Seite:Die Gartenlaube (1859) 476.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Nationalitäten und Kantone, der gemeinsamen Interessen, der auch für die Schweiz ernsten Lage der Zeit, großer geschichtlicher Ereignisse, der durch sie errungenen Freiheit des Volkes und Landes, der darin liegenden Kraft und Stärke des Landes und der dadurch gegebenen großen Bürgschaft für die Zukunft, nur solcher Dinge und aller solcher großen Dinge wird gedacht, mit beredten Worten und in allen jenen drei Sprachen, die hier eidgenössisch verbunden sind, in der deutschen, französischen, italienischen, bunt durcheinander, und doch so einig durcheinander.

So sitzen die drei Landsmannschaften auch an der Tafel durcheinander. Für jeden Kanton stehen in der weiten Halle die Tische beisammen. Tafeln an weißen Stangen enthalten die Namen. Da sitzt Waadt bei Zürich, Freiburg bei Solothurn, Genf bei Basel, Wallis bei Zug, Tessin bei Bern, Chur bei Luzern, und so weiter. Alle unterhalten sich lustig und fröhlich in den drei verschiedenen Zungen. In der Mitte der Halle, an den Tischen der Comités und der Ehrengäste, sitzen sie erst recht bunt und dicht durcheinander.

Mit dem Glockenschlage Eins beginnt wieder das Schießen.

Die Toaste dauern unterdeß noch lange fort, das Geknatter der Büchsen nebenan hindert sie nicht.

Das Schießen dauert bis acht Uhr Abends, Dann beginnt in der Halle das bunteste Leben des Zechens und Trinkens und Jubelns, unter den sechshundert hellen Gasflammen, hinter Tausenden von Flaschen vaterländischen und fremden Weins. Die Mitternacht vermag noch nicht, es zur Ruhe zu bringen. Und um acht Uhr des andern Morgens ist das fröhliche Schützenleben schon wieder da. – Es hatte auch Episoden, dieses Leben.

Am zweiten Festtage tagten die Schützen, um ernst ihre Vereinsangelegenheiten zu besprechen.

Am Sonntage, den 10. Juli, wurde auf dem weiten Platze ein feierlicher, erhebender Gottesdienst gehalten.

Der Oybin vom Hausgrund aus.

An einem Tage kamen die gerade in Bern tagenden Ständeräthe, am andern die Nationalräthe zu dem Feste herüber. An einem andern Tage war eine verbannte – Fürstin mit ihren Kindern da, die Herzogin von Parma, die sich in dem benachbarten Pappenschwyl aufhält. Sie war sogar zweimal da. Das zweite Mal nahm sie an dem Schützenessen in der Hütte Theil, und sie und ihre Prinzen saßen auf den harten hölzernen Bänken nicht besser und nicht schlechter, wie alle die Schweizer Bürger und Bauern und Hirten um sie her. Und mit welchen Gefühlen? „Ach,“ sagte sie unter Thränen, „die Schweizer wissen nicht, wie glücklich sie sind!“

Auch die Fürsten – Doch sie ist eine unglückliche Frau, kein Wort weiter.

Eine andere Episode dafür. Ein schönes Gedicht von Georg Herwegh, gedichtet für das Fest, mit Enthusiasmus verbreitet in Tausenden von Exemplaren, von Hand zu Hand, von Mund zu Mund wandernd:

Wetterumzogen brausen die Wogen;
Aber die Sterne, sie sind Dir gewogen!
Steure, Du Schweizer, im Völkerorkan
Ruhig, wie Tell ihn gesteuert, den Kahn.
 
Tapfere Schützen werden sie schützen;
Kräftige Stutzen werden sie stützen,
Sichere Hand und sicherer Blick
Werden behüten die Republik.

Einstens vor Schergen tief in den Bergen
Kam sie die heilige Quelle zu bergen,
Trüben sie draußen die Rhone, den Rhein –
Quelle, bleib’ helle! der Strom wird rein,

Quelle, bleib’ helle! schneeschimmernde Wälle,
Sendet herunter die läuternde Welle!
Sendet, an ewigem Glanz so reich,
Klarheit hinaus ins verworrene Reich!

Fort mit den kranken, den Todesgedanken!
Heiter den Himmlischen wollen wir danken:
Säulen der Freiheit, ihr steht noch fest!
Sonne der Freiheit, verkläre dies Fest!

Liebend umschlossen alle die Sprossen
Halte am Stamme der Eidesgenossen!
Segne sie alle, die Männer in Wehr,
Die von den Alpen und die vom Meer!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_476.jpg&oldid=- (Version vom 15.8.2023)