Seite:Die Gartenlaube (1859) 501.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

können ihnen allerdings nicht zur Last gelegt werken, allein die Entfremdung silberner Theekannen, Löffel, Uhren, Kleidungsstücke und Pretiosen, durch kunstgerechte Oeffnung von Fensterläden und Anlegung von Leitern, die sie gern aus dem bestohlenen Local selbst zu entlehnen pflegen, gehört zu ihren kleinen Liebhabereien. Was sie uns als „Herren von Grün“ besonders interessant macht, ist ihre gänzliche Obdachlosigkeit und ihre Gewohnheit, im Freien zu schlafen. Begeben wir uns also auf den Schauplatz ihrer Thaten hinaus. Am Ende des Thiergartens liegt Albrechtshof, ein allerliebster Inbegriff von vielen Sommerwohnungen. In einiger Entfernung von diesen freundlichen Landhäuschen fließt ein Graben, dessen Ufer mit sehr dichtem Gebüsch, Kartoffel- und Getreidefeldern bedeckt sind. Da die polizeilichen Recherchen sich höchstens bis an den Graben zu erstrecken pflegen, und jenseits desselben das Gebiet der Nachbarstadt Charlottenburg beginnt, betten sich die, Indianer gern in diese stillen neutralen Buchten. Abends, wenn Alles in der Umgegend schläft, machen sie sich, mit den Fledermäusen um die Wette, auf und untersuchen die Nachbarschaft.

Ein Freund, der an dem genannten Orte wohnt, wußte viel von dem nächtlichen Pfeifen und den dunklen Gestalten zu erzählen, die spät Abends, wenn die Bewohner der Sommerwohnungen das Bett suchten oder aus der Stadt nach Hause kamen, über den Weg huschten. Als ich ihn neulich um die Kaffeestunde besuchte, trat ein hochgewachsener, aber etwas zweifelhaft aussehender Herr zu uns in den Vorgarten und bat um eine milde Spende.

„Wie heißen Sie?“ fragte der Freund mit entschlossener Stimme.

„Portz,“ lautete die Antwort.

„Wo schlafen Sie?“ Diese eigenthümliche Frage schien den Fremden zu verblüffen, und ihm eine ungemein vortheilhafte Meinung über die Menschenkenntniß des Fragestellers einzuflößen. Warum wollte der Herr wissen, wo Portz schlief? was für Folgerungen konnte er daraus ziehen?

Mit einigem Zögern antwortete der Eindringling: „Nun, wo anders soll ich schlafen, als bei Mutter Grün?“

„Nun, dann werden Sie doch wissen –?“ sagte der Freund.

„Ja wohl – ja wohl!“ fügte der Indianer Portz hinzu, kratzte sich hinter den Ohren und verschwand in den Gebüschen. Man erklärte mir hierauf, daß Portz sehr gut gefühlt oder gewußt habe, wie ein am Busen der Natur Schlummernder nicht wohl Ansprüche an die Hülfe der Gesellschaft erheben könne. Wir lachten, aber nach drei Tagen war der Kleiderschrank eines Nachbarn rattenkahl ausgeräumt. Die Herren von Grün hatten sich gerächt. Nun thaten sich die Sommerbewohner zusammen, wenn es Abends in den Gebüschen rauschte und pfiff, rückten sie in einem geschlossenen Haufen aus und begannen Nachsuchungen. Niemand erwischte jedoch ein Kind der guten Mutter Grün, selbst die mitgenommenen Hunde waren mit ihnen befreundet und blafften nicht einmal, obwohl unfehlbar einige Buschklepper im nahen Busch versteckt waren. Erst nach drei Nächten erwischte der Wächter einen alten Indianer, führte ihn von dannen und legte ihn inzwischen in einen kleinen, zur Zeit nicht besetzten Schweinestall. So erheitern wir uns während der guten Jahreszeit.

Werden die Tage kürzer, vergilbt und fällt das Laub, dann machen sich auch die Beamten der hohen Obrigkeit zur Jagd auf und veranstalten abendlich große Treibjagden. Eine Reihe Constabler durchzieht vom Brandenburger Thor aus, nach dem erwähnten Graben hin, den Thiergarten und bemächtigt sich so der letzten Herren von Grün, welche noch nicht, eingedenk des unvermeidlichen Wechsels der Dinge, weislich ein heimliches Obdach im Weichbilde Berlins gesucht haben.




See-Elephanten.
Mitgeheilt vom Capitain W. Schmidt.

Im Juni 1854 unternahm ich als Capitain eines großen Wallfischfängers eine Reise nach dem südlichen indischen Ocean, um die auf den daselbst liegenden Crozett-Inseln häufig anzutreffenden Seegeschöpfe, wie Robben, See-Elephanten, Seelöwen zu jagen und zu erlegen, worauf wir im indischen Ocean in der Gegend von Madagascar nach Spermaceti-Wallfischen (Cachelots) kreuzen sollten. Ich hatte Leute genug an Bord, um einige der größeren Inseln mit ihnen zu besetzen und Hütten darauf zu bauen; gleichfalls führte ich Lebensmittel genug, diese Leute auf ein Jahr damit zu versehen, da die Inseln selbst nichts hervorbringen, und auf ihnen außer einer Unzahl von Seegeschöpfen aller Art kein Nahrungsmittel existirt.

Am 2. Juli bekamen wir des Morgens eine hohe Insel durch den dicken Nebel zu sehen, welche wir bald für die westlichste der Crozett-Gruppe erkannten. Sie wird Pig-Island von den Engländern, Isle-aux-Cochons von Crozett, ihrem ersten französischen Entdecker, genannt und liegt zwischen dem 47. und 48. Grade südlicher Breite und 49. Grad östlich von Greenwich. Die ganze Gruppe besteht aus fünf Inseln, welche in einiger Entfernung von einander liegen, von denen die drei größeren Pig-, Possession- und East-Island genannt werden; die beiden anderen, die Apostel genannt, sind nur unbedeutend, obwohl hoch und unnahbar. Ihre Küsten sind noch nie von einem menschlichen Fuße betreten worden, da sie von drohenden, noch unbekannten Felsen umgeben sind, die jeden Versuch, darauf zu landen, verbieten.

Im Juli, hier mitten im Winter, waren natürlicher Weise alle Inseln hoch mit Schnee bedeckt, und des Nachts die kleinen, dem Andrange der See nicht ausgesetzten Buchten mit einer ziemlich starken Eisdecke überzogen. Indeß fand ich nie die Temperatur unter 10° Reaumur, und an den den Sonnenstrahlen ausgesetzten Stellen thauete es in den Mittagsstunden und der geschmolzene Schnee bildete zahlreiche Cascaden, welche sich in die See ergossen.

Pig Island (Isle-aux-cochons) hat seinen Namen von der großen Anzahl wilder Schweine erhalten, welche früher darauf in völliger Freiheit umherstreiften und die von den Jungen der hier nistenden unzähligen Seevögel lebten; sie sind jedoch von den zuweilen anlaufenden Robbenjägern beinahe ausgerottet worden, so daß nur noch einige Heerden von ihnen sich vorfinden, welche sehr schlau und schwer zu erlegen sind und beim Anblicke eines landenden Bootes in das Innere flüchten. Ihre Stelle wird jetzt von wilden Kaninchen eingenommen, welche vor ungefähr zwanzig Jahren von einem Robbenfänger hier zurückgelassen worden waren und die sich dergestalt vermehrt haben, daß sie die trocken gelegenen Theile der Insel in allen Richtungen unterminirt haben. Sie dienen jetzt den Leuten, welche während der milden Jahreszeit den Robbenfang betreiben, zur ausschließlichen Nahrung, und werden leicht von diesen in Schlingen gefangen. Die hier auf den Inseln zurückbleibenden Leute werden deshalb nie mit Fleisch von den Schiffen versorgt, sondern blos mit Thee, Kaffee, Mehl, Zucker u. dergl.; denn außer den Kaninchen finden sich große Massen von jungen Seevögeln vor, welche sehr gut zu essen sind, wenn man sie fängt, ehe sie noch flügge geworden sind und Fische gefressen haben. Vorzüglich zogen wir die Albatrosse allen andern Arten vor, da sie größer und zarter sind und mehr Fleisch an sich haben.

In kurzer Zeit errichteten wir auf allen Inseln an geschützten Orten Hütten von in der Form von Mauersteinen ausgeschnittenem Rasen; die Wände machten wir drei Fuß dick, damit sie dem Winde und Regen widerständen, das Dach wurde hoch gebaut und steil, damit sich nicht während des Winters zu viel Schnee darauf sammle und das Innere mit alten Segeln ausgeschlagen. Der transportable Ofen kam in die Mitte, und rings herum wurden die Betten aufgestellt, welche die Gestalt von länglichen, viereckigen Kisten mit einer kleinen, auch noch durch einen Schieber verschließbaren Oeffnung hatten, in welchen sich ein Mann mit Bequemlichkeit ausstrecken und schlafen konnte und vor der grimmigen Kälte geschützt war. So eingerichtet, bildete das Ganze ein ziemlich bewohnbares Obdach, worin die Leute im Winter behaglich trocken und warm sitzen konnten. Wir ließen zehn Mann auf jeder Insel zurück, mit einer Anzahl von Fässern, großen eisernen Kesseln, um den Thran der getödteten Thiere auszuschmelzen, und hinreichendem Proviant auf ein Jahr.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_501.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2023)