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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Im Jahre 1847 sehen wir ihn in Gesellschaft seines geliebten Bruders Holland, England, Schottland und Irland durchwandern, überall zeichnend und Studien nach der Natur vornehmend. Ein Ausflug nach Madeira und den Kanarischen Inseln, den er auf die Westküste Afrika’s ausdehnte, machte den vorläufigen Beschluß. Ueber Spanien und Portugal trat er die Rückreise nach der Heimath an, wo er wohlbehalten anlangte.

Aber seine Reiselust, die mit seinem künstlerischen Interesse zusammenfiel, war noch nicht gebüßt. Einige Jahre später zog es ihn mit Macht nach Asien; über Italien eilte er nach Egypten und den Nil hinauf bis Nubien, dann von Kairo über Suez durch die Wüste, wo er ein interessantes Abenteuer mit räuberischen Beduinen bestand, nach Jerusalem, Damaskus, hin zu den Cedern des Libanon und dann wieder über Beirut, Constantinopel, Griechenland nach Hause.

Hier stellte er das Resultat seiner Reisen in einer Reihe von Aquarellen aus, welche die höchste Bewunderung erregten, und die, abgesehen von ihrer künstlerischen Vollendung, einen dauernden wissenschaftlichen Werth als die treuesten ethnographischen Bilder jener fremden Gegenden haben. Besonderes Aufsehen machten die Skizzen aus dem „gelobten Lande“, seine Zeichnungen von Jerusalem und den andern heiligen Oertern durch ihre wunderbare Treue und poetische Auffassung, sodaß der Künstler vom König Friedrich Wilhelm III. den Auftrag erhielt, mehrere derselben in Oel auszuführen.

Bisher hatte Hildebrandt sich mit Vorliebe dem Süden zugewendet; sein Drang nach Belehrung führte ihn im Jahre 1856 dem Norden zu, dessen eisige Majestät und schauerliche Beleuchtung er mit demselben Natursinn auffaßte und wiedergab, wie den strahlenden Himmel und die Gluth der heißen Zone. Unter großen Beschwerden drang er bis zu den Marken unserer Erde, zu dem verödeten Nordcap vor, von wo er über Drontheim und Stockholm nach Berlin zurückkehrte. Eine neue Folge von Aquarellen, in denen er mit derselben Meisterhand die Wunder der vom Nordschein und dämmernden Zwielicht beschienenen Regionen in seltener Vollendung der Natur nachschrieb, erhöhte nur noch seinen bereits feststehenden Ruf.

Im Sommer 1858 rief ihn der Tod eines geliebten Bruders, der ebenfalls ein ausgezeichneter Maler war, nach Rom, wo er das Grab des theueren Anverwandten besuchte und seinem tief wurzelnden Familiensinn genügte.

So große und schnell aufeinanderfolgende Leistungen mußten auch die entsprechende Anerkennung finden. Die Akademie der Künste in Berlin ernannte Hildebrandt zu ihrem Mitgliede und beehrte ihn mit dem Titel eines Professors; dasselbe that die Akademie zu Amsterdam. Bei Gelegenheit der Pariser Ausstellung erhielt er den Orden der Ehrenlegion; außerdem zieren noch eine Menge heimischer und fremder Orden seine Brust.

Als Künstler zeichnet sich Hildebrandt vor Allem durch die Genialität aus, womit er die Farbe zu behandeln weiß; er hat der Natur ihre geheimsten Lichterscheinungen abgelauscht; der Himmel und die Luft mit ihren mannichfachen wunderbaren Tönen und Tinten sind sein eigentliches Element. Nicht ganz mit Unrecht hat man ihn den „Liszt“ der Malerei genannt, der vor keiner Schwierigkeit, vor keinem Wagestück seiner Kunst zurückschreckt. Aber Hildebrandt ist kein bloßer Virtuose; er ist ein Künstler, der die vollendetste Technik nur zu höheren Zwecken benutzt; mit seiner Herrschaft über die Farbe verbindet er eine wahrhaft poetische Naturanschauung; selbst in den Verirrungen seines kühnen Pinsels erkennt man noch ein besseres Streben. Durch seine weiten Reisen hat er den beschränkten Kreis der Landschaftsmalerei durchbrochen und den Horizont derselben erweitert, worin mit sein Hauptverdienst besteht. Die meisten seiner Kunstgenossen übertrifft Hildebrandt durch seinen Fleiß; er gönnt sich keine Ruhe, und nur dieser Umstand erklärt die große Menge seiner Gemälde. Abgesehen von den zahllosen Aquarellen, hat er in schneller Folge eine Reihe trefflicher Landschaften in Oel geschaffen. Wir erinnern nur an seine herrliche Winterlandschaft im Besitze der Königin von Preußen, an Jerusalem und den Deich von Bethesda, auf Bestellung des Königs gemalt, an das reizende Bild „am Weiher“, an sein neuestes Bild „ein Sonnenblick“, das er soeben erst vollendet hat.

Die beifolgende Skizze, welche der Künstler eigens für die Gartenlaube gemalt, stellt die Festungswerke im Hafen von Funchal auf Madeira vor; sie entbehrt freilich den Hauptreiz Hildebrandtscher Kunst, die Farbe, welche selbst der beste Holzschnitt nicht wiederzugeben vermag.

Max Ring.




Die Chiffreschrift des Diplomaten.

Schon bald nach der allgemeinen Einführung der geschriebenen Sprache in die gewöhnlichen Angelegenheiten des Lebens war man bedacht, ein Mittel aufzufinden, um die Kenntniß des Inhalts eines schriftlichen Documents vor jedem Andern als dem, für den es bestimmt war, zu verbergen.

Bei der Beförderung wichtiger Botschaften von einem Hofe nach dem andern, von Instructionen eines Ministers an seine Agenten im Auslande, von Befehlen eines Obercommandanten an einen entfernten Divisionsgeneral oder bei dem Austausch jener zärtlichen Gefühle, welche das größte Glück der Liebenden aller Zeiten ausgemacht haben, stellte es sich als höchst wünschenswerth heraus, den wirklichen Sinn des Sendschreibens vor jedem Andern als dem, für dessen Augen es bestimmt war, verborgen zu halten.

Um diese erwünschte Geheimhaltung zu erreichen, wurden verschiedene Mittel in Anwendung gebracht. Der Verdacht Unberufener ward dadurch getäuscht, daß man durch den Gebrauch sympathetischer Tinten oder zu diesem Zwecke präparirten Papieres das Vorhandensein der Schrift selbst sorgfältig verhehlte, während irgend eine unerhebliche Mittheilung der offen ausgesprochene Zweck der Botschaft war.

In andern Fällen war die Depesche so geschrieben, daß ein geheimnissvoller Schleier darüber geworfen ward, den der Scharfsinn der Correspondenten undurchdringlich zu machen suchte, so daß es Uneingeweiheten unmöglich war, den Sinn zu entziffern.

Eine der frühesten und vielleicht plumpsten Gattungen von Geheimschrift wird von Herodot beschrieben. Man wählte einen zuverlässigen Sclaven, rasirte ihm das Kopfhaar und schrieb dann auf die nackte glatte Haut die wichtigen Worte, von welchen vielleicht das Schicksal von Nationen abhing. Dieser seltsame Briefträger ward dann noch daheim behalten und lebte als eine Art Staatsgefangener, bis sein Haar wieder die gewöhnliche Länge erhalten halte. Dann trat er, ohne Zweifel mit hinreichenden andern Botschaften in Geheimschrift oder sonst wie versehen, um den Verdacht der Feinde, in deren Hände er vielleicht fiel, auf eine falsche Fährte zu leiten, seine wichtige Reise an. War er am Ziel derselben angelangt, so wurden die Geschenke und die Depeschen mit dem nöthigen Aufwand von Ostentation überreicht, um die Spione, die auch stets in der Nähe einer jeden wichtigen Person umhertrieben irrezuführen. Dann aber, wenn Alles ruhig war, in der Stille der Nacht, erklärte der Bewahrer des Geheimnisses, wo die wirkliche Botschaft zu finden sei, und nachdem man ihm den Kopf zum zweiten Male rasirt, las man die wichtigen Worte und vertilgte sie. Hierauf konnte die Antwort auf dieselbe sonderbare Tafel geschrieben werden, das Haar wuchs wieder und der Bote ward mit thunlichster Beschleunigung an den Hof seines Herrn zurückgesendet.

Es leuchtet sofort ein, daß dieses Mittel nur bei sehr seltenen Gelegenheiten und bei solchen Mittheilungen angewendet werden konnte, die nicht durch die langwierige Verzögerung litten, welche durch die Nothwendigkeit herbeigeführt ward, zu warten, bis das Haar wieder über die Schrift hinweggewachsen war, denn sobald die, welche stets auf der Lauer lagen, um dergleichen Botschaften aufzufangen, nur die mindeste Spur von dem wahren Sachverhalt entdeckt hätten, so würde jeder unglückliche Courier, der ihnen später in die Hände gefallen wäre, nicht blos um sein Haar, sondern möglicherweise auch um den ganzen Kopf gekommen sein.

Ein etwas ähnliches Auskunftsmittel wird von einem gewissen hochgestellten Manne am persischen Hofe, Namens Harpagus erzählt, welcher dem König Cyrus in Bezug auf einige wesentliche Punkte wichtige Rathschläge zu ertheilen wünschte. Da dieser Fürst sich aber damals außer Landes befand und die Straßen alle bewacht waren, so wußte Harpagus zu seinem Zweck kein anderes Mittel ausfindig zu machen, als das folgende.

Er fing einen Hasen, machte mit möglichster Schonung des Felles einen kleinen Einschnitt in den Leib des Thieres und schob

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 518. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_518.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)