen Zustand, der nicht zu beschreiben ist; und wenn wir gelegentlich stille standen, um einige warme Luft zu schnappen, so war der gegenseitige Anblick so ganz neu, so durchaus dem eigentlichen Individuum unähnlich, daß wir in ein Lachen der Verzweiflung ausbrachen. Nach vierstündigem Wege endlich erschien uns wie ein Himmelszeichen die sehnsüchtig erwartete Spitze des Cotbuser Thurmes, und bald verrieth uns eine halb verkommene Eisenbahn, auf der in der Ferne ein von einem Pferde gezogener Waggon brummte, die Nähe der Stadt.

Die Dämmerung war angebrochen, als wir in einem ziemlich fremdartigen Aufzuge in die Mauern eintraten und in dem Gasthof zum Bären endlich Erquickung und zuletzt auch Ruhe fanden, als ein Paar renommistischer Commis voyageurs das Gastzimmer verlassen hatten.

In Burg.

Eine halbe Stunde von Cotbus liegt Branitz, der jetzige Aufenthalt des Fürsten Pückler. Der Weg dorthin, den wir am Morgen des nächsten Tages einschlugen, geht theilweise durch einen ziemlich schattigen Gang junger Eichen, Birken und Akazien, welche von dem aristokratischen Gärtner angelegt wurden, um nach dieser Seite hin die öden Felder zu decken, und dem eigentlichen Parke ein mächtigeres Ansehen zu geben. An dem eigentlichen Eingange desselben befindet sich ein Pförtnerhäuschen und eine „Bekanntmachung“, in welcher unter anderem gebeten wird, die Stöcke und Schirme beim Portier abzuliefern und daß die Parkwächter kenntlich an ihren Uniformen sein würden. Ich glaube, Ersteres ist eben nur so hin gesagt wie das Letzte, da die einzigen Uniformen, welche ich sah, die des Aufsehers über einige Erde karrende Gefangene (6 Sgr. pro Tag) und die des Verordners, als Semilasso, in der Parkschenke war. Der Weg zu dieser wird Einem neben der Warnungstafel sehr freundlich durch einen Pfeil angezeigt, man findet sich aber ziemlich unangenehm berührt, wenn man, bei derselben angekommen, sieht, daß man wieder das Parkgehege verlassen und auf recht deutliche Weise hinausgeworfen ist. Wir ließen uns jedoch durch diese Sorte von Wink nicht stören und kehrten uneingeschüchtert um.

Das ziemlich bedeutende Schloß, aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, ist durch eine süperbe Umgebung dem neueren Geschmack etwas näher gerückt. Eine glänzende Blumenterrasse mit vergoldetem Treppengeländer schmückt den Fuß der Hauptfront des Gebäudes, vor welcher sich wiederum ein Plateau ausbreitet, das in der Mitte mit einem runden Beete kostbarer Blumen geschmückt ist und durch eine halbrunde, reichbewachsene Pergola den dahinter liegenden Oekonomiehof verdeckt. Mythologische Basreliefs in rothem Thon und in Bronze nachgebildete Antiken zieren das Innere derselben, während das große vergoldete fürstliche Wappen in deren Mitte die Harmonie geistig wie materiell stört. Schattige, melancholische Plätze, reizende Blumenfelder und Schwanenteiche nehmen unmittelbar die anderen Seiten des Schlosses ein, in welchen Anlagen der preußische Adler, hier in Thon zu Hunderten um ein Beet, dort vergoldet auf dem Frontispice einer Laube eine ziemlich kleinliche und seiner nicht würdige Rolle spielt. Eine Allegorie höchst eigenthümlicher Art bildet die Spitze des sogenannten Kiosk’s (einer Drahtlaube): eine Schlange windet sich zu einem Sterne hinauf, kann denselben aber nicht erreichen. Ich weiß nicht, ob der moderne Odysseus einen Grund für das Reptil hat, das Recht auf den strahlenden Himmelskörper würde ich dem Urtheile Anderer überlassen.

Denn daß der Staubgeborene vergebens nach der Schönheit strebt, diese allgemeine Auslegung kann wohl in solcher Schöpfung unmöglich Anwendung finden. Hier zu bescheiden – dort zu anmaßend; – wo bleibt die rechte Mitte?

(Schluß folgt.)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 609. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_609.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)