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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

um sich lispeln, und stieß gleichzeitig mit dem Ellenbogen leicht an einen Gegenstand, welcher ihn leise fragte:

„Siete pronti?“ (Sind Sie bereit?). Rasch besonnen, erwiderte derselbe:

„Si, Signore“ (Ja, mein Herr), warf sich aber schnell seitwärts unbemerkt zu Boden und gewahrte so endlich, in der stockfinsteren Nacht seine äußerste Sehkraft anstrengend, ringsum dunkle Gestalten lautlos und mit fast unhörbaren Schritten an sich vorüberhuschen; was, wie man später wahrnahm, daher kam, daß dieselben, um bei Erklimmung des Felsens weniger Geräusch zu verursachen, bereits im Voraus ihre Schuhe ausgezogen hatten.

Kaum glaubte er die Letzten vorüber, so raffte sich unser jugendlicher, sich in dieser unverhofften Gesellschaft nicht ganz wohl fühlender Kriegsheld rasch auf, jagte vollen Laufes in sein nicht mehr weit entferntes Quartier und weckte daselbst den Hauptmann und einige schlafende Leute der Infanteriemannschaft, welche eben von der Patrouille zurückgekommen, ohne Etwas entdeckt zu haben. Nach einigen schnell ertheilten Weisungen ging es nun rasch, aber zerstreut und vorsichtig den Felsen hinan, und bald befanden sie sich wieder mitten unter den Anklimmenden, welche sie aber, wahrscheinlich nach schon früher angenommenem Gebrauche, der über das Riemenzeug verbergend zugeknöpften dunklen Mäntel wegen für Freunde hielten, um so mehr, als sich bereits schon Deserteure der Garnison unter ihnen befanden, und sie daher nur durch leisen Zuruf „Avanti, Signori“ (Vorwärts, ihr Herren) zu vermehrter Eile anzuspornen suchten.

An einem nur der patrouillirenden Infanteriemannschaft bekannten engen Felsenpfade angelangt, bogen sie hastig links ab und eilten der vorliegenden Ausfallsthüre zu, wo sie nach kurzem Anrufe und gewechseltem Feldgeschrei die gesuchte Aufnahme fanden. Kaum sind sie aber eingetreten, so fällt schon vom Walle ein Schuß, dann ein zweiter und endlich Geknatter aus der ganzen Umfangslinie mit Begleitung von auf’s Ungefähr hinausgesendetem Kugel- und Kartätschenhagel. Gleichzeitig schlagen auch Kolben- und Axthiebe an die erwähnte Ausfallsthüre, mit italienisch-deutsch hereingerufener Aufforderung, sich zu ergeben oder überzugehen; auf die verneinende Antwort zwängt sich ein langes, starkes Brecheisen unter der Thüre herein, um dieselbe aus ihren Angeln zu heben, was aber ein nahe stehender Officier benutzte, um durch die entstehende Spalte den vordersten Heber mit seinem Pistol schnell zu Boden zu strecken.

Eiligst entfernten sich hierauf die Angreifer, um so mehr, als sie selbst überrascht und auf allen Seiten zuvorkommend kräftigst empfangen, überall von einem wahren Flintenkugel- und Kartätschenregen umsaust, den beabsichtigten Ueberfall verunglückt sahen, und ohne Geschütz, noch dazu mit wahrscheinlich ungenügender Mannschaft versehen, den eigentlichen Gewaltangriff nicht fortsetzen konnten. Beim schnellen, aber natürlich unter diesen Verhältnissen unverfolgten Rückzuge vermochten sie ihre Todten und Verwundeten mit sich zu nehmen, doch fanden die bei Tagesanbruch ausgesandten Patrouillen noch zahlreiche und lange Blutspuren, die von reichlichem Verluste zeugten. Glaubwürdige italienische Berichte sagen im Vertrauen, daß von der zufällig in gekreuztes Kartätschenfeuer gekommenen Compagnie des tapferen Hauptmanns Cosenz alle Officiere und fast die ganze Mannschaft getödtet oder verwundet wurden. Ein Alpenjägerofficier sagte uns, daß sie in dieser Nacht funfzehn Officiere mit mehr als 200 Mann verloren, und als Trophäe blieben den Oesterreichern ein von seinem eigenen Hauptmann durch die Hand geschossener feindlicher Lieutenant und drei gefangene Soldaten in den Händen.

Der Verlust der Besatzung bestand aus einem todten Soldaten, ferner aus einem bereits wiederhergestellten verwundeten Officier und zwei Mann mit leichten Stichwunden, da die Garibaldisten, ohne Schuß anstürmend, nach ihrer Gewohnheit nur mit Bajonnet und Messer zu arbeiten versuchten, hiermit aber in Folge bekannter Fechtlage nichts Besonderes ausrichten konnten. Als eigenthümliches komisches Intermezzo können wir hier anführen, daß in der Hitze des Gefechtes ein vom Castell verirrtes Schrapnell (Kartätsch-Granatkugel) in die Fenster eines vom Militair oft besuchten Kaffeehauses der Stadt einschlug und daselbst an Spiegeln, Leuchtern, Gläsern, Tassen, etc. gräulichen klirrenden Schaden anrichtete, welcher aber der jammernden Besitzerin durch die Großmuth der Garnison schnell und reichlich ersetzt wurde, was sie selbst dankend wieder erzählt.

Nach dem verunglückten Sturme auf Laveno wandte sich Garibaldi wieder nach Varese, wo er vom General Urban eine Schlappe erhielt und bis hart an die Schweizergrenze zurückgedrängt wurde, so daß man ihn allgemein bereits für verloren hielt. Die Besatzung von Laveno aber pflegte ihre und die feindlichen gefangenen Verwundeten mit gleicher Sorgfalt, wie dies eine von denselben später aus Mailand veröffentlichte Dankadresse beweist, und verhielt sich einstweilen ganz ruhig.

Fast gleichzeitig jedoch verbreiteten sich die Nachrichten von dem Vordringen der Alliirten über die Sesia und den Ticino, von der verlorenen Schlacht bei Magenta, von der Besetzung Sesto-Calende’s durch die etwa 10–12,000 Mann starke und hinreichend mit Geschütz versehene Division des zur Unterstützung der Freiwilligen-Legion herbeigeeilten Generallieutenants Cialdini, ferner von dem erneuerten Vordringen Garibaldi’s und entschiedenem Zurückweichen des Feldmarschalllieutenants Urban, welcher sich nach einem blutigen Gefecht bei Canonica bereits im vollen Rückzuge gegen die Adda befand; so daß die kleine Besatzung von Laveno nichts mehr vor Augen haben konnte, als im Falle eines ernsthaften Angriffes von der Landseite her nutzlose Aufopferung oder, im besten Falle, zwecklos herbeigeführte Gefangenschaft.

Nebenbei hatten die beständig auf Spähung hin und her fahrenden Dampfer die sichere Nachricht gebracht, daß die Piemontesen an den Ufern des Sees Batterien aufzuwerfen begönnen, um den sich gegen die nördliche Schweizerseite rasch verengenden Lago für die Schifffahrt ganz abzusperren. Auch waren bereits mehr oder minder hinterlistig feindliche Versuche gemacht worden, sich der Barken und selbst der größeren Schiffe durch Verrath zu bemächtigen, dieses Vorhaben aber durch die Wachsamkeit der Schiffsmannschaft vereitelt worden, obgleich sich unter derselben auch einige lombardisch-venetianische ganz unzuverlässige Elemente befanden, wie wir dies etwas später sehen werden.

Nach abgehaltenem Kriegsrathe wurde daher der Abzug der Mannschaft und der Schiffe unter dem Befehle des als Rangsältesten commandirenden Hauptmannes vom Flottillencorps angeordnet. Die Positionsgeschütze wurden zur Vernagelung vorgerichtet, alle brauch- und fortschaffbaren Waffen-, Munitions- und sonstigen Vorräthe auf die Schiffe gebracht, die übrigen zurückgelassen und dabei auch der verwundeten, bisher im Garnisonsspital gepflegten Gefangenen nicht vergessen, sondern dieselben guter italienischer Fürsorge anvertraut und so Alles zum raschen, stillen Abmarsche vorbereitet.

Bereits den 8. Juni Abends war der Dampfer Ticino bis Luino und Maccagno hart an die Schweizergewässer auf Recognoscirung vorgefahren, hatte dadurch die ganze Uferbevölkerung in höchste Aufregung gebracht und gleichzeitig die Ueberzeugung mitgebracht, daß auch dieser einzige Rettungsweg nicht mehr lange brauchbar oder vielmehr offen bleiben werde. In derselben Nacht also um 12½ Uhr, im finstersten, gewitterstürmenden Dunkel, setzte sich die bereitgehaltene Escadre in Bewegung; die Dampfer, den Radetzky an der Spitze, voran und mit mehreren schwer beladenen Barken im Schlepptau. Die Mannschaft in Waffen auf dem Verdeck, die Artilleristen mit brennenden Lunten an den scharfgeladenen Geschützen und die Schiffsmannschaft an ihren angewiesenen Plätzen, somit Alles gleichmäßig zum Kampfe gegen die tobenden Elemente, wie gegen Menschenkraft bereit, glitten die Schiffe trotz des heftigen Sturmes still, lautlos und langsam dahin. Bei Tagesanbruch in den schweizerischen Gewässern angelangt, hielten sie vor Gero-Gamborogno an und erwarteten die Herankunft der schweizerischen Besatzungsbehörden, welchen das Eintreffen der erwarteten österreichischen Flottille bereits durch ihre eigene, längs dem Seegestade vorgeschobene Vorpostenkette angezeigt war.


welche durch die jüngstverflossenen Kriegsereignisse eine gewisse vorübergehende Bedeutung erlangten.

Von drei Compagnien des österreichischen Infanterie-Regiments Erzherzog Karl nebst einer Abtheilung des Flottencorps (Schiffsmannschaft), zusammen beiläufig 650 Mann, besetzt und mit 28 Geschützen verschiedenen Kalibers ausgerüstet, beherrschen diese Festungswerke, nämlich zwei unbedeutende Forts und eine kleine, „Il Castello“ genannte Citadelle die Stadt und den Hafen, welch letzterer nunmehr den sowohl für den Personen- und Waarentransport als auch für den Kriegsgebrauch ausgerüsteten österreichischen Schiffen als improvisirter Kriegshafen Schutz und Deckung gewährte.

Drei Dampfer und mehrere Barken bildeten die Flottille der Oesterreicher, wovon die Schiffe der „Benedek“ und der „Ticino“, jedes mit zwei Achtzehnpfündern bewaffnet, ganz gewöhnliche Dampfschiffe vorstellten, wie wir sie auf unseren Seen und Flüssen finden, während der „Radetzky“ von 100 Pferdekraft, mit Platz für 500 Mann Besatzung und mit sechs Geschützen schweren Kalibers ausgestattet, als prächtiges Kriegsfahrzeug stolz die Wogen des Langensees durchfurchte, und die unbewaffneten sardinischen Schiffe gleich aufgescheuchten Eulen vor sich hertrieb.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_470.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)