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verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

wieder zu erwerben, und vielleicht fließt noch viel Wasser den Rhein hinab, bevor es dahin kommt, daß kein Franzose mehr seine Rosse aus den Fluthen dieses unsers herrlichen Stromes tränkt. Aber von Basel bis Emmerich muß über kurz oder lang der Rhein wieder auf beiden Seiten deutsch sein. Ohne das ist ein freies Deutschland mit der ihm gebührenden Machtstellung unmöglich, und von einem wirklichen Gleichgewicht kann erst dann in Europa die Rede sein, wenn die geschichtlichen Begehungs- und Unterlassungssünden unserer Vorfahren durch unsere That kraft wieder gut gemacht sind.

Die Geschicke mögen noch oftmals auf- und abschwanken, und auch was die nächste Zeit bringt, vermag Niemand zu sagen; aber bei einem deutschen Kriege mit Frankreich steht der Kampf preis fest: das Elsaß mit Straßburg. Und dieser Preis ist der Mühe Werth.

Wehrleute, haltet gute Wacht! Und Du, Alfred, wirst Deine Schuldigkeit thun !




Die Vögel als Wetterpropheten.
Von Dr. A. E. Brehm.

Bei Mittheilung der merkwürdigen Beobachtungen eines unserer Freunde über die Vorausahnung der Witterung durch die Spinnen versprach ich, noch ähnliche nähere Beobachtungen über einige andere Thiere mitzutheilen. Nachstehendes mag gewissermaßen als eine Fortsetzung jener Skizze angesehen werden.

Es ist eine anerkannte Sache, daß die Thiere wirklich eine klarere Voraussicht der eintretenden Witterung besitzen, als der entweder zu wenig auf das Wetter achtende oder die Einwirkungen desselben nicht scharf genug erkennende Mensch. Die Landleute und namentlich die Schäfer, welche viel mit den Thieren verkehren, verstehen sich gewöhnlich ausgezeichnet auf die in Voraussicht des Kommenden erfolgenden Kundgebungen derselben:

„’s kommt Regen, Fährmann. Meine Schafe fressen
Mit Begierde Gras und Wächter scharrt die Erde,“

sagt der Hirt,

„Die Fische springen, und das Wasserhuhn
Taucht unter. Ein Gewitter ist im Anzug,“

der Fischer im Tell. An dem wilden Herumspringen der Rinder, welches man hier und da „Brieseln“ nennt, erkennen Erfahrene, daß an demselben Tage ein Donnerwetter sich entladen wird; durch den niedrigen Flug der Insecten, den man durch den tiefen Strich der Schwalben wahrnehmen kann, ebenso auch durch das erpichte Blutsaugen der Bremsen und Schnaken wird eintretender Regen verkündet. Vor einem Gewittersturm in den Tropen sind, wie ich vielfach beobachtete, alle Thiere äußerst erregt, wenn auch noch kaum ein Wölkchen am Himmel steht; lange Zeit vor dem Ausbrechen des gewaltigen Naturkampfes verkriechen sie sich bereits. In ähnlicher Weise benehmen sie sich vor Erdbeben. An die bekannte Thatsache, daß die Frösche gewöhnlich schon zwölf bis vierundzwanzig Stunden vor einem Regen lebhaft schwatzen und quaken, oder daß sie in ihren krystallnen Kerkern den höchsten Punkt zu erklettern streben, wenn gutes Wetter kommen will, brauche ich wohl kaum zu erinnern.

Jedenfalls ist es gar nicht unwichtig, wenigstens den Versuch zu machen, durch Beobachtung des Betragens der Thiere die kommende Witterung zu ergründen. Daß man daraus mehr lernen kann, als aus dem gläubigen Hangen an den beliebten Mondschwärmereien, ist ebenso richtig, als es gewiß ist, daß sie sich weit besser auf Wetterprophetenthum verstehen, als der biedere Professor Stiefel in München, welcher seinen gläubigen Lesern „einen guten Stiefel zumuthete, und mit seinen Voraussagungen schmählich Fiasco machte. Der Instinct der Thiere ist so eine eigene Sache, mit welcher es den Forschern geht, wie mit so vielen anderen geistigen Kräften; man kennt ihn ganz genau oder – leugnet ihn vollständig, weiß aber in dem einen Falle nicht recht, wie viele von den wirklich beobachteten Thatsachen, die ihn zu beweisen scheinen, man auf seine Rechnung setzen, in dem andern nicht, welcher Ursache oder Kraft man diese Thatsachen zuschieben soll. Gewöhnlich wird angenommen, daß das Thier durch eine große Empfindlichkeit des Nervensystems in den Stand gesetzt werde, sich dem Kommenden gemäß einzurichten und daß die meisten instinctmäßigen Handlungen desselben hiervon abzuleiten seien: aber diese Annahme erscheint insofern gewagt, als die Empfindlichkeit der Nerven der bezüglichen Thiere nicht auf Stunden und Tage, sondern auf Wochen und Monate hinausreicht, d. h. daß sich die Thiere auf Ereignisse vorbereiten, welche erst Wochen und Monate später eintreten sollen, und daß sie – was mir noch viel merkwürdiger scheint – den Luftdruck- und Wärmemesserstand ihres Nervensystems so gar vortrefflich zu deuten wissen. Ich bekenne meine Unwissenheit hierin, gestehe aber zugleich, daß mir ein derartiges Feingefühl der thierischen Nerven mindestens eben so wunderbar vorkommen will, als eine Geisteskraft, welche in ihrem dunklen Drange das Thier zu seinem Heile leitet. Mag man übrigens die Sache fassen, wie man eben Lust hat, so viel steht fest: die Thiere verstehen sich besser auf die kommende Witterung, als wir; wir können also von ihnen lernen, wenn wir auf sie achten wollen. Damit habe ich genug gesagt und darf nun getrost einzelne meinem Thema gemäße Beobachtungen von meinem Vater und mir folgen lassen.

Die besten Wetterpropheten dürften unter allen Thieren die Vögel sein; wenigstens sind sie diejenigen, welche unserer Beobachtung am zugänglichsten sind. Denn wenn es auch sicher richtig ist, daß man einen strengen Winter zu erwarten hat, wenn sich die Regenwürmer tief in den Boden vergraben, oder die Roßameisen sich in die tiefsten Gänge ihrer Wohnung zurückziehen, oder die Wicklerraupen sich besonders dicht in Blätter einspinnen, so erfordert doch die Erforschung dieser Thatsachen mehr Arbeit, als ich meinen Lesern zumuthen kann. Die Beobachtung der Vögel dagegen hat eben keine besonderen Schwierigkeiten. Man sieht oder hört sie kommen und gehen, ohne daß man sich gerade sehr mit ihnen beschäftigt; und die ganze Kunst, aus ihrem Betragen auf die Witterung zu schließen, beruht einfach darin, ein wenig mehr auf sie zu achten, als man sonst zu thun pflegt. Einige Beispiele werden dies beweisen.

Wenn ein strenger Winter bevorsteht, sagt mein Vater, gestützt auf seine mehr als fünfzigjährigen Beobachtungen, erscheinen die nordischen Zugvögel ungewöhnlich häufig an den Küsten der Nord- und Ostsee und gehen oft tief in das Land hinein. Man sieht dann auf den weit von der Küste entfernten Seen und Teichen Sumpf- und Wasservögel, welche in Jahren daselbst nicht vorgekommen sind. Selbst der Zug der nordischen Landvögel ist dann viel häufiger, als in anderen Jahren. Wenn die Drosseln und Ziemer, Edel- und Bergfinken sehr unruhig sind, beim Vogelheerde nicht gut thun, wie die Vogelsteller sagen, dann kommt stürmische Witterung; eilen sie sehr, so daß sie sich zum Fressen kaum Zeit nehmen, dann ist frühzeitiger Schnee zu erwarten. Die nordischen wilden Gänse bleiben auf den getreide- und wasserreichen Ebenen unseres Vaterlandes, so lange sie sich von der Wintersaat nähren können. Brechen sie aber auf und ziehen nicht blos bei Tage, sondern auch des Nachts, dann kann man auf einen baldigen Schneefall rechnen, welcher ihnen die Saat unzugänglich machen wird. Sicht man hingegen im December noch viele Edelfinken und einzelne Feldlerchen in Nord- und Mitteldeutschland, dann ist kein strenger Winter zu erwarten.

Auch der Zug der Saatkrähen ist wohl zu beachten. Gewöhnlich verlassen sie unser Vaterland zu Ende des November oder zu Anfang des December. Im vorigen Herbste aber wanderten sie schon im October von uns weg und thaten sehr recht daran, denn der ungewöhnlich frühe und im November strenge Winter hätte ihnen alle Nahrung entzogen.

Noch mehr aber läßt das Betragen der Vögel im Frühjahre die Beschaffenheit der künftigen Witterung errathen.

Im Frühjahre 1817 waren die nordischen Bergfinken, in Thüringen Buchfinken, an anderen Gegenden unseres Vaterlandes Quäker genannt, in nie gesehenen Schaaren auf unsern Feldern und wollten, wie die nordischen Ziemer, gar nicht wegziehen. Das Frühjahr war aber auch eins der ungünstigsten, welches wir erlebt haben.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1859, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_429.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2023)