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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

aufhalten, kommen von oberhalb gegen die Körbe zu, bei welchen das Wasser wegen des ihm entgegenstehenden Hindernisses noch reißender wird. Sie werden alsbald in die Körbe hineingerissen und haben nicht Kraft genug, sich aus dem spitzen Ende, wo die Gewalt am größten ist, wieder hervorzuarbeiten.

In manchen Jahren finden sich diese Thiere in unglaublicher Menge ein, mehr als ein alter Fischer hat uns erzählt, wie zu Zeiten der Fluß durch sie als eine lebendige, wimmelnde Masse erschienen sei, so daß man sie mit den Händen oder mit Schöpfkellen zu Hunderten habe aus dem Wasser holen können.

Frisch gebraten oder gekocht, geben sie eine sehr unverdauliche Speise ab, der größte Theil des Fangs wird daher von den Fischern auf besondere Weise zubereitet, ehe sie ihn in den Handel bringen. Nachdem man die Neunaugen über starkem Kohlenfeuer auf großen, vergitterten Eisenrosten scharf gebraten, wobei sie einen abscheulichen, brenzlich-thranigen Geruch verbreiten, verpackt man sie schichtweise in große neue Holzgeschirre, auf jede Schicht einiges Salz streuend. Ist das Geschirre gefüllt, so kommt auf die oberste Schicht Fische ein Bret, welches man mit großen Steinen beschwert. Nun läßt man das Ganze ruhig einige Tage stehen; in dieser Zeit wird durch das Gewicht der Steine aus den Neunaugen ein Theil ihres Fettes und Saftes herausgepreßt, und bildet mit dem Salze eine Sauce, welche ihnen einen vortrefflichen Geschmack mittheilt. Dreißig Stück so zubereiteter Fische bezahlt man bei den Bauern selbst mit 10–12½ Ngr. Es werden ihrer im Ganzen jährlich gewiß einige Millionen gefangen.

Weniger großartig und vortheilbringend, aber viel unterhaltender ist das Fischstechen und das Hechtschießen. Mit dem zuerstgenannten beschäftigen sich die Dünabauern und wohl auch andere Liebhaber von solchen Dingen, besonders in kalten Spätherbstnächten. Obgleich in dieser Zeit schon starke Nachtfröste einzutreten pflegen, verweilen doch die Leute bis ein und oft auch zwei Uhr des Nachts auf dem Wasser.

Nahe der Spitze eines kleinen Ruderbootes wird ein erhöhter Holzrost angebracht, welchen man mit Erde bedeckt, um darauf ein helles Feuer von Holzkohlen und trocknem Reisig zu unterhalten; ganz vorn an der Spitze steht der Fischer, einen Stab haltend, an dessen unterem Ende ein scharfes, mit Widerhaken versehenes Eisen befestigt ist; außer dem Fischer ist noch ein zweiter Mann da, welcher, je nachdem das Wasser tiefer oder flacher ist, bald mit einer Stoßstange, bald mit kurzen Rudern das leichte Fahrzeug geräuschlos fortbewegt. Ringsum glänzen die Lockfeuer über dem Strom, in der Ferne wie rothleuchtende Sterne, näherzu mit flackernder Gluth, die in nebligen Nächten dem Scheine einer Feuersbrunst täuschend ähnlich sieht, bei klarem Wetter dagegen Streifen blutfarbigen Lichtes auf die düstere Fluth legt. Die Nacht ist sehr finster, desto heller durchleuchtet die Flamme bis auf ziemliche Tiefe einen kleinen, der Bootspitze zunächst liegenden Theil des Stromes. Vom Glanze angelockt, gleiten die Fische von allen Seiten in dies helle Revier hinein, immer näher, mit langsamem Flossenspiel, die Köpfe zur seltsamen Helle richtend. Aber über den Rand geneigt, lauert regungslos mit erhobener Waffe der Fischer, bis sich in sicherer Nähe eine lohnende Beute zeigt; blitzschnell fährt dann das Eisen in das aufzischende Wasser und versenkt sich in den Körper des auserlesenen Opfers.

Das Hechtschießen wird im Frühling vorgenommen. Sobald die Zeit des Hochwassers vorüber ist, kommen die großen Hechte gern auf flache, leicht überschwemmte Inselchen, wenn diese an warmen Tagen unter der Mittagssonne ruhen, um unter jungen Wasserpflanzen sich zu sonnen; oft liegen die Fische dann an so seichten Stellen, daß sie mit dem Rücken fast über das Wasser hervorragen.

Stromabwärts, ohne Ruderschlag, nur manchmal leise gesteuert, naht ein Boot, worin ein paar Schützen verborgen sind; es lenkt auf einen dieser Holme zu und fährt dicht an ihm vorüber, während die Jäger nach den Hechten spähen, welche eben so scheu als schnell sind. Haben sie einige große Bursche entdeckt, so gilt es, schnell zu schießen und zwar unter einem gewissen, nicht zu stumpfen Winkel, weil sonst die Schrote vom Wasser abprallen würden. Wird ein Hecht erlegt, so kümmert man sich wenig darum, daß man oft tüchtig waten muß, um des Flossenwildes habhaft zu werden, denn ein glücklicher Schuß ist sehr schwer und die Freude um so größer, wenn er gethan wird.

Was die Landseefischerei anbetrifft, so ist auch diese sehr bedeutend, besonders auf den großen Seen esthnisch Lieflands, dem Wirzjerw und dem Peipus, welcher letztere jedoch nur zum Theil zu Liefland gehört. Sie versorgen das ganze umliegende Land mit frischen, mehr aber noch mit kleineren Salzfischen. Der Nebs, ein schlankgebauter, 6–10 Zoll langer, wahrscheinlich dem Geschlechte der Lachse zuzuzählender Fisch, kommt sehr zahlreich im Peipus vor, von wo ihn die an diesem See in Dörfern wohnenden russischen Fischer nach Dorpat und weiter in’s Land hinein bringen. Er hat ein fettes, festes, grätenloses Fleisch von vorzüglicher Güte und schmeckt fast wie geräucherte Sprotten.

Die zahlreichsten Seen besitzt Liefland in seinem südöstlichen Theil, wo auch seine ausgedehnteste Bodenerhebung vorkommt. Das Land hat dort einzelne größere Hochplateaus bis zu 800 Fuß über dem Ostseespiegel und viele Hügelketten, zwischen welchen Thäler liegen, in denen die Seen enthalten sind, welche meist einen lieblichen Anblick gewähren. Ihre Ufer sind mit Laub- und Nadelwald, mit blumenreichen Wiesen, zerstreuten Landgütern und Bauerhöfen, an einzelnen auch mit Ruinen aus der Ritterzeit geschmückt, was den verschiedenen Wasserbecken eine anziehende Einfassung gibt. In einigen liegen bewaldete, flache oder bergige Inseln, andere sind rings von schroffen Wänden umgürtet und werden erst sichtbar, wenn man dicht an das Ufer herantritt. Eine reiche Flora schöner, seltener, aus Deutschland mitunter fast verschwundener Land- und Wasserpflanzen findet sich an und auf den tiefen, stillen Seespiegeln und gewährt dem vom einsamen Naturleben gefesselten Botaniker eine reiche Ausbeute.

Bereiset man diesen anmuthigen Theil unserer Provinz, so hat man beständig Gelegenheit, sich an der wechselnden Scenerie der Landschaften zu erfreuen. Bald führt der Weg durch Laubwälder, bald durch Nadelgehölz bergauf, bergab; dann wieder windet er sich in ein Gewirr baumloser Hügel hinein, über welche die Heide ihren graugrünen Teppich gebreitet hat oder in denen sich Getreidefelder in verschiedenen Schattirungen von Grün hinziehen, mit dunkelbraunen, aufgepflügten Aeckern wechselnd. Seitwärts thun sich tiefe, walderfüllte oder wiesengrüne Schluchten auf, durchfurcht von schnellfließenden Bächen, oder ein See blickt wie ein großes, blaues, feuchtschimmerndes Auge zu uns empor. Zuerst verschleiert noch Baumwuchs den breiten, hellen Wasserplan, aber wie wir weiter an ihm entlang fahren, rollen seine Ufer sich immer ferner auf, erschließen sich stets neue, lauschig waldumrauschte Buchten. Von einer Hügelkuppe erblicken wir drei, vier Seen zugleich, dann senkt sich der Weg wieder in neues Gehölz, oder freies Feld erscheint, Häuser und Hütten, Edelhöfe und Kirchen tauchen auf, bleiben hinter uns zurück, während wir munter weiterrollen und uns der anmuthigen Bilder freuen.

In den vielen klaren, kalten Bächen findet man sehr große Forellen, Schmerlen und Krebse. Echte Perlen führende Muscheln, deren Fang in früherer Zeit Monopol der Krone war, sind jetzt nicht mehr so zahlreich, als sonst, jedoch noch immer in mehreren dieser Berggewässer anzutreffen.

In die größeren Flüsse und Flüßchen wandert zur Laichzeit der Lachs ein, durch die Düna aus der See aufsteigend, und prächtige Aale, oft von fünf bis sechs Pfund Schwere, werden in einigen zu Tausenden mit Aalwehren gefangen.

(Schluß folgt.)




Berliner Bilder.
Von E. Kossak.
5. Von den Friedenssoldaten.

Jenem großen niederländischen Maler rühmte man als eine außerordentliche Kunst nach, er habe durch einen Strich das Bild eines weinenden Kindes in das eines lachenden verwandeln können. Wer sich darüber zu ungewöhnlichen Lobsprüchen des Meisters angeregt fühlen konnte, dem mag das chamäleontische Farbenspiel des Lebens ein tiefes Geheimniß geblieben sein, denn wer nur einen scharfen Blick

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_434.jpg&oldid=- (Version vom 5.8.2023)