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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

man gestehen müssen, daß Knaur dieselbe in seiner Gellertstatuette mit entschiedenem Geschick und Glück in Anwendung gebracht hat. Die Statuette vergegenwärtigt uns nicht allein den frommen Gellert, wie ihm, der in stille religiöse Betrachtung mehr noch als in Gebet versunken scheint, etwa sein schönes: „Wie groß ist des Allmächt’gen Güte“ durch die Seele klingt, sie vergegenwärtigt uns auch diesen ganzen mehr innigen als großartigen, mehr weichen als kräftigen, mehr weiblich hingegebenen als männlich schöpferischen Charakter, und sie vergegenwärtigt ihn uns in einer äußeren Erscheinungsform, welche nicht allein im Gesichte die überlieferten Züge des edlen Menschen getreulich wiedergibt, sondern in seiner ganzen etwas hageren und schwankenden Gestalt und Haltung uns an den etwas kümmerlichen und timiden Professor erinnert, ohne gleichwohl in den Formen unschön zu werden.

Monumental ist das nicht und zu lebensgroßer Ausführung würde sich dies Bildwerk allerdings nicht eignen, aber darauf ist es eben auch nicht angelegt und dazu ist es nicht erfunden, während es als Statuette gedacht einen durchaus erfreulichen Eindruck macht.

Ein in neuerer Zeit in Lauchhammer in Erz gegossenes Relief, „die Grablegung Christi“ darstellend, ist ganz im Geiste unserer mittelalterlichen Kunst in ihrer besten Entwickelung gedacht und ausgeführt, ernst und einfach gehalten, in der Anlage klar und gefällig componirt, wirkungsvoll und correct modellirt. Getreulich in demselben Styl, aber ohne zu weit gehendes Hasten an dessen Formeneigenthümlichkeit gestaltet ist ein ebenfalls in Erz gegossenes zehn Zoll hohes Crucifix, welches später entstand.

Nach Beendigung der genannten Werke wurde des Künstlers Thätigkeit auf längere Zeit durch die Aufgabe in Anspruch genommen, die Entwickelung der italienischen Malerei vom 12. bis 16. Jahrhunderte in Relieffiguren eines 112 Fuß langen, für das Dresdner Museum bestimmten Frieses darzustellen.

Die Aufgabe an sich ist keine günstige zu nennen; denn erstens, um nur einige Hauptbedenken anzudeuten, widerspricht dieselbe in ihrer einzigen möglichen Lösung, durch eine Folge aneinander gereihter auf die Hauptträger der Entwickelung bezüglichen Gruppen, einem der obersten Gesetze der Friesreliefbildnerei, welche vor Allem eine formelle wie ideelle, äußere wie innere Einheit der Composition unausweichlich fordert. Zweitens geht den hier von Knaur geforderten Darstellungen größtentheils der Reiz höherer Formenschönheit ab, und schon deshalb ist der Gegenstand zu plastischer Darstellung ungeeignet; noch mehr aber erweist er sich drittens als verfehlt dadurch, daß es absolut unmöglich ist, das, was die Aufgabe eigentlich fordert oder fordern sollte, die „Entwickelung der Malerei“, plastisch darzustellen, d.h. innerlich darzustellen, so daß nichts übrig blieb, als die einzelnen großen Künstler als die Träger dieser Entwickelung in ihrer Persönlichkeit und in ihrer verschiedenen Thätigkeit zu schildern, und in dieser letzteren die Verschiedenheit ihrer künstlerischen Bestrebungen und Richtungen anzudeuten. So allein konnte diese unkünstlerische und besonders unplastische Aufgabe, die besten Falls zu einer Folge aneinander gereihter Illustrationen zu etwaigen Lebensbeschreibungen der Künstler, nie aber zu einem monumentalen Kunstwerke werden konnte, gefaßt werden, und so ist sie von unserem Knaur gefaßt worden. Und was er leisten konnte, das hat er ohne Zweifel geleistet, die, einzelnen Meister sind in der Art ihrer Wirksamkeit recht brav charakterisirt, die Composition der einzelnen Gruppen ist thunlichst gefällig und das Ganze so harmonisch, wie es eben sein kann.

Nach diesem Friese sind sodann aus der Werkstatt unseres Meisters noch eine bedeutende Anzahl von Arbeiten hervorgegangen, Statuen sowohl, die theils in Sandstein, theils in gebranntem Thon, theils in Zinkguß ausgeführt sind, wie Statuetten, Büsten, Hochreliefs (sogen. Reliefstatuen) und Medaillons, welche ich hier nicht alle im Einzelnen besprechen kann, aus denen ich vielmehr nur diejenigen heraushebe, die mir aus dem einen oder dem anderen Grunde eine vorzügliche Auszeichnung zu verdienen scheinen, um schließlich noch ein Wort über die neuesten Arbeiten Knaur’s, die vier vom Erzherzog Ferdinand Max für seine Villa in Miramare bestellten Marmorbüsten des Homer und Dante, Shakespeare und Goethe hinzuzufügen. Die meisten Statuen Knaur’s sind Portraits, von denjenigen idealen Gegenstandes glaube ich den für ein Grab auf dem neuen Friedhofe zu Leipzig bestimmten „Christus mit den Marterwerkzeugen“ hervorheben zu müssen. Aus diesem Titel kann man sich freilich kaum eine Vorstellung von dem Werke machen. Der Heiland steht im reichfaltigen Gewände ruhig aufrecht da, das große Kreuz, an dem Dornenkrone, Geißel etc. befestigt sind, mit dem linken Arm umfassend, während er rechts hinblickend mit der rechten Hand auf das Kreuz hinweist, so das für Alle mit dem Tode besiegelte Erlösungswerk verkündigend. Die Haltung ist durchaus würdig, fest und klar, ohne den geringsten Anflug von theatralischer Action, der Ausdruck des Antlitzes ruhig und milde, doch geistig erregt und wie von dem Schimmer der Verklärung überflogen. Die Formen, in denen das Ganze gehalten ist, stehen jenen krankhaften, schwächlichen, magern und gezerrten Formen, welche das Nazarenerthum unserer Kunst für den Heiland fast zu den classischen gemacht hat, in glücklichster Weise entgegen; die Gestalt hat die nöthige Kraft und Breite, um plastisch an und für sich schön zu sein und um uns nicht nur jenen Christus zu vergegenwärtigen, der still duldend am Kreuze zu Tode gemartert wurde, sondern auch jenen, der in heiligem Eifer erglühend die Verkäufer aus dem Tempel trieb, und der mit ruhiger Festigkeit der Gleißnerei und Heuchelei die Larve vom Antlitz zu reißen wußte. Wenn namentlich die große Büste Leibnitz’s Knaur’s Beruf für die monumentale Kunst darthut, so legt uns diese Christusstatue den Wunsch nahe, daß es unserem Meister öfter vergönnt sein möchte, Werke idealen Gegenstandes zu schaffen und zwar unter günstigeren Bedingungen, als die waren, unter denen er seinen Johannes den Täufer verfertigte, der zur Decorationsfigur eines – Eiskellers bestimmt, nicht füglich etwas Anderes werden konnte, als eben eine ganz leidliche Decorationsfigur.

Viel höher vermag ich auch die drei zusammengehörigen, zur Decoration eines Speisesaales bestimmten Statuetten der Eva, Noah’s und David’s nicht zu stellen, in denen die Dreiheit: Weib, Wein und Gesang dargestellt werden sollte; meinem Gefühle nach würde der Künstler sein Thema glücklicher in den Formen der Antike durch eine Darstellung von Venus, Bacchus und Apollo haben lösen können; die Nacktheit der Eva, die in venusartigen Formen erscheint, löset diese Statue von den beiden anderen reich gewandeten so ab, daß man ihre Zusammengehörigkeit nicht sofort empfindet, also über den Sinn dieser Dreiheit nicht zur Klarheit kommt, und die beiden männlichen Statuen sind, abgesehen davon, daß es sich fragt, ob man so schlechthin Noah als Vertreter des Weines wie Bacchus und David als den des Gesanges wie Apollo hinstellen darf, da Beide doch noch eine ganz andere Bedeutung haben und David einen Gesang vertritt, den man im Speisesaal am wenigsten erwartet, ziemlich typisch ausgefallen.

Unter den Portraitstatuen und Statuetten ist besonders diejenige Hutten’s hervorzuheben, deren Auffassung und Ausführung im geraden Gegensätze zu dem Typischen der eben besprochenen Figuren in hohem Grade individuell erscheint, und bei der dieser Individualismus in der Persönlichkeit und im Costüm augenscheinlich das Hauptaugenmerk des Künstlers gebildet hat, der ihm zu Liebe auf einen streng monumentalen Charakter verzichtete, den er leicht hätte wahren können, wenn er gewollt hätte. Das zeigen uns die Statuetten Luther’s und Melanchthon’s, die sich wie kleine Copien großer Monumente ausnehmen, während andererseits wieder die Statuette Mendelssohn’s, welche den Meister im Acte des Dirigirens eines Musikstückes zeigt, mehr in dem in dieser kleinen Ausführung gewiß berechtigten Charakter des Genre gehalten ist.

Die Suite von Büsten berühmter Componisten: Haydn, Händel, Bach, Beethoven, Mozart, Weber, Mendelssohn und Schumann sind zu bekannt und in Gypsabgüssen zu weit verbreitet, als daß ich es nöthig finden könnte, über dieselben im Einzelnen zu reden. Die nach dem Leben modellirten Büsten Großmann’s und A. Böttcher's verbinden eine treue und liebevolle Auffassung des Individuellen mit würdiger Haltung, und namentlich ist der wundervolle und mildkräftige Kopf Großmann’s (neben Thorwaldsen und Rauch einer der imposantesten Greisenköpfe, die ich gesehen habe) bei aller Treue der Portraitähnlichkeit im Sinne der antiken Kunst in’s Monumentale gesteigert.

Was denn nun endlich die neuen Marmorbüsten Goethe’s, Shakespeare’s, Dante’s und Homer’s anlangt, an welcher letzteren Knaur gegenwärtig arbeitet, so können wir denselben einen völlig gleichen Werth nicht zugestehen. Die geringste eigene Schöpferkraft unseres Dichters dürfte sich in der Büste Goethe’s offenbaren, welche eben so gut für eine Copie der mannichfachen unter uns verbreiteten Portraits unseres Dichterheros, wie für ein Originalwerk gelten darf. Der Shakespeare ist eine wohlempfundene Umgestaltung des Kopfes von dem Westminsterdenkmal des großen Briten, welche gleichwohl

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