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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

6. Was trägt am meisten dazu bei, Verbrechen zu befördern: Armuth, Reichthum oder Unwissenheit?

7. Wer war der größte Feldherr, Hannibal oder Alexander?

8. Wodurch lernen wir mehr, durch Bücher oder durch das Leben selbst?

9. Haben Thiere nur Instinct oder auch Verstand?

10. Wer ist für die menschliche Gesellschaft der Gefährlichste – der Verschwender oder der Geizige? etc. etc. etc.

Auch launige Debatten dürfen nicht ausgeschlossen sein; so erinnere ich mich, daß in Arkansas ein Fall debattirt wurde, der mehrere Abende hintereinander immer wieder zur Verhandlung kam und große Heiterkeit hervorrief. Es war der folgende:

Ein Mann hatte an einem Flusse ein Fährboot angebunden. Eines Tages kommt ein Stier, der einem anderen Einwohner des Orts gehörte, zu dem Boot herunter, steigt hinein, kaut so lange an dem Strick, bis dieser reißt, und treibt mit dem Boot den Fluß hinab, so daß man beide nicht wieder erlangen konnte.

Wer hatte jetzt den Schaden zu tragen, der Mann, dem der Stier gehörte, oder der Booteigenthümer? – denn Beide verklagten einander – hatte nämlich das Boot den Stier oder der Stier, das Boot entführt?

Solche scherzhafte Debatten – kleine unschuldige, aber verwickelte Rechtsfragen und dergleichen, eignen sich vortrefflich zu diesem Zweck. Das Leben um uns her bietet dabei so manchen interessanten Stoff, und es kann den Lehrern nicht schwer fallen, Manches aufzufinden, was die Aufmerksamkeit ihrer Schüler fesselt. Sie werden dabei selber über den Erfolg staunen, den diese Uebungen bewirken, denn es sind nicht mehr einfache, hergesagte Lectionen, es ist der eigene Gedanke, der aus den Kindern spricht.

Was nützt den Knaben das Declamiren, das nur allein der Schauspieler für sich verwerthen kann? Er lernt sprechen, ja aber er kann das Gelernte nie für sich praktisch verwerthen. Die Stimme, die Gesticulation, der auf die einzelnen Worte gehörige Ausdruck sind allerdings wesentliche Momente der Rede, aber sie sind und bleiben doch nur die äußeren Zierden des Baumes, während der eigene Gedanke Stamm und Mark desselben bildet.

Verschafft deshalb dem Kinde erst die Möglichkeit, sich eigene Gedanken zu formen und zu entwickeln, gebt ihm einen Gegenstand, der sein Herz erwärmt und seinen Geist schärft, und er wird auch mit dem richtigen Ausdruck, mit der richtigen Gesticulation sprechen lernen, weil das, was er spricht, aus seinem eigenen Herzen kommt.

Den Beweis des eben Gesagten können wir jede Stunde auf jeder Straße finden, wo wir zwei Leute, selbst aus den niedrigsten Ständen, sich unterhalten sehen. Laßt diese irgend ein beliebiges Gedicht hersagen, und es wird ohne Ausdruck, mit den ungeschicktesten Bewegungen geschehen, aber wie sie dort stehen und sich streiten oder irgend etwas Geschehenes besprechen, ist jede Bewegung natürlich, jedes Wort richtig betont – und warum? – weil sie fühlen, was sie reden, weil ihr Körper, der Ausdruck ihres Gesichtes selbst unwillkürlich, ja ihnen unbewußt, mit ihren Gedanken im Einklange steht.

Der richtige Declamator dagegen lernt vielleicht mühsam einen Anderen Gedanken durch Worte und Bewegungen richtig wiedergeben – aber es ist die Frage, ob er je im Stande sein wird, einen eigenen und selbstständigen Gedanken ohne Stottern auszusprechen.

Die Debatte ist deshalb das einzige Mittel, den Schüler nicht allein sprechen, nein, auch denken zu lehren, und wollen die Lehrer einmal den Versuch machen, welche Wirkung sie damit bei ihren Schülern erzielen, so bin ich der festen Ueberzeugung, daß sie nie wieder zur leeren Declamation zurückkehren oder dieselbe wenigstens von da an als das betrachten werden, was sie wirklich ist: einzig und allein als eine Gedächtnißübung, bei der sie die Schüler ruhig können aus ihren Plätzen sitzen und die Hände auf die Schreibbank legen lassen.

Und wären solche Redeübungen allein für Schulen von segensreicher Wirkung?

Diese Debatte möchte ich den Vereinen junger Kaufleute und Handwerker als Aufgabe empfohlen haben und ich bin fest überzeugt, daß sie es dann nicht bei der einen bewenden lassen. Sie werden einsehen, daß auch für sie in späteren Jahren die Nothwendigkeit eintreten kann, öffentlich zu sprechen, unter welchen Verhältnissen es auch immer sei, und daß sie bei ihren Zusammenkünften einen Theil ihrer Zeit nicht besser und nützlicher verwerthen können, als durch solche Uebung.




Blätter und Blüthen.

Die Organisation der preußischen Armee. Bei den gegenwärtigen Kriegsereignissen dürfte es von Interesse sein, Kenntniß über die Organisation der preußischen Armee zu erhalten.

Die preußische Armee besteht aus dem Gardecorps und acht Armeecorps. Jedes Armeecorps besteht aus zwei Divisionen; eine Division besteht aus einer Brigade Infanterie und einer Brigade Cavallerie; die Brigade aus zwei Regimentern Infanterie oder Cavallerie. Jeder Soldat muß drei Jahre dienen, worauf er zwei Jahre zur Reserve gehört und alsdann zur Landwehr übertritt. Das Gardecorps besteht aus fünf Regimentern Infanterie = vierzehn Bataillonen; zwei Bataillonen Jägern, einem Regiment Garde du Corps, einem Regiment Cuirassiere, einem Regiment Husaren, einem Regiment Dragoner, zwei Regimentern Uhlanen und einem Regiment Artillerie. Zweiunddreißig Regimenter zu drei Bataillonen und acht Regimenter zu zwei Bataillonen bilden die Linieninfanterie. Die Cavallerie besteht aus acht Cuirassier-, acht Uhlanen-, vier Dragoner- und zwölf Husarenregimentern. Zu jedem Armeecorps gehört ein Regiment Artillerie, bestehenden aus zwölf Compagnieen und drei Handwerkscompagnieen. Drei Compagnieen werden in den Festungen verwendet, je nach Umständen mehr, und neun Compagnieen werden zur Bedienung von neun Batterieen verwendet. Durch die Einstellung der Reserven erhält das Bataillon eine Stärke von 1000 Mann. Die gegenwärtige Stärke der Linieninfanterie beträgt demnach von 112 Bataillonen zu 1000 Mann = 112,000 Mann Infanterie und die der Gardeinfanterie von vierzehn Bataillonen = 14,000 Mann Infanterie, also in Summa 126,000 Mann Infanterie.

Sobald die Armee mobil gemacht wird, werden eben so viel Landwehrregimenter als Linieninfanterieregimenter gebildet: die Landwehr ersten Aufgebots (die Landwehr zweiten Aufgebots ist nur für den Dienst innerbalb des Landes bestimmt) würde demnach ebenfalls 126,000 Mann betragen. Jedes Cavallerieregiment besteht aus vier Schwadronen zu 175 Mann. 25 Mann bleiben als Depot zurück, so daß ein Cavallerieregiment in einer Stärke von 600 Mann ausrückt. Zweiunddreißig Regimenter Cavallerie und sechs Regimenter Gardecavallerie – das Regiment Garde du Corps hat acht Schwadronen – betragen 156 Schwadronen mit 23,400 Pferden. Die Landwehrcavallerie würde fast eben so viel betragen. Jäger gibt es außer den zwei Bataillonen Gardejäger noch acht Bataillone zu 1000 Mann, also in Summa 10,000 Jäger. Aus jedem Artillerieregimente werden neun Batterieen zu acht Geschützen formirt = 72 Geschütze, theils sechs- und zwölfpfündige Kanonen, theils sieben- und zehnpfündige Haubitzen. Preußen hat demnach zur Zeit 81 Batterieen mit 648 Geschützen ausgerüstet. Ferner hat Preußen 27 reitende Batterieen zu acht Geschützen mit 216 Kanonen und Haubitzen. –

Die gegenwärtige Stärke der preußischen Armee während der Kriegsbereitschaft beträgt also 126,000 Mann Infanterie, 10,000 Jäger, 23,400 Mann Cavallerie, 81 Fußbatterieen mit 648 Geschützen und 27 reitende Batterieen mit 216 Geschützen, so wie auch neun Abtheilungen Pioniere und Pontoniere. In Folge der Mobilmachung aber beträgt die Stärke der preußischen Armee 252,000 Mann Infanterie, 20,000 Jäger, über 40,00 Mann Cavallerie, 81 Fußbatterieen mit 648 Geschützen und 27 reitende Batterieen mit 216 Geschützen, wozu etwa 8900 Pferde erforderlich sind, sowie 15,000 Pioniere und Pontoniere. Die Büchsen der Jäger, die Gewehre der Infanterie, die Säbel und Pistolen der Cavallerie lassen nichts zu wünschen übrig.

Eine wichtige Einrichtung der preußischen Armee sind die „Telegraphen-Compagnieen“. Eine solche bestand früher aus einem Obertelegraphisten und zehn Artilleristen; gegenwärtig aber hat man für Artilleristen Pioniere genommen, und Pionier-Unterofficiere werden aus den verschiedenen Staats-Telegraphenstationen zu Telegraphisten ausgebildet, um in vorkommenden Fällen verwendet zu werden. Zu einer Telegraphen-Compagnie gehört ein Wagen, auf welchem sich ein festgemachter Tisch befindet, welcher den Telegraphen-Apparat trägt, der aus dem Schreibeapparate, dem Relay, dem Taster, dem Galvanoskop, dem Umschalter, der Telegraphie- oder Linien-Batterie und der Local-Batterie besteht; hinten und vorn auf dem Wagen befinden sich die hölzernen Tragsäulen mit den Isolatoren aus Porzellan und dem Leitungsdrahte aus Eisen oder aus Kupfer. Auf diese Weise kann man in ganz kurzer Zeit eine provisorische Telegraphenlinie bis zu mehreren Stunden Länge und unter Umständen noch länger errichten, oder auch von irgend einem Punkte aus eine solche mit einer bereits bestehenden Telegraphenlinie in Verbindung bringen. Dies geschieht, indem man den Leitungsdraht der bereits bestehenden Telegraphenlinie durchschneidet und das eine Ende desselben durch Löthen mit dem Leitungsdrahte der provisorisch angelegten verbindet, indem sich sonst der elektrische Strom nach beiden Seiten hin verbreiten würde. Der Vortheil einer solchen beliebig aufzustellenden Telegraphenlinie ist namentlich während eines Krieges augenscheinlich. Befindet sich z. B. eine Armee für eine gewisse Zeit in einer ausgedehnten, durch einen Fluß oder auf andere Weise geschützten Stellung, und hat sie hinter sich in ihrer ganzen Ausdehnung eine solche provisorisch angelegte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_375.jpg&oldid=- (Version vom 28.6.2023)