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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

am siebenten Tage wird er das Fieber verloren haben,“ sagte Harry, indem er ihm ein Päckchen Chinin reichte. „Sieh, ich halte mein Versprechen, und werde Conanha größer machen.“

„Die Worte sind Honig, aber die Thaten sind Galle!“ erwiderte der Comanche bitter.

Harry hatte einen harten Stand. Der Comanche wollte uns zu Gefangenen machen und war weder mit Versprechungen noch mit Geldanerbieten zufrieden zu stellen. Ja seine Habsucht wurde durch die letzteren noch erhöht. Alle seine Leidenschaften waren erregt, seine Häuptlingsehre stand auf dem Spiele. Harry blieb nichts übrig, als ihm die Unmöglichkeit einer Eroberung unseres Baues zu zeigen. Er führte ihn in alle drei Höhlen und zeigte ihm unsere Vorräthe, ließ ihn unser Wasser kosten. Das half endlich. Er sah ein, daß er Alles auf das Spiel setzte, und fing an, nachgibiger zu werden. Nur Dolores wollte er nicht aufgeben.

„Was will denn Conanha mit der weißen Rose in seinem Wigwam?“ sagte Harry mit unerschütterlicher Ruhe. „Die Frauen von seinem Stamme werden ihn verspotten, sein eigen Weib, auf dessen sanfte Stimme er bis jetzt hörte, wird vergehen vor Gram, und ihre Verwandten werden seine Feinde.“ So setzte er ihm lange zu und stellte den Nachtheilen nun die Vortheile gegenüber. „Was will Conanha für die weiße Rose? Weiß er nicht, daß ich ein mächtiger Häuptling bin? Meine Schiffe sollen ihm die Ladung hinbringen, wohin er will, meine Jäger sollen seinen Kriegern die schönsten Pferde und Waffen zuführen. Ueberlege Conanha, und seine Forderung stelle er hoch, ich will sie erfüllen.“

Das war zu viel für den habsüchtigen Indianer. Er ward nachgebend. Harry fuhr fort: „Conanha sollte als Häuptling denken und nicht als Krieger, der im Haufen läuft. Wenn Conanha hier seine besten Krieger verloren hat, dann ist auch seine Rückkehr gefährdet. Schon sind die Krieger der Osagen, Shanees, Panis, mit den Jägern verbunden, aufgebrochen, um ihm den Rückweg abzuschneiden. Vielleicht sind ihre Späher schon in der Nähe und hören unsere Büchsen. Dann hat Conanha durch seinen Starrsinn Alles verloren. Ohne Krieger kehrt er vielleicht heim, und die Weiber werden ihre Männer von ihm fordern, die Häuptlinge werden ihn zu den Weibern rechnen – und Alles um ein Weib! Conanha soll Morgen aufbrechen, er soll mit dem Morgen die Höhle durchsuchen lassen und seinen Kriegern unsere Vorräthe zeigen; er kann ihnen sagen, was er alles von uns erhalten wird, und sie werden seine Klugheit loben. Wenn aber Conanha mit seiner Beute sicher ankommt, dann werden ihn die Männer bewundern, kommen aber meine Geschenke an, so wird er der Erste im Rathe sein, denn so viel Reichthum hat sein Stamm in keinem Raubzug erworben. Ich will aber dann meine Boten mitsenden, und hört Conanha ihre Stimmen, so soll der Wohlstand seines Stammes sich mehren ohne Rauben, und wir wollen einen Frieden schließen, und Conanha wird der Freund eines großen Häuptlings der Weißen sein, dessen Schiffe die großen Meere befahren und der die Wege durch die Prairien legt, daß sein Dampfroß bis zu den Felsengebirgen braust. – Will Conanha nun seine Forderung machen?“

„Und was soll Conanha thun?“

„Er soll uns den Weg thalaufwärts frei halten. Wir ziehen nach Norden, er mag eilig gen Süden ziehen, denn er weiß, daß die Krieger der andern Stämme und die Jäger ihm folgen. Seine Krieger dürfen es nicht sehen. Wir werden ausreiten, wenn Du selbst diesen Auszug bewachen läßt, und Deine Leute sollen kaum ahnen, wie wir entkamen. Aber sie dürfen uns nicht verfolgen.“

Conanha sah, daß er am klügsten that, seine Bedingungen zu stellen. Er griff hoch, aber er ward von Harry’s Freigebigkeit überrascht.

Harry versprach ihm sogar, eine Kanone vor seinem Wigwam aufzupflanzen. Pferde, Büchsen und wollne Decken waren der Kaufpreis, daß wir diese Indianer nicht zusammenschießen durften, aber wichtiger war, daß Harry einen Agenten zu diesem Stamme schicken durfte. Dieser wohnt jetzt bei dem Stamme, und Harry hat so klug gewählt, daß er nicht allein die wichtigsten Handelsbeziehungen mit allen anderen Stämmen von hier aus unterhält, sondern durch den Einfluß auf Conanha den Räubereien steuert.

Nun zeigte sich Conanha gefügiger. Wir erhielten die Sachen Dolores’, kauften ihm das Pferd, welches ich ihm abgenommen, wegen seiner Gelehrigkeit für Dolores ab und schieden in Frieden.

Bald hielt ein Indianer mit einem Pack-Maulthiere, das Dolores’ Sachen tug, und dem Pferde vor dem Eingange der Höhle. Mit aller Vorsicht ließen wir sie ein, aber Conanha meinte es ehrlich, es zeigte sich nichts Verdächtiges. Wir verrammelten nochmals die Thüre und ließen die Hunde als Wachen oben, dann machten wir uns daran, die Pferde herunter zu führen. Dick hatte schon die Schleuße geöffnet, und das Wasser war so weit gesunken, daß ein Mensch bequem den Canal passiren konnte. Ben ging voraus und kam bald mit der Nachricht zurück, daß Conanha sein Wort gehalten habe, daß alle Krieger thalabwärts aufgestellt und theilweise mit Vorbereitungen zur Abreise beschäftigt seien. Auf dem Grunde des Canals rieselte nur noch ein kleines Bächlein. Wir führten die Pferde hinnuter, und während Ben dieselben hielt, Harry Dolores durch das Wasser trug, eilten Dick und ich hinauf, um die Verrammlung theilweise fortzunehmen und die Hunde zu holen. Wir schoben nun die Querriegel zur Seite, sodaß bei einem Drucke von außen die Balken zusammenfallen mußten, und eilten dann unseren Gefährten nach. Diese saßen schon zu Pferde und bald ritten wir ohne Aufenthalt das Thal hinauf. Vorher hatte Dick noch die Schleuße vollständig geschlossen und die Verbindung nach innen zerstört.

„Morgen ist die Höhle voll Wasser, und sie werden sich den Kopf zerbrechen, wie wir entkommen sind!“ flüsterte er mir zu. Ich merkte ihm aber an, wie schwer es ihm ward, sich von seinem langjährigen Winterquartiere zu trennen.

Wir ritten langsam und vorsichtig in die Nacht hinein. Eine Biegung des Thales sicherte uns vollständig; bald war die Prairie erreicht, und nun jagten wir ohne Aufenthalt in die Nacht hinein.

Conanha hatte sich als verschlagener Häuptling gezeigt, nachdem er sich überwunden. Er wußte die Vortheile seiner Lage gut auszubeuten. Am Morgen führte er die Häuptlinge in die Höhle, zeigte ihnen ihre Uneinnehmbarkeit, die ihm selbst nun erst recht klar wurde. Jeder von seinen Kriegern wollte die Höhle in ihren Einzelheiten sehen, und lange Zeit wurden Geschichten von ihr erzählt und von den Weißen, die in der Erde verschwunden waren. Conanha selbst ließ sich aber nicht täuschen. Er folgte der Spur im Thale und fand den Canal, nur blieb ihm ein Räthsel wie wir durch das Wasser gekommen waren. Seinen Kriegern ließ er keine Zeit zu Untersuchungen. Er brach auf und entging glücklich den Verfolgungen und brachte seinen Raub in Sicherheit, ohne einen Mann zu verlieren. Sein Ansehen stieg, als er seinen Vater heilte. Jetzt ist er durch den Agenten Harry’s mit Chinin versorgt, und wie schon erwähnt, genießt er durch die Geschenke Harry’s wegen seines Reichthums und seiner Klugheit eines unbeschränkten Ansehens!




Unsere Abenteuer in der Prairie sind nun zu Ende. An unserem ersten Ruhepunkte breiteten wir Dick’s Büffelhaut aus und steckten uns den nächsten Weg nach Kansas ab. Wir hatten die Wahl, diesen Weg zu nehmen, oder über die verbrannte und nun von den Thieren verlassene Prairie zu reiten. Wir überschritten den Nord-Canadian und Cimerone und kamen bald in das Gebiet der Osages, bei denen wir Dolores’ wegen ruheten. Dolores’ Schicksal ist bald erzählt. Eine reiche Waise, war sie im Kloster erzogen und von ihrem Vormunde auf diese gefährliche Reise geschickt, vielleicht mit Absicht, denn nur mit vieler Mühe wurde er durch Harry’s Einfluß aus dem Besitz ihrer Güter getrieben, die er sich schon zu eigen gemacht hatte. Rührend war ihre Zärtlichkeit für Harry und konnte nur von dessen Sorge um sie übertroffen werden. Es ist jetzt noch ebenso wie in der Prairie, davon können wir, Ella und ich, am besten Zeugniß ablegen, denn wir wohnen neben einander, wenn wir in New-York leben, wenn wir unsere Landgüter besuchen oder in die Bäder reisen. Das ginge auch gar nicht anders, weil Ben bei Harry, und Dick, der aber Master Dietrich Friedemann heißt, bei mir lebt; und diese sind schwer zu trennen.

Bei den Osagen war es, wo ich durch einen angeschossenen Büffelstier in große Lebensgefahr gerieth. Das machte mich vorsichtiger. In Kansas trafen wir die Freibodenmänner und die Sclavereivertheidiger hart an einander. Harry hat hier seinen Einfluß entschieden zu Gunsten der Ersteren geltend gemacht, aber nur, wie es seine Art war, im Stillen. Wir knüpften auch hier Verbindungen an, die ihre Früchte tragen werden, gleich unsern Verbindungen mit den Comanches. Ich sage gleich „wir“, denn der Leser wird leicht errathen haben, daß Harry und Dolores, Willy

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_560.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)