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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

„Marie hieß Ihre Braut?“ fragte ich erstaunt.

„Marie hieß sie, Mann! Was soll’s? Ihr kanntet sie doch nicht!“

„Wenn Ihr aber Dietrich Friedemann seid, so könnte es doch sein!“

„Und wenn’s so wäre?“

„So hieß Eure Braut Marie Wolf und denkt heute noch an Euch!“

Wie ein Blitz die riesige Eiche von Gipfel bis zur Wurzel. so erschütterten meine raschen Worte den Mann, daß sein ganzer Körper zitterte. Mühsam erkämpfte er seine Fassung, dann sagte er leise wie mit sich selbst sprechend: „Denke, Marie Wolf hieß sie und ich Dietrich Friedemann. Aber sollen die Todten wieder aufleben? Können die Begrabenen auferstehen?“

„Marie ist meine Tante. Sie lebt im Hause meiner Eltern und hat uns Kinder groß gezogen, und Euch heute noch nicht vergessen. Ich sollte Euch aufsuchen, und Sie hat mir einen Brief an Euch mitgegeben –“

„Wo ist er, wo ist er?“ rief Dick heftig.

„Leider habe ich ihn nicht mehr, er ist mir gestohlen mit allen meinen Sachen.“ Und ich erzählte die Ereignisse bei der Landung des Washington. Dick schien in sich versunken, nur Harry unterbrach mich mit dem Ausrufe „Also doch wahr!“ Dann fragte er mich, wie lange ich das Mädchen über Wasser gehalten.

„Mir kam es eine Ewigkeit vor, es mag aber wohl eine Viertelstunde gewesen sein.“

„Und Sie haben Sie nie wieder gesehen?“

„Wohl möglich, aber ich weiß es nicht, denn dies blasse Gesicht habe ich kaum angesehen. Doch,“ fügte ich zögernd hinzu, „mit Ihrer Schwester Ella schien sie eine Aehnlichkeit zu haben.“

In dem Augenblicke schoß es mir durch de Kopf, ob sie es wohl nicht gewesen sein mochte, doch Harry’s ruhiges „So, so!“ ließ diesen Gedanken zurücktreten.

Unter diesen Gesprächen war der Morgen heraufgekommen. Dick trat vor mich hin. Ohne ein Wort zu sprechen, zog er meine beiden Hände an sich, und sah mir rasch und fest in die Augen, als wollte er darin lesen, ob nicht ein Lügengeist ihn in der Nacht getäuscht. Dann schüttelte er mit dem Kopfe und ging zu den Pferden. Wir folgten ihm, saßen bald auf und ritten weiter in die Prairie hinein.

Bald sollten wir zu ernst mit unserer Lage beschäftigt sein, um weitere Unterhaltungen an die der Nacht anzuknüpfen. Wir entdeckten Indianerspuren. Ben und Dick behaupteten, es seien die der Comanches, und fürchteten, da unser Weg dieselben kreuzte, sie vielleicht bald auf demselben zu erblicken. Auf offener Prairie wäre es uns unmöglich geworden, uns ihres Angriffes zu erwehren, und die erfahrenen Jäger trieben zur Eile, um ein Versteck in einem Gehölze zu erreichen, das ihnen bekannt war. Wir hielten nur gegen Mittag so lange an, um die Pferde zu füttern und von unserm Wasservorrath zu tränken. Das war immer eine Aufgabe bei der unbändigen Natur von Dick’s Mustang. Dieser mußte wohl etwas zu kurz gekommen sein, und ihm fehlte die Kraft und Ausdauer unserer Pferde. Ben führte, dann folgte Harry, dann ich, und Dick machte den Beschluß. Bald bemerkte ich, daß Dick zurückblieb. Ich blieb dicht bei ihm, und der Abstand zwischen uns und den beiden Vorreitern ward immer größer. Dick trieb mich zur Eile an, aber ich blieb dicht vor ihm. Er sah, daß ich die Schwäche seines Pferdes erkannt hatte und ihn nicht verlassen wollte.

Als ich eben eine größere Erhebung des Bodens hinaufgeritten war, rief mir Dick zu, anzuhalten.

„Die Hunde sind uns schon auf den Fersen,“ sagte er. „Sie sollen nicht denken, daß wir vor ihnen fliehen. Reitet langsam herab.“ Ich that es und er folgte mir, ohne sich umzusehen. Dann sprang er rasch von seinem Pferde und gab mir den Auftrag, dasselbe zu thun und den Hügel hinaufzugehen. Er mochte vielleicht acht Fuß hoch sein, und sein Gras deckte mich vollkommen, als ich seine Höhe erreichte und mit meinem Glase die Ebene hinter uns überschaute. Am Horizonte bemerkte ich bald einen Trupp Reiter. Ihre Anzahl ließ sich schwer bestimmen, da sie Einer hinter dem Andern uns gerade entgegenritten. Bei dem Ueberreiten einer Anhöhe konnte ich sie ungefähr zählen. Es mochten zehn bis zwanzig sein.

(Fortsetzung folgt.) 


Aus dem Leben der Hauskatze.

Von Dr. A. E. Brehm.

Wenn man ein gutmüthiges Geschöpf mit altvererbtem Mißtrauen betrachtet, es mißtrauisch behandelt und jede seiner Handlungen, ohne zu prüfen, mißtrauisch richtet, darf man sich gewiß nicht wundern, wenn es zuletzt zuweilen unmuthig und sogar bösartig werden kann. Die armen Hauskatzen sind in der traurigen Lage, solche Mißhandlung erdulden zu müssen; warum, weiß eigentlich Niemand zu sagen. Das liebe Sprüchwort behauptet, die Katze sei falsch, tückisch, schmeichle vorn und kratze hinten etc. Einer plappert diese offenbaren Verleumdungen ruhig dem Andern nach, und „Mietz“ muß das entgelten. Wie es gewöhnlich der Fall, bleiben die Verdienste des vortrefflichen Hausfreundes im Stillen. Höchst selten findet sich Jemand, welcher die ihm durch denselben gespendeten Wohlthaten wirklich dankbar anerkennt: etwa ein Pfarrer, dem die baufällige Wohnung von einer überraschend baulustigen Gemeinde oder einem hochwohlweisen Rathe im Stande gehalten, d. h. so hergestellt werden muß, daß Regen und Wind nicht unmittelbar, sondern erst auf Umwegen in alle Räume dringen können; ein Landwirth, welcher volle Kornböden hat, oder andere Leute, die ihre Behausung mit Ratten und Mäusen freundnachbarlich zu theilen genöthigt sind. Sie wissen, was es sagen will, nach vergeblicher Kammerjägerei aller Art endlich einen vierbeinigen Nothhelfer im Hause zu haben, dessen bloßer Anblick schon in allen Ratten und Mäusen starke Auswanderungsgelüste erregt und dessen Thätigkeit die des Menschen bald gänzlich in Schatten stellt.

Ich denke gar nicht daran, hier die Verdienste der von mir sehr hoch geachteten Thiere hervorzuheben oder mit mancherlei kleinen Eigenthumsvergehungen und ähnlichen Sachen, die sie sich wohl auch zu Schulden kommen lassen, abzuwägen, sondern will ganz einfach einige Geschichten von Hauskatzen mittheilen, welche ich selbst erlebt oder durch Erzählungen wahrheitsliebender Freunde erfahren habe. Wenn diese Geschichten einigen Tausenden meiner vierbeinigen Freunde auch nur ein paar Tage lang ein freundliches Gesicht ihrer bezüglichen Herrschaft (und nebenbei einige Schüsselchen gute Milch) eintragen sollten, würde ich mich für die Mühe meiner Niederschrift hinlänglich belohnt fühlen; nach mehr strebe ich diesmal nicht. Zur gehörigen Würdigung meiner Mittheilungen glaube ich die mir gewordenen Ergebnisse derselben aber doch vorausschicken zu müssen.

Unsere Hauskatze ist das gerade Gegentheil von dem, was sie nach der gewöhnlichen Ansicht über sie sein soll. Sie ist nichts weniger als falsch, sondern im Gegentheile sehr offenherzig; sie ist ebenso wenig tückisch, als der Hund, und kratzt nimmermehr, während sie zugleich schmeichelt, sie ist vielmehr ihrer Herrschaft treu ergeben und läßt sich von ihr ungemein Viel gefallen. Ihre Reinlichkeit und Ordnungsliebe, die Anmuth und Zierlichkeit ihrer Bewegungen, ihr gemüthliches Schnurren, die Freundlichkeit, mit welcher sie sich ihrem Herrn anschmiegt, und andere angenehme Eigenschaften sichern ihr das Wohlwollen aller vorurtheilsfreien Menschen, welche sich mit ihr beschäftigen; ihre Mutterliebe, welche sich sogar auf fremde Kinder erstreckt, müssen ihr selbst warme Zuneigung erwerben. Es fehlt ihr vor Allem eine liebevollere Erziehung von Seiten des Menschen, um sie zu einem durchaus liebenswürdigen Thiere zu machen.

Von der Mutterliebe der Katze gegen fremde Kinder will ich zuerst Einiges erzählen. Eines Tages fand ich ein kleines miauendes Kätzchen mitten im Felde. Es war hungrig, furchtsam, müde und traurig, dabei sehr scheu und wild. Ich fing es endlich mit Hülfe meines Dachshundes, der mir das Thierchen stellte, brachte es nach Hause und pflegte es nach Kräften. Mietzchen gedieh herrlich, spielte bald eine Rolle im Hause und begann, noch nicht einmal halbwüchsig, die Jagd auf Mäuse und Ratten, von denen es damals im Hause wimmelte, mit ebenso viel Geschick und Muth, als Erfolg. Hierdurch gewann es sich unser Aller Zuneigung; wir Kinder quälten es möglichst wenig und nahmen es

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_513.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2023)