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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Die neuen Hexenmeister und Geisterbeschwörer.
II.
(Schluß.)

Also die Priorität Deutschlands steht fest. Aber jener Klopfegeist in Niedersachsen war nur ein einfältiger Dorfteufel, während seine Collegen im überseeischen Lande der pfiffigen Yankee’s ganz durchtriebene und abgefeimte Patrone sind. Sie fingen in Hydesville gleich damit an, alle möglichen Hausgeräthe, auch die schwersten, durcheinander zu werfen, Sophaüberzüge zu zerreißen, handfeste Männer aus einer Ecke des Zimmers in eine andere zu schleudern, mit den Zähnen zu knirschen und Musik zu machen. Und dabei blieben sie selber unsichtbar. Sie kamen und kommen noch heute sehr oft freiwillig und ganz nach ihrem Belieben, man kann sie aber auch vorfordern, wenn man die dazu geeignete Person ist, ein Medium, was wir mit Geistermäkler übersetzen könnten, denn das Medium vermittelt den Verkehr mit den Unsichtbaren und theilt das, was sie offenbaren, den Menschenkindern mit. Das glückliche Nordamerika zählte schon im Jahre 1853 zwischen dreißig- und vierzigtausend „Media“. Das ist aber die niedrigste Angabe, denn nach Anderen soll diese Zahl schon damals nahe an eine halbe Million betragen haben. Das Medium trifft mit dem Geiste eine Art von Uebereinkommen, demgemäß es sich mit demselben verständigt. In der Familie Fox bedeutete dreimaliges Klopfen „Ja“, zweimal Pochen heißt so viel als „zweifelhaft“, einmal Klopfen heißt „Nein“. Bald war man auch mit dem Geisteralphabet im Reinen; einmal Klopfen bedeutete A, und so fort. Aber das war zu langweilig und die Geister ließen das Medium, welches gleichsam ihr willenloses, passives Werkzeug wurde, mit Buchstaben schreiben.

Amerika ist ein sehr ausgedehnter Erdtheil, aber für die Thätigkeit der Herren Geister scheint es nicht Raum genug zu haben, denn wir finden sie plötzlich diesseits des Weltmeeres in Frankreich, wo sie im Presbyterium zu Cideville an der Seine allerlei Unfug stiften. Die Geistlichen vernahmen erst ein schwaches Geräusch und bald nachher Hammerschläge, „die man eine halbe Stunde weit hören konnte“; das war arg, aber es kam noch besser. Unsichtbare Hände zerschlugen die Fensterscheiben, warfen allerlei Geräth hoch in die Luft, ja, sie vergriffen sich an Gebetbüchern und schleuderten mehrmals ein Breviarium zum Fenster hinaus. Dabei geschah ein Wunder, denn das Breviarium flog auf der anderen Seite des Zimmers wieder in ein Fenster hinein. Kinder werden von unsichtbarer Hand geschlagen. Man schöpft Verdacht gegen den Schäfer Thorel. Es war ein Schatten umgegangen; diesen verfolgte man mit einem eisernen Stabe, schlug nach ihm, und richtig, der Schäfer hatte am anderen Tage eine Schlagwunde im Gesicht. Man schoß mit einem Pistol in die freie Luft und fand in einer Wange des Schäfers zwei Schrotkörner. Der arme Bursche wirft sich vor dem Pfarrer auf die Kniee und möchte um Verzeihung bitten, aber der Pfarrer will eine so verdächtige Person nicht nahe kommen lassen, prügelt den Schäfer, dieser verklagt den Geistlichen und das Gericht gibt, nach vielen Verhören und Protokollen, dem Letzteren recht. Schade, daß wir nicht im siebzehnten Jahrhundert sind, dann wäre der Schäfer sicherlich als Hexenmeister verbrannt worden.

Der französische Abbé Thiboudet hat herausgebracht, welche Bewandtniß es eigentlich mit den „bösen Geistern“ habe. Einst rief ein Klopfer, der sich das Holz eines geflochtenen Korbes zum Wohnsitze erkoren hatte: „Ich bin Satan!“ und nun sagt der Herr Abbé: „Der Teufel sucht Gott nachzuahmen, um desto sicherer die Menschen zu betrügen. Er weiß, daß Christus sich eines hölzernen Kreuzes bediente, um uns das unsterbliche Leben des Ruhmes zu geben; deshalb bedient auch er sich des Holzes für die Ceremonien seines Cultus und seiner Zauberpraktiken!“

Sobald dieser Abbé ein Crucifix, einen Rosenkranz, ein Meßbuch oder irgend einen anderen geweihten Gegenstand auf den Tisch legt, rüttelt Satan in fürchterlicher Wuth an dem Letzteren und nimmt Reißaus. Der Abbé hat ihn nur einmal zur Rede gebracht, und da warf Satan, der Klopfgeist, die Maske ab und rief: „Ich kann die guten Katholiken nicht leiden.“ Bautain, gegenwärtig Großvicar des Erzbischofs von Paris, zudem Doctor der Theologie, der Arzneikunde und Jurisprudenz, schreibt wörtlich: „Ich sah einen Korb dermaßen belebt, daß er sich in Windungen krümmte, wie eine Schlange; dann entfloh er und kroch fort, weil ihm stillschweigend ein Evangelienbuch vorgehalten wurde.“ Der glaubensstarre Graf von Richemond fordert die Bischöfe und den Papst öffentlich auf, den Hirtenstab zu ergreifen und allen Klopfgeistern die kirchliche Formel: „Vade retro, Satanas!“ (Weiche zurück, Satan!) entgegenzurufen. Es sei ihnen, meint der Graf, gar nicht anders beizukommen, als durch ein solches Exorcisiren. Ob aber dasselbe wirksamer ist, als die Austreibung des braunschweigischen Küsters in Dibbesdorf, muß man abwarten. Ein Abbé, Namens Almignana, hat aber eine Lanze für die „guten Geister“ eingelegt, und dieser Mann muß die Sache wohl verstehen, denn er ist „Doctor des canonischen Rechtes, magnetisirender Theolog und Medium“. So steht es auf dem Titel seiner Schrift über die Geister. Er verkehrt viel mit „Lichtgeistern“ und kann die „Dämonen“ abhalten. Dagegen weiß ein anderer Pariser, Herr Louisy, daß es gar keine bösen Geister gebe. Die vom Körper abgeschiedenen Seelen wären das natürliche Band zwischen dem Schöpfer und der Creatur. Die Weisen sind also, wie man sieht, untereinander nicht einig. Interessant ist aber, daß ein frommer Mann, Henri Carion, den Geist des Erzspötters Voltaire herbeigehext und demselben dermaßen in’s Gewissen geredet hat, daß er seinen Unglauben und seine Ketzereien abschwor; auch stellte er Herrn Carien darüber ein schriftliches Zeugniß in allerbester Form aus. Dieses von Voltaire im Geisterreiche eigenhändig geschriebene Document, von welchem ein Facsimilee genommen und veröffentlicht worden ist, damit rechtgläubige Seelen sich daran erbauen, lautet:

„Ich habe meine gottlosen Thaten abgeschworen, ich habe geweint und mein Gott ist mir barmherzig gewesen. Voltaire.“

Wir haben also, mitten im neunzehnten Jahrhundert, das alte Zauber- und Geisterwesen in bester Form, und die neumodischen Hexenmeister machen kein Geheimniß aus ihrem Treiben. Nordamerika, England und auch unser Deutschland liefern Beiträge zur Literatur dieser merkwürdigen Wirthschaft, vor allen aber zeichnet sich Paris aus. Dort gab schon 1852 Baron Du Potet seine „Enthüllte Magie oder Principien der Geheimwissenschaft“ heraus, Cahagnet’s „Magnetische Magie“ erschien 1854; ebenso das „Dogma und Rituale der höheren Zauberkunst“ von Eliphas Levi Zaed, d. h. Alphons Louis Constant. Wer sich einweihen will, möge diese und ähnliche Werke lesen, zum Beispiel auch jene des Grafen Szapary und Baron Güldenstubbe’s Pneumatologie. Bei Cahagnet spielt der „Zauberspiegel“ eine große Rolle; vermittelst desselben kann man Diebe entdecken. Schade, daß nicht alle Polizeiämter ein solch’ nützliches Werkzeug anschaffen! Derselbe Cahagnet ist auch Nekromant und beschwört die Todten, wobei ihm „die leuchtenden Augen seiner Adele“ wesentliche Dienste leisten. Er beruft sich für die Wahrheit dessen, was er mittheilt, auf Mittheilungen, welche die Geister des Hippokrates, Galilei, Franklin und Swedenborg ihm gemacht! Galilei hat ihm, durch das Medium der Adele, die wahren Gesetze der Physik und Sternkunde offenbart, Franklin ihm die Erfindung einer neuen elektrischen Maschine an die Hand gegeben, Hippokrates ihn Anatomie, Physiologie und Heilkunst gelehrt, während Swedenborg die Geheimnisse des Jenseits, das Wesen der Seelen, ihre frühere Existenz und ihre zukünftige Bestimmung offenbarte. Leider hat dieser Swedenborg verschiedenen Yankee’s in Amerika über alle diese Gegenstände ganz andere Mittheilungen gemacht, als dem Franzosen, und es wäre also noch zu ermitteln, wen er belogen und wem er die „wahre Offenbarung“ gegeben hat.

Mit dem Vorstehenden glauben wir unsern Lesern satt und genug über das „spiritualistische System“ mitgetheilt zu haben. Es bleibt uns nur noch übrig, zu sagen, in welcher Art dasselbe gegenwärtig in Nordamerika seine Anwendung findet. Dort treibt man die Geisterbeschwörung nicht, wie hier und da in Deutschland, ins Geheim und mit einer gewissen Schüchternheit, sondern tritt mit so viel Prunk und Redensarten als möglich an die Oeffentlichkeit. Schon vor sechs Jahren wurde der „praktische Spiritualismus“ zu einem Geschäft erhoben, bei welchem viel Geld verdient wird. Die „Seelenbändiger“ oder, wie sie selber sich nennen, „Sykologisten“ erhalten von den durch sie heraufgezauberten Geistern eine gründliche Anleitung, welche es ihnen möglich machen soll, eine unbezwingliche Gewalt über die Seelen Anderer auszuüben. Der Sykologist sagt: „Ein Blick von mir reicht hin, um über Gefühle und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_357.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)