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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

St. Louis in Missouri: „Ich erreichte Denver City im Anfange des April, wo ich sogleich von Speculanten umlagert wurde, die mir Baustellen zum Verkauf anboten. Als ich darauf nicht einging, sondern erklärte, daß ich Gold graben wollte, erboten sie sich, mir sehr ergibige Diggings, Fundstätten, wo das Graben lohne, zeigen zu wollen. Ich versprach zehn Dollars für eine solche Nachweisung, es fand sich aber Niemand, der mir Diggings hätte zeigen können. So machte ich mich allein an’s Werk, besuchte eine Menge Stellen, fand überall Gold, aber in so winziger Menge, daß eine angestrengte Tagesarbeit einen Ertrag von höchstens einem Fünfteldollar lieferte. Die vielgepriesenen Städte Auraria und Denver City fand ich als elende Nester, deren rohe Blockhütten nicht als Häuser bezeichnet werden können. Ich sah, wie der nichtswürdige Postmeister Basset begraben wurde. Er hatte eine Menge falscher untergeschobener Briefe nach den östlichen Städten geschrieben und war dabei in folgender Weise zu Werke gegangen. Er erbrach die Briefe, welche ihm zur Beförderung übergeben wurden, und schrieb seinerseits an die Adressaten, aber in ganz entgegengesetztem Sinne; statt der Warnungen gab er übertriebenes Lob, und um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, fügte er gewöhnlich hinzu, der Briefsteller habe sich gestern die Hand verstaucht und müsse sein Schreiben einem Anderen in die Feder dictiren. Dieser Mann hat viel Unheil angerichtet. Zwei Brüder begegneten einander auf der Prairie; der eine kam aus der Goldgegend, der andere wollte dorthin. – „Weshalb kommst Du, und weshalb folgtest Du meiner Abmahnung nicht?“ – „Wie? Hast Du mir nicht geschrieben, ich möchte in aller Eile kommen, da Tag für Tag eine Ausbeute von acht Dollars gewiß sei? Hier ist der von Dir dictirte Brief.“ Er war vom Postmeister Basset verfaßt worden.

„Zu dem Hunger und der Verzweiflung sind auch Krankheiten gekommen. An einer Stelle am nördlichen Arme des Platteflusses, dem Nebraska, lagen die Gerippe von mehr als sechzig Ochsen, die im Laufe eines einzigen Tages dort gefallen waren. Mitten in der Prairie stand ich auf einem Hügel und zählte binnen drei Stunden nicht weniger als einundfünfzig Wagen; und so war es auf einer Strecke von etlichen hundert Meilen; man verlor die Züge gar nicht aus dem Gesichte, einer folgte dem andern. Nachdem die Speculanten von der Hinwanderung großen Vortheil gezogen haben, profitiren sie nun auch von der Rückwanderung, indem sie unterwegs den Goldsuchern bange machen und sie zur Umkehr bewegen. Die geängstigten Menschen verkaufen ihnen dann alle Habe, die doch nun überflüssig wäre, für ein Spottgeld und beeilen sich, wieder an den Missouri zu gelangen. Für ein Joch Ochsen, das vor vier Wochen mit hundert Dollars bezahlt worden ist, geben sie höchstens dreißig, für den Centner Mehl anderthalb Dollars und so fort.

„Viele Wanderer sind erfroren, viele elendiglich verhungert. Welche Auftritte habe ich erlebt! Leichtsinnige, die sich mit etwas Mehl und Schinken auf die Wanderung begeben hatten, mußten furchtbare Noth leiden. Der geringe Vorrath war bald erschöpft, und ohne Wurzeln und wilde Zwiebeln, die man aus der Erde hervorgrub, hätten Manche nicht einmal ihr elendes Leben fristen können. Aber diese waren noch glücklich zu nennen, in Vergleich mit jenen, die weit vom Wege abgekommen waren, weil sie rascher, in kürzerer Linie nach den Goldfeldern kommen wollten. Als der Postwagen in der Nähe des Smoky Hill vorbeifuhr, gab ein Arrapaho-Indianer dem Schaffner ein Zeichen, daß er anhalten möge. Es geschah. Da kam der braune Mann näher und schleppte einen völlig abgemagerten Weißen herbei, welcher dem Verhungern nahe war. Nachdem man ihn mit Speise und Trank erquickt, erzählte der Unglückliche: „Ich heiße Blue und bin aus Whiteside County in Illinois. Unser drei Brüder wollten wir nach dem Pikes Peak so schnell als möglich und kamen vom großen Wege ab. Die Lebensmittel gingen uns aus. Mein einer Bruder starb; wir beiden anderen waren auch dem Hungertode nahe und verzehrten seine Leiche. Es kam uns schwer an, aber wir thaten es; wir wären sonst verhungert. Auch mein zweiter Bruder ist Hungers gestorben und ich habe von seinem abgemagerten Körper mich hingehalten. Dort liegen die Knochen. Der Arrapaho hat mich bis hierher geschleppt.“ Der Postschaffner hat jenen Knochen ein ehrliches Begräbniß gegeben und den unglücklichen Kannibalen bis zur nächsten Station mitgenommen.“

Am 20. Mai brachte ein Missouridampfer mehr als fünfhundert enttäuschte Goldgräber nach der Stadt St. Joseph. „Kansas City, Lawrence, Leavenworth, Atchison, Omaha, kurz alle Raubnester an der Grenze wollen wir in Brand stecken und, dem Boden gleich machen. Dort hat man uns verlockt und bethört!“ So lauteten die Drohungen dieser erbitterten Menschen. Selbst in St. Joseph, einer Stadt mit zehntausend Einwohnern, war man vor ihnen in Angst. Der Bürgermeister erließ einen Aufruf, dem zufolge nach Mitternacht Niemand mehr auf der Straße sein darf, und die Bürger sind allesammt als Polizeileute eingeschrieben worden. In anderen Städten traf man ähnliche Vorkehrungen.

Durch das Alles hat sich nun freilich das Goldfieber abgekühlt. Aber die, welche starben und verdarben, werden bald vergessen sein; wer seine ganze Habe verloren hat, muß wieder von vorne anfangen und wieder zu erwerben trachten. Für jene seither fernab gelegenen Strecken an den Felsengebirgen wird zuletzt das Goldfieber wohlthätig wirken, denn Manche, die einmal dorthin gezogen sind, bleiben an Ort und Stelle, und wenn sie wenig von edelem Metalle finden, so gewinnen sie doch dem Boden Schätze ab, wenn auch keine glänzenden. Denn an vielen Stellen ist das Erdreich fruchtbar und zum Ackerbau geeignet; das Vieh findet auf den Weiden der Wiesenflächen und auf den Alpenmatten reichliches, saftiges Futter. Die Ansiedler können allmählich zu Wohlstand gelangen; eine Kette von Niederlassungen wird aus Missouri bis in die Thäler jener Felsengebirge reichen, die noch vor zwölf Jahren gleichsam in nebelgrauer, vereinsamter Ferne lagen und nur von Pelzjägern durchstreift wurden. Nun sind auch jene Regionen von den Wellenschlägen der Yankeecivilisation erreicht worden, und so wird das große Festland in seiner ganzen Breite bevölkert.




Flußübergang.[1]

Wenn ein Fluß in der Nähe des Feindes mit Hülfe einer Kriegsbrücke übergangen werden soll, so kommt es vor allen Dingen darauf an, jenen über den Punkt zu täuschen, wo man übergehen will. Allarmirungen und Demonstrationen an der ganzen oder einem Theile der Flußlinie, wie es auch die Oesterreicher vor ihrem Einmarsche in Piemont und bei ihrem weiteren Vorgehen machten, sowie Anstalten zum Brückenbau an Stellen, wo man nicht überzugehen gedenkt, die so getroffen werden, daß sie der Feind bemerken muß, sind hierzu die besten Mittel.

Wenn der Feldherr im Allgemeinen den Ort bezeichnet, wo er übergehen will, dann haben die Officiere des Generalstabes und die der Pontoniere auf das Genaueste den Fluß und seine Ufer da zu untersuchen, um den Punkt des Ueberganges selbst zu bestimmen. Eine nach der Seite des Flusses hingehende Biegung, von der man auf das andere Ufer übergehen will, wo zugleich das diesseitige Ufer das jenseitige, feindliche überragt, ist hierzu am günstigsten, damit man theils Batterieen daselbst auffahren kann, theils aber auch den übergegangenen Truppen Gelegenheit gibt, ihre beiden Flügel an den Fluß anzulehnen. Die Pontonierofficiere untersuchen die Stromschnelle, Tiefe, Breite und den Grund des Flusses, sowie die Ufer, ob dieselben fest oder sumpfig sind, und bestimmen, wo die Haquets (Pontonwagen) ausgeladen werden sollen. Wir können hier nicht auf die verschiedenen Arten des Schlagens von Kriegsbrücken eingehen, sondern wollen nur davon sprechen, wie dies gegenwärtig durch die Oesterreicher in Italien geschieht.

Eine genaue Recognoscirung muß ergeben, daß der Feind den

  1. Wir glauben, durch Mittheilung des obigen Artikels, der von einem unserer bekanntesten militairischen Schriftsteller herrührt, den Dank unserer Leser zu verdienen. Bei der demnächst auf dem Kriegsschauplatze in den Vordergrund tretenden Mincio-Linie werden Flußübergänge in Menge versucht, ausgeführt und abgeschlagen werden, und es dürfte deshalb von Interesse sein, die Manipulationen eines solchen militairischen Actes kennen zu lernen.      D. Redact.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_387.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)