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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

ihr wohnen, als wenn sie nur von lauter Galgenvolk umgeben ist. Und eben darum wünscht’ ich sehr, daß wir einen Schlag gegen den Juden Feibes und seine Bande ausführten, weil das meinem Gesuche ohne Zweifel großen Vorschub thäte.“

„Das ist ja Alles prächtig überlegt. Nun, es versteht sich von selbst, daß ich Ihre Mitteilung berücksichtige.“

Schellenberg theilte dem Obercontroleur mit, was er erfahren hatte, und der Beamte kam mit einem seiner Untergebenen am andern Morgen zum Wolfsgrunde, wo ein förmlicher Kriegsrath abgehalten wurde. Die beiden Steuerbeamten schenkten der Anzeige unbedingt Glauben und legten großes Gewicht darauf. Marx schien weniger davon erbaut und äußerte sich, als er zum Sprechen dringend aufgefordert ward, in folgender Weise:

„Der Feibes mag immerhin schmuggeln, wie die ganze Welt behauptet, aber er ist ein höchst durchtriebener Bursche, der sich schwerlich wird fangen lassen. Es kommt mir sonderbar vor, daß sein Plan sollte so bekannt geworden sein; doch da der Herr Lieutenant seine Quelle nicht mittheilen will, so lasse ich das dahingestellt und will zugeben, daß die Sache immerhin möglich ist. Ist es aber die Absicht des Juden, in der Gegend des Kniebrechs über die Grenze zu kommen, so ist das gerade eine Oertlichkeit, die nicht besser ausgewählt sein könnte und die Ihnen wenig Aussicht darbietet, ihn mit seinen Begleitern zu fangen. Es kreuzen sich da Holzwege und Köhlerpfade in unglaublicher Menge, und es würde eine große Anzahl von Aufpassern dazu gehören, um diese Passagen alle zu besehen, zumal da er seine Helfer wahrscheinlich theilt, um, wenn auch der Eine oder der Andere abgefangen werden sollte, doch die Uebrigen mit ihrer Waare glücklich herüberzubringen..“

Der Grenzaufseher, dessen Einbildungskraft schon ganz mit dem zu hoffenden Fange beschäftigt war, rief eifrig: „Ei, an Menschen fehlt es uns doch jetzt nicht, Herr Marx! Wir sind außer dem Herrn Obercontroleur unser sechs Aufseher, und dann sind fünfzig Schützen da, die sich über eine weite Linie vertheilen können. Wenn wir diesmal den verdammten Juden nicht kriegen, so kriegen wir ihn niemals!“

Marx wiegte ungläubig den Kopf und sagte: „Ich dachte freilich nicht, daß Sie alle zusammen, Aufseher und Schützen, sich aufmachen wollten, um dem erbärmlichen Feibes Itzig aufzulauern, der am Ende nur für ein paar Thaler Kattun für seinen Laden holt.“

Weniger hitzig als sein Unterbeamter, aber doch auch mit Eifer sagte der Obercontroleur: „Es ist allerdings der Mühe Werth, Herr Marx, den abgefeimtesten Schmuggler dieser ganzen Gegend auf der That zu ertappen, wenn es auch nur mit einigen Ellen Kattun wäre, und ich sehe nicht ein, warum wir nicht alle zusammen, Aufseher und Schützen, den Versuch machen wollten; ja, ich halte es sogar für unsere Schuldigkeit. Was meinen Sie, Herr Lieutenant?“

„Ich bin zu Allein bereit, und stelle mich und meine Leute zu Ihrer Disposition, nur muß ich bemerken, daß ich meine Nachricht gebe wie ich sie empfangen habe, als eine Denunciation durch die dritte Hand.“

Der Aufseher sagte: „Auf eine andere Art wird man nie Nachrichten empfangen, denn die Schmuggler hängen ihre Gänge eben nicht an die große Glocke.“

Es wurde also beschlossen, die ganze verfügbare Mannschaft in einer zusammenhängenden Kette so weit über die Gegend des Kniebrechs auszudehnen, daß es auch einem einzelnen Pascher unmöglich sein würde, unbemerkt durchzukommen, und Marx, da er sich überstimmt sah, verfehlte nicht, auf diejenigen Punkte aufmerksam zu machen, die man am meisten im Auge zu halten habe. Die Vorbereitungen wurden möglichst still und unbemerkt getroffen, die Mannschaften zogen scheinbar nach ganz verschiedenen Punkten ab, und von der Frühe des bezeichneten Tages an war die ganze Linie besetzt. Schellenberg machte mit dem Obercontroleur die Runde bei allen Posten.

Schon war Mittag vorüber, und noch hatte sich nichts gezeigt. Die beiden Befehlshaber kamen eben zu jenem Punkt, welchen Marx der Aufmerksamkeit besonders empfohlen hatte, als ihnen Winrich und der Grenzaufseher, der an der Berathung Theil genommen hatte, entgegentraten und flüsternd mittheilten, man glaube den Hufschlag eines sich nähernden Pferdes zu hören. Es verbargen sich eilig Alle um die Stelle, wo verschiedene mehr oder weniger betretene Pfade sich kreuzten, in dem Gebüsch, in welchem bereits eine Anzahl von Schützen Platz genommen hatte. Die Tritte eines Pferdes wurden deutlicher und näherten sich.

„Es ist nur ein einziges Pferd!“ flüsterte Winrich dem Grenzaufseher zu.

„Es werden schon Packträger genug hinterher folgen,“ entgegnete dieser.

Aber es wir wirklich nur ein einziges Pferd, geführt vom Juden Feibes Itzig, und es ließ sich Niemand dahinter blicken. Die im Hinterhalt Lauernden waren einigermaßen enttäuscht, indessen trug das Pferd einen anscheinend sehr schweren Mantelsack, und wenigstens der Obercontroleur begnügte sich mit der Aussicht, den berüchtigten Pascher endlich einmal auf der That zu ergreifen. Schellenberg fühlte sich von der ganzen Sache nicht sehr aufgeregt, er kam sich mehr als Zuschauer wie als Beteiligter vor. Feibes warf beständig seine scheuen Blicke nach allen Seiten; als er die Höhe erreicht hatte, machte er Halt und schien sein Pferd wieder besteigen zu wollen. In diesem Augenblicke brachen die Bewaffneten hervor, und der Jude sah sich rings eingeschlossen. Er ließ seine hervorquellenden Augen im Kreise umherirren, bemeisterte aber sogleich seinen Schrecken weit genug, um seinen Hut abzuziehen und mit einer grinsend demüthigen Höflichkeit, welche sich mit dem angstvoll verzogenen Gesicht zu einem wahrhaft scheußlichen Gesammtausdruck verschmolz, zu sagen:

„Gehorsamer Diener, meine Herren! Hab’ ich doch nicht gemeint, auf dem Kniebrech eine so schöne Gesellschaft anzutreffen. Ich bin erfreut, ich bin außerordentlich erfreut, Sie zu sehen, meine Herren. Ich mache Ihnen mein Compliment, Herr Obercontroleur; wie steht’s Befinden? Was macht die werthe Frau Gemahlin? Wie geht’s den lieben Kindern?“

Mit ernster Würde sagte der Beamte: „Ich danke für die Nachfrage; aber sagen Sie, Feibes, wie kommen Sie auf diesen Weg, der, wie Sie recht gut wissen, Allen verboten ist, welche steuerbare Gegenstände führen?“

Aber Feibes hatte sich schon vom strengen Gesicht des Obercontroleurs weggewandt, und redete den Grenzaufseher in seiner widerwärtig kriechenden Weise an: „Ich freue mich, Sie auch hier zu sehen, Herr Grenzaufseher; wie ich zu bemerken die Ehre habe, so tragen Sie die Weste, die Sie von mir kauften; ist’s nicht ein schöner Stoff, und spottwohlfeil? Ich hab’ auch gehabt den bittersten Schaden bei dem Handel, aber ich hab’ gemeint, Feibes, verkauf’ mit Schaden, du machst dir dadurch den Herrn Grenzaufseher zum Freund.“

„Davon ist hier keine Rede,“ sagte der Aufseher grob, „sondern von der Contrebande, die Ihr mit Euch führt.“

„Contrebande!“ schrie der Jude, sich ganz in sich selbst zusammenziehend, „o weh’ geschrieen, was sprechen Sie von Contrebande, Herr Controleur? Hab’ ich doch in meinem Leben noch keine Contrebande mit mir geführt! Wie werd’ ich wagen, etwas zu thun gegen das Gesetz, wo so ausgezeichnete Männer aufpassen, daß nichts geschieht gegen das Gesetz? Aber ich hab’ auch das große Vergnügen, da vor mir zu sehen einen Herrn Officier; das ist gewiß der Herr Officier, der die Soldaten commandirt und berühmt ist durch seine große Klugheit und Wachsamkeit. Ich empfehle mich bestens der Bekanntschaft des Herrn Hauptmanns, und wenn der Herr Hauptmann etwas brauchen an Stoffen von Seide. Leinwand oder Baumwolle, extrafeinen Cigarren, echten Havannah, und beispiellos wohlfeil – –“

„Laßt doch einmal das verdammte Gewäsch,“ fiel der Aufseher barsch ein, „nehmt den Mantelsack herunter und öffnet ihn!“

Mit sehr erschrockenen Mienen rief Feibes: „Was sagen der Herr Grenzaufseher? ich soll offen machen meinen Mantelsack?“

„Nun ja, das versteht sich von selbst.“

„Sie werden mich nicht machen wollen so unglücklich! Herr Obercontroleur, haben Sie die Güte und lassen Sie mich ruhig gehen nach meinem Hause, befehlen Sie nicht, daß ich soll offen machen meinen Mantelsack.“

„Allerdings sollen Sie ihn offen machen und das sogleich ohne weitere Umstände.“

„Herr Officier, legen Sie ein für mich ein gutes Wort bei den Herren Steuerbeamten, daß ich nicht offen zu machen brauche den Mantelsack.“

„Ich kann kein gutes Wort für Sie einlegen.“

„O weh, so bin ich ein geschlagener Mann! Aber was ich Ihnen kann sagen und versichern, meine Herren: lassen Sie mich

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