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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

denn auf der anderen Seite der Stadt liegen wenigstens zweihundert Chasseurs im Bivouac.“

„Sie werden uns nicht gleich aufessen,“ meinte Schill und ließ sich dann von dem Manne das feindliche Lager genauer beschreiben. Als Schill vernahm, daß ein Wald in der Nähe des Bivouacs sei, blitzte sein Auge heller. „Wir sind,“ sagte er, „gegen Zwanzig Mann und haben zehn Gewehre und sechs Karabiner. Da können wir schon etwas unternehmen.“

„Halb mit Güte, halb mit Gewalt mußte uns der Bürger in die Nähe des feindlichen Bivouacs führen, das wir auch bald an den brennenden Wachtfeuern erkannten. In der Nähe derselben waren Pflöcke eingeschlagen und an diesen die Pferde befestigt. Schill hielt jetzt mit einem alten Unterofficier Kriegsrath; dann trat er zu uns und sagte: „Wir müssen den Franzosen Pulver zu riechen geben; denn es wäre eine Schande, wenn wir uns wie Diebe davonschleichen würden.“

„Darauf vertheilte er uns in einer langen Linie und befahl dann, daß eine allgemeine Salve auf die Pferde erfolgen solle, sobald der Signalschuß aus meiner Büchse gefallen sei. Wir stellten uns hinter Gebüschen und Bäumen auf, und als Alles geordnet war, kam Schill zu mir, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Nun gut gezielt!“

„Ich legte an, und bald blitzte meine Büchse. Der Schuß mußte gut getroffen haben, denn ich sah, wie sich ein Pferd bäumte und dann überschlug. In demselben Augenblicke aber knatterten die anderen Schüsse, und richteten Unordnung und Bestürzung im feindlichen Bivouac an. Die Pferde rissen sich größtentheils von den Pflöcken los und rannten davon; Hornsignale, Commandowörter und derbe Flüche tönten vom feindlichen Lager deutlich genug zu uns herüber. Auf der langen Linie, die wir besetzt hatten, fiel bald rechts, bald links ein Schuß, so daß der Feind nicht wußte, von welchem Punkte aus ihm die meiste Gefahr drohe und wie groß dieselbe überhaupt sei. Eine Weile war er unschlüssig, was er thun solle; dann aber bemerkten wir, wie die dunkle Reitermasse kehrt machte und im Galopp in die Stadt sprengte. Es wäre Tollkühnheit gewesen, wenn wir eine Verfolgung gewagt hätten; daher sammelten wir uns, bei welcher Gelegenheit einige Pferde von uns aufgefangen wurden – darunter auch ein braunes Thier, das Schill zu seinem Reitpferde machte – und setzten unsern Marsch ungehindert fort. Schill war über den erwünschten Ausgang dieses nächtlichen Ueberfalls sehr erfreut und sagte, auf seinen Braunen deutend: „Die Franzosen werden uns nicht nur Pferde mit Sattel und Zaum geben müssen, sondern auch Kanonen und den Napoleon dazu.“ Soweit der Förster.

Schill hat damals ein prophetisches Wort gesprochen; leider wurde ihm aber nicht das Glück zu Theil, mit eigenen Augen die frische Morgenröthe, welche nach langer schwarzer Nacht für Deutschland anbrach, zu schauen. Das dankbare Vaterland bewahrt das Andeuten an ihn desto treuer und fester, davon zeugt nicht nur ein Denkmal, das ihm und seinen todesmuthigen Officieren nach errungener Freiheit in Braunschweig gesetzt wurde, sondern auch die innige Begeisterung, mit welcher man immer noch von ihm und seinen tapfern Streitern spricht.

Neben dem erwähnten Denkmal Schill’s und seiner Getreuen ist ein kleines Thürmchen, Schill’s Capelle genannt, errichtet. In demselben befinden sich die Wappen sämmtlicher Schill’schen Officiere, Schill’s rother Husarendolman, sein Degen, ein mit Blut getränkter Kragen seines Hemdes und auch die Brieftasche, welche ihm die Königin Louise schenkte. Wehmüthig haftet der Blick auf allen diesen Gegenständen. Einen Anblick sollte man indeß dem Besucher der Schill’schen Capelle doch ersparen; es ist der Anblick des großen Glases, in welchem der Kopf des unglücklichen Helden eine Zeit lang in Spiritus aufbewahrt wurde. Fast kommt es einem vor, als steige aus dem Glase ein häßliches Skelett und verwische mit seinen dürren Knochenfingern alle heiligen Schauer, die sonst an dieser Stätte das Herz jedes Deutschen durchwehen. Wäre es nicht besser, das Gefäß in einen verschlossenen Raum zu stellen, und es nur auf Verlangen vorzuzeigen? Der gegenwärtige Castellan der Capelle, ein ehemaliger Schill’scher Husar, theilte mir sichtlich gerührt mit, daß Schill’s Haupt endlich unter dem Denkmal neben der Capelle Ruhe gefunden habe.

Am 31. Mai d. J. sind fünfzig Jahre verflossen, seitdem Schill seine Heldenseele aushauchte.




Der „Leviathan“ oder, wie er jetzt allgemein heißt, „Great Eastern“ ist seit den Pfingstfeiertagen wieder für Geld zu sehen, und gar merkwürdig sind die Fortschritte, die seine Ausrüstung gemacht hat, seitdem in Folge der neugebildeten Actiengesellschaft die erforderlichen Capitalien angeschafft sind. Die schwierigsten Partieen, wie Maschinen u. dergl., sind fertig und im September geht aller Wahrscheinlichkeit nach das Ungeheuer aus der Themse in die offene See hinaus. Die hohen Schornsteine sind alle eingesetzt, drei von den Masten vollständig aufgetakelt, die beiden Radkasten fertig, die Maschinen fast ganz zusammengestellt, die Verdecke complet, und ein Heer von Arbeitern ist mit der Ausrüstung beschäftigt. Am 4. April hatte der Bauunternehmer, Mr. Scott Russel, mit der neuen Gesellschaft einen Contract abgeschlossen, in dem er sich verpflichtete, die Ausrüstung für 120,000 Pfd. Sterl. bis zum 4. September dieses Jahres zu vollenden. Wird sie früher vollendet, erhält er für jede gewonnene Woche eine Prämie von 1000 Pfd. Sterl., dagegen muß er wöchentlich 10,000 Pfd. Strafe zahlen, wenn er den bezeichneten Termin nicht einhalten kann. In diesem Uebereinkommen ist die Herstellung der Masten, Segel, Boote, Kabel, Dampfkessel, Maschinen, nebst der Takelage und allem Holz- und Eisenwerk und der geziemenden inneren Cabineneinrichtung für fünfhundert Passagiere erster und vierhundert zweiter Classe mit eingeschlossen. Natürlich hat Mr. Russel seinerseits wieder mit Einzelfirmen Lieferungscontracte abgeschlossen.

Die Segel an diesem Ungeheuer nehmen allein 12,000 Quadrat-Yards Segeltuch in Anspruch. Außer den beiden Hülfsdampfern aus Eisen, deren jeder 100 Fuß lang wird und eine Maschine von 40 Pferdekraft führt, erhält das Schiff 20 mit Segel und Masten vollständig ausgerüstete Hülfsboote, 16 Anker von 20 bis 140 Centner Gewicht, 1000 Klafter der allerdicksten Ankerketten u. s. w. Noch ist darauf Rücksicht genommen, daß sich das kolossale Schiff vielleicht einmal im Kriege werde verwenden lassen, und deshalb wurde der ganze andere Theil des Kiels bis auf 120 Fuß nach rückwärts mit dreifachen massiven Eisenplatten beschlagen. Dadurch bildete sich ein nach Vorne scharf abgekantetes massives, in drei Stockwerke getheiltes eisernes Gehäuse, groß genug, um die ganze drei- bis vierhundert Köpfe starke Schiffsmannschaft zu beherbergen, und dabei so stark, daß das Schiff, mit voller Dampfkraft anfahrend, zuverlässig das allergrößte Linienschiff mitten entzwei brechen würde. Ueber die Dimensionen der Einzeltheile ist seiner Zeit das Wichtigste gemeldet worden. Darum heute nur noch so viel zur Ergänzung, daß zum Anstrich der inneren Eisentheile 120, zum Anstrich der äußeren Schiffswände, insoweit diese aus dem Wasser hervorragen, 160 Centner Oelfarbe von Nöthen waren, und doch reichten diese Massen nur zum einmaligen Anstrich hin. Als ein Wunder wird von Sachkennern der große Mittelmast angestaunt. Er ist in einem Stück in einer Höhe von 130 Fuß aus einer canadischen Fichte gezimmert. Noch sind zwei kleinere Masten aus Holz, die anderen jedoch aus Eisen gearbeitet.




Garibaldi. Ein englischer Reisender, der mit einigen Damen Garibaldi aufsuchte, gibt folgende Schilderung: „Er sah ganz anders aus, als wir erwartet hatten. Nach seinen Abbildungen und kriegerischen Thaten hatte ich mir in ihm einen sehr großen Mann mit fahler Gesichtsfarbe, langem schwarzem Haar und Bart und etwas von dem romantischen Wesen jener spanischen Guerrillaführer vorgestellt, die ihre eigenen Lieder zur Guitarre sangen, und die Leute mit eben so viel Vergnügen todtschlugen. Was ich sah, war das gerade Gegentheil. Ich konnte kaum glauben, daß der eintretende und sich zu uns setzende, ruhige, einfach natürliche, einem Gentleman ähnlich sehende Mann Garibaldi sei. Er ist ein kräftig, aber durchaus nicht schwerfällig gebauter breitschultriger Mann mit gewölbter Brust und von mittlerer Größe. Er hat eine gesunde, englische Gesichtsfarbe, hellbraunes Haar und Bart von der gleichen Farbe, Beides leicht mit Grau gemischt und sehr kurz geschnitten. Die Kopfbildung ist sowohl in intellectueller wie moralischer Beziehung sehr schön entwickelt und sein Gesicht gut, obgleich für den gewöhnlichen Beobachter nicht gerade bedeutend. Nichts verräth den Mann, welcher im Stande war, Pläne, wie den Rückzug aus Rom oder die Einnahme von Como, zu entwerfen und auszuführen. Wenn er aber von den Leiden seines Vaterlandes und dem auf ihm lastenden Druck sprach, so konnte man in Auge und Lippe das lange tief unterdrückte Gefühl und den festen, verwegenen Charakter des Mannes lesen. Ein Kind würde sich nicht scheuen, auf der Straße stehen zu bleiben und ihn zu fragen, wie viel Uhr es ist. Demjenigen aber, über den er das Urtheil gesprochen, daß er in einer halben Stunde erschossen werden soll, wird es, nachdem er einen Blick auf dieses ruhige, entschlossene Gesicht geworfen, nicht einfallen, seine Zeit damit zu vergeuden, daß er um Gnade bittet. Ich hatte mir vorgestellt, seine Operationen seien mehr das Werk einer plötzlichen Eingebung als militärischer Berechnung gewesen; aber so stark seine natürlichen Triebe auch sein mögen, offenbar weiß er sie vollständig zu beherrschen. Kühn und unternehmend bis zur scheinbaren Tollkühnheit ist er ohne Zweifel, aber er ist auch kaltblütig und berechnend, und als ich ihn beobachtete, wie er mir gegenüber am Tische saß, und den Damen von seinen Reisen nach China und zu den Antipoden so unterbaltend und gemüthlich erzählte, als ob er sich in einem Londoner Salon befände, während er jeden Augenblick von dem Feuer einer auf der Eisenbahn bei seinen Vorposten angekommenen überlegenen österreichischen Streitmacht unterbrochen werden konnte, fühlte ich keinen Zweifel daran, daß er auch für den allerschlimmsten Fall Alles genau angeordnet haben und diesen Anordnungen gemäß handeln würde. Was mir jedoch am meisten imponirte, war das geistige Kaliber des Mannes. Ehe ich ihn sah, hielt ich ihn für wenig mehr, als einen tapferen volksthümlichen Haudegen. Ich schied von ihm in der Ueberzeugung, daß seine kriegerische Laufbahn eine bloße Episode in seiner Geschichte ist, und daß seine wahre Größe sich in der politischen Wiedergeburt und in der Regierung seines Vaterlandes zeigen wird. – Da die Leute Garibaldi’s so oft als eine wilde Räuberbande geschildert worden sind, so beobachtete ich sie sorgfältig. Ihr Benehmen war überall ruhig und ordentlich. Es befindet sich eine große Zahl von Männern aus den gebildeten Ständen darunter. Jedenfalls ist Garibaldi als Mensch achtungswerther und als Feldherr um Vieles bedeutender, als sein Bundesgenosse, der Kaiser L. Napoleon.“


Der
Illustrirte Dorfbarbier

mit seinen komischen Illustrationen und Zeitbildern, die drüben über dem Rheine wahrscheinlich nicht an Spiegel gesteckt werden, empfiehlt sich der alten Kundschaft heute wieder für 10 Ngr. vierteljährlich.

Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.

Leipzig.Die Verlagshandlung. 



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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