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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

„Ich will verdammt sein, wenn ich es thue!“ rief aber Steinert trotzig, „das hab’ ich nicht nöthig. Wer will mich dazu zwingen?“

„Ich,“ sagte Bollenheck vollkommen ruhig, indem er die Pfanne hinsetzte und aufstand.

„Bollenheck, keine Schlägerei!“ bat Köllern.

„Nein,“ sagte der Zinngießer, „eine Schlägerei soll es nicht werden. Diesem nichtswürdigen Hallunken nur will ich die Kehle ein Bischen zusammenschnüren, bis ihm die Stiefeln abfallen, weiter nichts.“ und der handfeste Bursch ging dabei so entschieden auf den erschreckten Steinert zu, daß dieser scheu ein paar Schritte vor ihm zurückwich.

„Ich will Ihnen etwas sagen, Steinert,“ meinte da der Zinngießer, noch einmal eine Unterhaltung anknüpfend, „Ihretwegen wahrhaftig nicht, denn Sie verdienten das Schlimmste, aber weil Sie ein Deutscher sind, und ich nicht haben will, daß sich die hochnasigen Amerikaner nachher vor ihren Zelten erzählen können: Einer von der „deutschen Bande“ hätte gestohlen, so soll die Sache unter uns bleiben und nicht weiter getragen werden – aber geben Sie gutwillig das Gold heraus, das Sie schon wieder diesen Nachmittag – von dem heute Morgen gar nicht zu reden – gestohlen haben. Ich kenne die Stücke genau, ich habe sie selber in die Erde gesteckt und vorher mit meinem Messer gezeichnet. Haben Sie keines von denen an sich, so will ich gelogen haben; im andern Fall aber –“

Köllern war ein Stück von den Beiden fortgegangen und hob etwas vom Boden auf; es war ein kleines Stück Gold, das er Bollenheck hinhielt.

„Ist dies eines davon?“ sagte er.

„Ja – wo haben Sie das her?“ rief Bollenheck rasch.

„.Herr Steinert hat es eben aus Versehen fallen lassen,“ sagte Köllern ruhig.

„Aber meine Herren, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort –“

„Ziehen Sie die Stiefeln aus!“ rief Bollenheck.

„Lassen Sie es gut sein,“ beschwichtigte diesen von Köllern. „Herr Steinert, es thut mir leid, Ihre Bekanntschaft auch von dieser Seite gemacht zu haben. Bollenheck, thun Sie mir den Gefallen, wiegen Sie das ausgewaschene Gold ab, geben Sie ihm seinen Antheil und lassen Sie ihn laufen.“

„Aber was er gestohlen hat –“

„Mag er behalten, wenn er es nicht freiwillig herausgibt. Ich verlange nichts davon. Sie haben ganz Recht, lassen Sie uns kein Aufsehen machen.“

„Meine Herren,“ rief Steinert, „Sie behandeln mich, einen vollkommen unschuldigen Menschen, auf eine empörende Weise. – Herr Bollenheck lügt wie gedruckt – aber ich verachte ihn:

Du mußt es nicht gleich übel nehmen,
Wenn hie und da ein Geck zu lügen sich erkühnt,
Lüg auch und mehr als er, und such ihn zu beschämen,
So machst Du Dich um ihn und um die Welt verdient!“

„Jetzt muß er die Stiefeln ausziehen,“ sagte aber Bollenheck, jedoch ohne die geringste Leidenschaftlichkeit. „Gott straf mich, er hat mich einen Lügner genannt.“

„Lassen Sie ihn laufen, Freund,“ beschwichtigte Köllern, dem die ganze Sache höchst fatal war.

„Ehe ich meine Stiefeln ausziehe,“ schwur Steinert, in einer etwas theatralischen Stellung den Arm emporhebend und das rechte Bein vorsetzend, „eher sterbe ich. Meine Ehre ist fleckenlos – ein Zinngießer soll sie mir nicht beschmutzen.“

„Das ist recht,“ sagte Bollenheck; „haben Sie jetzt auch noch das große Maul. Aber gut, Sie können andere Gesellschaft zum Stiefelausziehen bekommen, denn weigern Sie sich jetzt, die Sache unter uns abzumachen, so ruf’ ich, so wahr mir Gott helfe, den Augenblick die Nachbarn zusammen, und dann wird nachher auch oben im Zelt Nachsuchung gehalten, verstehen Sie mich?“

Herr Steinert, trotz seiner Frechheit, entfärbte sich doch bei dieser Drohung, und Köllern, dem es nicht entging, sagte:

„Seien Sie vernünftig, Steinert – Bollenheck besteht einmal darauf, weil Sie ihn einen Lügner genannt haben. Noch sind wir unter uns, und es mag unter uns bleiben, aber jetzt bitte ich selber darum, daß Sie die Stiefeln ausziehen.“

„Es geht sich auch unbequem mit Stücken Gold darin,“ sagte Bollenheck.

Steinert wollte sich noch weigern, als er aber sah, daß die beiden Männer entschlossen auf ihrem Verlangen bestanden, sagte er mit aller Verachtung, die er in seine Stimme hineinlegen konnte:

„Wohl, es sei – ich will Ihnen den Beweis meiner Unschuld geben, dann aber schüttle ich den Staub von meinen Füßen und verlasse ein paar Undankbare, denen ich bis jetzt nur Wohlthaten erwiesen habe.

Der Herr, der alles Fleisch erhält,
Wird mir, so viel ich brauche, geben.
Ihm werth zu sein, der Tugend nachzustreben,
Dies sei mein Kummer auf der Welt.“

Damit ging er bis dicht zum Wasser, setzte sich an des Baches Rand, und wollte sich die Stiefeln ausziehen. Bollenheck war aber klug genug, zu merken, was er dabei beabsichtigte, denn im Nu war er mit der Pfanne bei ihm, und diese unterhaltend, sagte er:

„Es wäre schade, wenn was in’s Wasser fiele.“

Steinert warf ihm einen grimmigen Blick zu, war aber jetzt zu weit gegangen, um noch zurückzukönnen. In der That hatte er einige Stücke grobes Gold in seinen Stiefeln versteckt gehalten, und Bollenheck, der schon von Morgens an Verdacht auf ihn gehabt und ihn beobachtet hatte, war das nicht entgangen. Jetzt suchte er vergebens seine bisherigen Cameraden zu täuschen; das Gold wurde gefunden, und wenn Herr Steinert auch jetzt noch mit schamloser Stirne den Versuch machte, abzuleugnen, daß er es dort absichtlich verborgen habe, und erklärte, es müsse ihm zufällig beim Schaukeln hineingefallen sein, erwiderte ihm keiner der Beiden ein Wort darauf. Von Köllern ersuchte ihn, seine Stiefeln wieder anzuziehen, und Bollenheck wünschte ihm eine angenehme Reise.

Steinert stand auch auf, stieg den Hang hinauf, ohne daß sich weder Kollern noch Bollenheck weiter um ihn bekümmert hätten, packte dort seine Sachen zusammen und verließ, selbst auf den Antheil des an diesem Nachmittag ausgewaschenen Goldes verzichtend, ohne von irgend Jemand Abschied zu nehmen, den Teufelsbach.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Geiermahl in Süd-Nubien.
Von Dr. A. E. Brehm.

Wir hatten die Wüstensteppe Bahinda hinter uns, und zogen längs des Nil durch die öde, aber malerische Enge des Wadi-Rherri. Die Regenzeit war nahe und die Hitze fürchterlich; mehr noch als sie aber drückten und behinderten uns die glühenden Sandstürme, welche den heranziehenden Frühling einzuleiten pflegen. Ein solcher Gluthwind beendete eines Morgens kurz nach dem Aufbruche unsern Ritt, und wir waren äußerst froh, bald nach Beginn der rasenden Windsbraut ein kleines Dorf zu erreichen. Hier lag eine vor uns aus Mittelnubien gekommene, im höchsten Grade entkräftete Karawane, welche sich vor der Weiterreise nach dem unfernen Charthúm erst einigermaßen erholen wollte. Ihren Ausrüster, einen reichen türkischen Kaufmann, fanden wir in der besten Strohhütte des Dorfes; er theilte sie aber sogleich bereitwillig mit uns,

Wie es bei solchen Begegnissen zu geschehen pflegt, erzählten wir uns gegenseitig ausführlich unsere letzten Erlebnisse, und so erfuhren wir denn, daß unsere neuen Bekannten einen Brunnen der Steppe verfehlt, und ihre Kameele deshalb ungemein gelitten hatten.

„O Herr,“ sagte Hawadje Hussëin, „es ist sehr traurig, wenn man sehen muß, daß die Nissúr[1] das beste Kameel zerfleischen mit ihren furchtbaren Schnäbeln und von dem guten Thiere kaum die Knochen übrig lassen. Zwei Stück haben wir bereits eingebüßt; aber mir thut blos ein armer Knabe aus Dongola leid, welcher sein ganzes Besitzthum, eine treffliche Kameelstute, wohl heute noch verlieren wird; denn sie schleppt sich schon seit drei Tagen, obwohl

  1. Plural von „Nissr“ – Geier – wörtlich „der Zerfleischende“.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_568.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2023)