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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

zunächst ein Auftrag des Herrn von Quandt, in allegorischen Figuren die Erfindung des Spitzbogenstyls darzustellen. Diesem Auftrage folgte derjenige, für den Hofrath Keil die fünf kolossalen Büsten Goethe’s Schiller’s, Shakespeare’s, Tasso’s und Cervantes’ zu modelliren, welche den bekannten Keil’schen (Löhr’schen) Garten zieren. Wir übergehen andere Privataufträge, welche theils statuarische Werke, theils Reliefs betrafen, und erwähnen nur noch, daß Knaur in der von Rom aus ausgeschriebenen Concurrenz zur Einsendung von Skizzen für ein Beethovenmonument mit seinem Modell den zweiten Preis errang. Hänel’s Beethoven wurde bekanntlich ausgeführt. Auf Veranlassung dieser Preisgewinnung beschloß der akademische Rath in Dresden, Knaur das zur Ausbildung auf Reisen bestimmte Stipendium von 400 Thalern auf drei Jahre zu gewähren. Formelle Hindernisse aber verzögerten die Auszahlung des Stipendiums um ein halbes Jahr, welches Knaur dazu benutzte, um nach seiner Wiederaufnahme in die Dresdner Akademie zwei Statuen (Shakespeare und Molière) für die Façade des Dresdner Theaters zu modelliren, sowie als Probearbeit eine Statue des Täufers Johannes zu arbeiten, nach deren Vollendung Knaur definitiv das Reisestipendium nach Italien zugesprochen wurde.

Statuette Gellerts von H. Knaur.

Durch die Uebernahme der Modellirung von Bach’s Büste und der Reliefs für dessen Denkmal in Leipzig, sowie die Ausführung einiger anderen, von Privaten in Auftrag gegebenen Arbeiten verzögerte sich die Abreise trotzdem bis 1843. Ende März dieses Jahres ging’s endlich denn in der That nach Italien und zwar über München, Verona, Venedig, Bologna, Florenz nach Rom. Hier errichtete Knaur ein eigenes Atelier, in welchem unter andern Arbeiten zwei Büsten (Portraits), eine Marmorstatue: Mädchen Tauben fütternd, und eine lebensgroße, im Original nur im Gypsmodell ausgeführte, neuerlich aber in Verkleinerung in Zink gegossene Gruppe, Kains Brudermord darstellend, vollendet wurden. Wenn man in dem ersteren dieser Werke, bei aller Anerkennung einer dem Gegenstände angemessenen anmuthigen Auffassung und einer correcten und sorgfältigen Formgebung, einen gewissen Mangel an Frische und an jener naiven Heiterkeit, welche derartige Genrebilder der Alten auszeichnet, sowie einige durch das Material, wenn nicht bedingte, so doch vielleicht mit veranlaßte Gebundenheit der Composition nicht wird wegleugnen können, so verdient dagegen die Gruppe in ihrer energischen Auffassung des Gegenstandes, in ihrer wohlgeordneten, eben so frei und kräftig bewegten wie gefälligen Composition und in ihrer wohlverstandenen und markigen Formgebung volles Lob, und nur gegen den Gegenstand an sich könnte man den Einwand erheben, daß ihm der tiefere ideelle Gehalt und jene befriedigende und erhebende Wirkung auf das Gemüth des Beschauers abgeht, welche die Griechen, in der Plastik unsere unbedingten Meister und Muster, erst in der sinkenden Zeit ihrer Kunst aufgaben und, wie im Laokoon, gegen einen blos pathetischen Gehalt vertauschten.

Im Jahre 1845 nach Leipzig zurückgekehrt, begann Knaur seine Thätigkeit in seinem neu gegründeten Atelier mit der Modellirung einer in der Universitäts-Aula in Leipzig aufgestellten Kolossalbüste Leibnitz’s, einem Werke, dem vor allen bisher besprochenen der unbedingte Vorzug gebühren dürfte, und welches, voll Würde und Klarheit in der Auffassung, höchst charakteristisch und dabei großartig in der Formgebung, im besten und eigentlichsten Sinne monumental genannt zu werden verdient, und das seines Meisters Beruf für die höheren Aufgaben der Kunst Jedem, der sehen will und zu sehen weiß, unwiderruflich erweis’t. Der Büste Leibnitz’s folgte dessen Statuette als Entwurf zu einem in Lebensgröße auszuführenden Denkmal, ein Werk, welches dem Künstler von Seiten des Königs von Hannover die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft und vom König von Sachsen einen Brillantring eintrug, über welches ich aber mein Urtheil weniger rückhaltlos auszusprechen wage, weil es schwer ist, aus einem in kleinen Dimensionen ausgeführten Modell auf die Wirkung zu schließen, welche ein solches Werk, in Lebensgröße vollendet, zu machen im Stande ist. Eine höchst sinnige und für das Auge wohlgefällige Composition, und eine ebenso charakteristische wie natürliche und frische Auffassung geht gleichwohl auch aus dem kleinen Modell hervor. Ich übergehe ein paar kleinere im Auftrag übernommene Arbeiten verschiedener Art, und muß gleicher Weise von zwei Reliefs, „Christi Geburt“ und „Christi Auferstehung“, die für die Kirche in Haardorf bei Naumburg ausgeführt wurden, schweigen, weil ich dieselben nicht kenne. Im Jahre 1849 fertigte Knaur im Auftrage der Universität Leipzig die Statue des Kurfürsten Moritz, die, 1851 vollendet, jetzt in der Aula aufgestellt ist, charaktervoll portraitähnlich nach einem im Senatssaale hängenden Gemälde, aber meinem Gefühl nach etwas glatt und leer in der Formgebung. Ganz vortrefflich dagegen scheinen mir zwei demnächst gearbeitete Statuetten Goethe’s und Schiller’s, welche, lebensgroß oder kolossal ausgeführt, den Preis über manches sehr berühmte Standbild der beiden großen Dichter davontragen dürften.

In diese Zeit (1849) fällt denn auch die Statuette Gellert’s, welche wir an der Spitze dieses Artikels mitgetheilt haben. Es wird sich allerdings vom allgemeinen ästhetischen Standpunkte und namentlich, wenn wir die Werke der Blüthezeit der griechischen Kunst zum Maßstäbe nehmen, fragen lassen, ob für das statuarische Portrait die Darstellung einer Situation, in der sich das Wesen des Dargestellten symbolisirt, oder diejenige einer bestimmten Handlung rechtfertigen läßt, oder ob nicht vielmehr diese Darstellungsweise zu einer Vermischung des Styls der monumentalen Portraitbildnerei und desjenigen des Genre führen müsse und geführt habe; aber wir haben diese allgemeine Frage hier nicht zu behandeln: es ist bekannte Thatsache, daß die antike Portraitbildnerei in ihrer spätem Periode uns mit der bezeichneten Darstellungsart vorangegangen, und daß diese in unserer Zeit fast allgemein angenommen ist und angewendet wird. Ist diese Manier demgemäß fehlerhaft, so trifft der Tadel, sie angewendet zu haben, nicht sowohl unsern Knaur, als vielmehr die gesammte moderne Kunst; erklärt man sich dagegen mit der Manier im Allgemeinen einverstanden, so wird

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_497.jpg&oldid=- (Version vom 30.8.2023)