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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

und wir mußten wie die Katzen Einer über den Andern klettern, um nur wieder handgemein mit ihm zu werden.

Hier habe ich den General Beuret gesehen, furchtlos, sich vervielfältigend, den Kugeln trotzend, mit dem Säbel in der Faust. Gelassen folgte er dem Gassengefecht, rechts und links Befehle ertheilend, thätig und doch ruhig; ich habe ihn noch vor Augen. An der Ecke eines Hauses erblickten wir einen Capitain, umzingelt von vierzehn Büchsenschützen; in diesem Augenblick ward er getroffen und sank zusammen. General Beuret eilte herzu, man hob den Getroffenen auf, er stürzte wieder. „Er ist todt,“ sagte unser General. – Jetzt erschien General Forey, zwei Trompeter zur Seite, hinter sich einen Officier des Generalstabes.

Unser General wendete sich ihm entgegen; sie drückten sich die Hände, wechselten einige Worte und sagten: „Alles geht gut.“ Sie ritten ungefähr zehn Schritte, fünf verfolgte Tyroler flohen vor ihnen her; plötzlich wandten sich dieselben um und schossen; General Beuret läßt die Zügel fahren, wankt und, gestützt von einigen Soldaten, hauchte er den letzten Seufzer aus.

Da warf man sich auf die Tyroler, die sich wie ehrliche Soldaten sehr tapfer wehrten, und hieb sie in Stücke; das 84. Regiment, in seiner Wuth, gab keinen Pardon mehr, der Feind, erschüttert, begann sich zurückzuziehen. Er opferte 300 der Seinigen, welche den Rückzug durch ein furchtbares Feuer aus ihren Verschanzungen beschützten, die sie aus dem Stegreif an dem Kirchhofe angebracht. Viele der Unsrigen fanden hier ihren Tod.

Ich war nicht mehr beim Angriff auf diesem Posten, dem mörderischsten des ganzen Tages; wir waren zur Verfolgung des Feindes abgeschickt, welchen wir bis Casteggio drängten. Ich muß gestehen, die Oesterreicher fechten ausgezeichnet.

Man sagte mir, daß sich, die Sarden ganz tüchtig geschlagen hätten; ich glaube es, denn ihre Todten bedeckten den Boden, durchlöchert von Wunden, verstümmelt durch die österreichischen Bajonnete.

Ich war so glücklich, meine Hand auf einen blutjungen Unterlieutenant von höchstens achtzehn Jahren zu legen, welcher aber, obwohl umringt, sich schlug wie ein kleiner Löwe. Mein Corporal wollte ihm mit seinem Bajonnete eben die Weichen spicken; ich schlug das Gewehr mit dem Kolben in die Höhe und packte den guten Kerl beim Kragen, um ihm andere Unannehmlichkeiten zu ersparen.

„Ergib Dich, Bursche!“ rief ich ihm deutsch zu.

Er wandte sich um und reichte mir kalt den Degen. Es ist ein Herrenkind, blond, schmächtig, hochmüthig; ich habe ihm das Leben gerettet, und er hat mir nicht einmal dafür gedankt.

Gott sei Dank, ich habe nicht einen Ritzer. Mit Ausnahme meiner silbernen Taschenuhr, welche ich im Gewühle verloren, aber diesen Morgen durch den goldenen Chronometer eines feindlichen Oberofficiers zu ersetzen Gelegenheit fand, fehlt nicht ein Haar an meinem Kopfe.

Was mich am meisten kränkt, ist, daß meine Büchse, meine Pantalons und meine Pfeife vollkommen unbrauchbar geworden; dafür sind wir aber noch denselben Abend nach Montebello in’s Nachtquartier zurückgekommen, und ich habe daselbst in einer Scheune auf weichem Stroh geschlafen wie ein Gottbegnadigter.

Der Kaiser ist gekommen, das Schlachtfeld und die Verwundeten zu besuchen; er hat den General Forey und den Oberst Cambriels lebhaft umarmt und ihnen im Namen der ganzen Armee gedankt. Damit Gott befohlen für heute!




Wie das Goldsuchen sich oftmals lohnt.

Vor elf Jahren drang von den fernen Gestaden der Südsee die Kunde nach Europa, daß in Californien unerschöpflich reiche Goldlager entdeckt worden seien. Und bevor man noch geprüft hatte, ob dieselben sich nachhaltig zeigten, strömten Hunderttausende von Menschen aus allen Himmelsgegenden nach dem neuen Eldorado; Jeder wollte allen Uebrigen den Rang ablaufen und vor ihnen an Ort und Stelle sein. Einige machten die weite und lange Fahrt um das Cap Horn, umschifften also die ganze Südspitze Amerika’s; Andere zogen den kürzern Weg über die Landenge von Panama vor, und wieder Andere wählten die beschwerliche Straße über die weiten Wiesenflächen, welche sich nach Westen hin vom Missisippi bis zu den Felsengebirgen ausdehnen. Diese überstiegen sie mit verhältnißmäßig geringen Beschwerden, weil der Südpaß, dessen Höhe nicht viel über siebentausend Fuß beträgt, auch für Fuhrwerke zu passiren ist. Aber die Weiterreise durch das zum großen Theil wüste Land der Mormonen und das Uebersteigen der californischen Seealpen, der Sierra Nevada, war mit großen Schwierigkeiten verbunden, und wer endlich den Westabhang dieses Hochgebirges erreicht hatte und das sonnige Stromthal des San Sacramento vor sich liegen sah, war matt und müde. Unzählige Menschen sind auf der tausend Wegstunden langen Strecke verdorben und gestorben; der Pfad, welchen die Auswanderer zogen, war mit den Gerippen verendeter Thiere und mit Grabhügeln oder auch mit Leichen seiner Länge nach gleichsam besäumt, und man bedurfte keines andern Wegweisers[WS 1], als dieser tausend und abertausend Memento mori. Von denen aber, welche so glücklich waren, in das Goldland zu gelangen, und, nachdem sie sich erholt, an die Arbeit gehen konnten, fanden sich Viele belohnt. Californien ist ein blühender Staat geworden, und liefert seitdem Jahr aus Jahr ein durchschnittlich einhundert Millionen Thaler Gold in den Verkehr.

Kaum hatte die Welt sich von dem Erstaunen über eine ungeheuere und ungeahnte Fülle edeln Metalles einigermaßen erholt, als abermals aus der fernen Südsee, aus der Region unserer Gegenfüßler, die Kunde erscholl, in den englischen Colonien Australiens seien Goldlager gefunden worden, deren Reichthum mit jenen Californiens sich messen könne. Und wieder begann eine Völkerwanderung nach dem großen Inselcontinente, der im Süden des Erdgleichers liegt; Tausende von Schiffen brachten Hunderttausende von Auswanderern nach Sidney und Melbourne; die Gruben am Alexanderberge und von Ballarat waren fast noch ergibiger als die californischen, und Australien versendet nun auch jährlich für nahe an hundert Millionen Thaler Gold.

Im Anfange des vorigen Jahres packte das Goldfieber zum dritten Male eine große Menge unternehmender Leute. An der westlichen Küste Amerika’s, im Norden des Washingtongebietes, dehnt sich ein kaltes, unwirthliches Land, Neu-Caledonien aus, in welchem bisher nur Pelzjäger und Indianer umhergestreift, waren. Dort entdeckte man am Fraserstrom und an einem Zuflusse desselben, dem Thompson, Gold in beträchtlicher Menge. Bevor einige Monate vergangen waren, hatten sich zwanzigtausend Abenteurer aus Oregon, Californien, ja selbst aus den canadischen Landen und vom obern Missisippi auf den Weg gemacht, um die neuen Fundgruben auszubeuten. Aber man ist am Fraser auf größere Schwierigkeiten gestoßen, als am San Sacramento, Tausende sind in ihren Erwartungen getäuscht worden und, aller Habe entblößt, in die Heimath zurückgegangen. Es erleidet keinen Zweifel, daß in jenem Lande, welches jetzt als Britisch-Columbia eine Colonie der englischen Krone bildet, viel Gold vorhanden ist; die Ausbeute hat jedoch bis jetzt noch nicht zwei Millionen Thaler betragen.

Während im vergangenen Sommer einzelne Züge von Auswanderern nach dem kalten Lande am großen westlichen Ocean aufgebrochen waren, und sich mühsam über die nördlichen Büffelprairien an beiden Armen des Saskatschawanstromes einen Weg bahnten, um den Athabaskapaß in den Felsengebirgen zu erreichen, welcher zum Thompsonflusse hinabführt, verbreitete sich plötzlich zu St. Louis im Staate Missouri das Gerücht, an den westlichen Grenzen der Gebiete Kansas und Nebraska sei Gold in Hülle und Fülle vorhanden. Da, wo die Felsengebirge nach den weiten Grassteppen gen Osten hin abfallen, und wo ein gewaltiger Spitzberg, der Pikes Peak, sich erhebt, streiften Pelzjäger, sogenannte Trappers umher und stellten in den vielen Bächen, deren klares Wasser durch anmuthige Thäler den Ebenen zuströmt, ihre Fallen aus, um Biber zu fangen. An einem Flüßchen, dessen Ufer mit einer Art wilder Kirschen bestanden sind, und den man deshalb den Cherry Creek, d. h. Kirschenbach, nennt, fanden sie zu ihrer nicht geringen Ueberraschung Goldblättchen und Körnchen im Uferschlamme. Sofort „prospecteten“ sie auch an andern Bächen, in den vielen Schluchten, welche von den Rocky Mountains gebildet werden; und

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wegweser
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_385.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)