Seite:Die Gartenlaube (1859) 252.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Gelegenheit fand, meine Garnison wieder zu erreichen, von mir so höflichen, so herzlichen Abschied, daß ich nur mit Rührung und innigstem Dankgefühl an diese rohe, ehrliche, herzliche, uneigennützige Gastfreundschaft, wie man sie unter Christen, feinfühlenden Menschen, selbst leiblichen Geschwistern so selten findet, zurückdenken kann,

„Meine Rückkehr auf den Boden der Civilisation wurde nicht sehr freudig begrüßt. Meine Collegen unter mir waren avancirt, da ich ausgefallen, verschollen, als Todter gestrichen worden war, und nun mußte ich doch als Lebendiger und als derselbe Officier, als welcher ich Urlaub genommen, wieder anerkannt werden. Der Herr College, welcher meine Würde, meine Stelle, ja selbst mein Zimmer geerbt hatte, haßte den Bären, der mich zu schwach umarmt, den jungen Indianer, der mich zum Leben zurückgerufen, und mich, der ich von den Todten wieder auferstanden war. Dieser dreifache Eingriff in sein Avancement, diese Menschlichkeit, die uns Allen passirt war, selbst dem Bären, lief ihm wider alle militairische Ehre.“




Blätter und Blüthen.

Wandernde Speisewirthschaften in Paris. In Paris gibt es Tausende den Restaurationen, Garküchen und Speisewirthschaften, in denen man von sechs Sous an bis zwanzig Franken Mittags essen kann, und trotzdem waren Tausende der Bewohner von Paris genöthigt, sich Mittags mit einem trockenen Imbiß zu begnügen, weil ihnen entweder die Zeit fehlte, sich ihr Mittagessen selbst zu bereiten, oder weil ihnen Raum und Einrichtung dazu fehlten, ihre Umstände es ihnen aber auch nicht erlaubten, zu einem Speisewirthe zu gehen. Es war daher ein höchst zweckmäßiges und philanthropisches Unternehmen, welches der Vicomte von Botherel, unter der Regierung Ludwig Philipp’s, in’s Leben rief, als er das Institut der fahrenden Garküchen errichtete.

Man erbaute zu diesem Zwecke ein großes Gebäude, in welchem sich nichts als Vorrathskammern, Keller und Küchen mit der Wohnung des Inspektors und des Küchenpersonals befanden. Mit diesem Gebäude war ein eigener Schlachthof verbunden, in welchem das Schlachtvieh, welches von der Gesellschaft der fahrenden Garküchen in großen Partieen angekauft war, geschlachtet wurde. Von früh sieben Uhr bis Nachts elf Uhr würde in dem „Magazin der Gesellschaft“ gekocht, gebraten und gesotten und von halb acht Uhr früh bis Nachts zwölf Uhr wurden die Speisen und Getränke (Kaffee, Thee, Chocolade, Punsch, Glühwein) auf eigens dazu eingerichteten großen Wagen durch alle Stadttheile von Paris verbreitet. Jeder Geschmack, jeder Geldbeutel war von diesen fahrenden Garküchen berücksichtigt. Man konnte für zehn Sous Rindfleisch mit Gemüse und für Zwanzig Franken eine feine, ausgewählte Collation von Geflügel, Wildpret, Fischen, Pasteten, Braten erhalten. Die Speisen waren in dem Augenblicke, wo sie an die Käufer verabreicht wurden, noch eben so heiß, als in dem Augenblicke, wo sie aus der Küche kamen. Die Wagen, deren Form der der Omnibuswagen ähnlich, hatten nämlich zwei Reihen eiserne Oefen, die beständig geheizt wurden und auf deren jedem einige Dutzend Kasserole sich befanden. An beiden Seiten des Wagens war eine große Tafel befestigt, auf welcher der Preiscourant der Getränke und Speisen verzeichnet war. Am Vordertheil des Wagens war ein eleganter Sitz mit einem leichten Geländer von Gußeisen angebracht, auf welchem eine hübsche, elegante Dame du comptoir saß, die das Geld und die Aufträge der Käufer in Empfang nahm und ihre Befehle an die Demoiselles und Aufwärter ertheilte, welche die Speisen verabreichten. Es gab zwölf solcher Wagen, in jedem Arrondissement einen. Sie hielten in jeder Straße und auf jedem Platze. Später verdoppelte man die Zahl der Wagen und richtete es so ein, daß sie in jeder Straße dreimal anhielten. Der Preiscourant war übrigens ein sehr mäßiger, geringer, als bei jedem andern Speisewirth von Paris.

Als wir im Jahre 1847 während einer studentischen Ferienreise von Deutschland aus Paris besuchten, bestand das Unternehmen noch; was später aus ihm geworden, ist uns nicht bekannt, wahrscheinlich führte die Februarrevolution auch seinen Untergang herbei. Zu gleicher Zeit wurde in Paris von Holländern eine ähnliche Anstalt errichtet, nur mit dem Unterschiede, daß die holländische Gesellschaft sich ihre Aufgabe dahin gestellt hatte, Paris mit guter kräftiger Fleischbrühe zu versorgen. Sie ließ die Bouillon auf ähnliche Weise verkaufen, wie es die Botherel’sche Gesellschaft mit ihren Speisen that: durch fahrende Wagen, welche von früh 10 Uhr bis Abends 9 Uhr Paris nach allen Richtungen durchkreuzten.

W.




Die neueste Moniteurnote wird von der Berliner Volkszeitung in einer so derben, schlagenden Weise zurückgewiesen, daß wir uns es nicht versagen können, einige Stellen daraus mitzutheilen. „Der Pariser Moniteur,“ heißt es, „erlaubt sich wiederum, Deutschland darüber zu belehren, in wie weit es berechtigt ist, gereizt zu sein, in wie weit es verpflichtet ist, sich zu beruhigen und in wie weit es Veranlassung hat, sich mit Unterstützung Frankreichs schönen Hoffnungen auf deutsche Einheit hinzugeben.

„Daß wir alle diese Lehren rundweg von der Hand weisen, versteht sich von selbst. – Läge in diesen Lehren auch eine volle Wahrheit, wir würden sie mindestens unbeachtet lassen, in der Ueberzeugung, daß die Wahrheit befleckt wird durch solche Verkünder. Was auch in der deutschen Nation von Wünschen und Hoffnungen lebt, sie würde sich mit Ekel davon abwenden, wenn die Verwirklichung geboten werden könnte aus solchen Händen, die gegenwärtig in Paris eine der begabtesten Nationen zum leeren Spielzeug der Glücksjägerei und der Corruption herabgewürdigt haben. – Daß die deutsche Nation ihre Einheit schmerzlich vermißt, daran mahnt sie gerade die Frechheit, mit welcher solche Weltbeglücker es vermeinen, sie uns zusichern zu können. Der Moniteur bemüht sich ganz umsonst, uns Lehren zu geben; sind wir auch nicht staatlich geeinigt, so sind wir doch im volksthümlichen Gefühl deutscher Ehre einig genug, um den einstimmigen Ruf zu erheben: Zurück, Ihr glücklichmacherischen Glücksjäger! Eher wird die Zeit kommen, in der wir’s erleben, daß die französische Nation erwacht und ihre Ehre rettet aus der Hand ihrer befleckten Unterdrücker, ehe ein einziges deutsches ehrliches Herz sich verleiten läßt, auch nur die leiseste Hoffnung seiner reinen Wünsche an Euer Lug- und Trugsystem zu knüpfen!

„So würden wir im Sinne und Geist, in Einsicht und Empfinden, im Gefühl und Bewußtsein deutscher Ehre sprechen, auch wenn die Lehren dieses Moniteur an sich wahr wären. Da sie aber an sich Lug und Trug sind, verdienen sie nicht einmal die Sprache redlicher Entrüstung; wir thun genug, wenn wir den Schleier von ihrem Antlitz nehmen und sie nackt hinstellen in ihrer ganzen jammerhaften Gestalt.“

Weiter unten fährt die Volkszeitung fort:

„Als der wirkliche Napoleon die Welt zu erobern ausging, brachte er den Nationen wirkliche Güter der Freiheit, und dennoch haben diese sein Joch nicht ertragen mögen, und die Erinnerung an die Erhebungen unserer Väter sind die anregendsten in unsern Gemüthern. Was Ihr der Welt bringen würdet, das erzählt die ganze Geschichte Eures herrschenden Systems, das ein Abscheu jedes Menschen ist, der die leiseste Spur des Gefühls für Volksrechte und Volksfreiheit hat! – Und doch bildet Ihr Euch ein, es würde irgend ein Volk durch irgend welche Sympathie Euere Lebensexistenz verlängern wollen? – Nun, so verdient Ihr nicht einmal unsere Entrüstung, sondern möget Euch mit der Antwort begnügen, daß in uns die unerschütterliche Ueberzeugung lebt, daß Euere Tage gezählt sind, und der Sturz Eueres Regiments nicht einmal das Glück haben wird, ein tragischer zu sein!“




Herr Dr. Thesmar, der Verfasser des im vorigen Jahre abgedruckten Artikels: „Die Privat-Irrenanstalten“ sendet uns auf die in Nummer 4. unseres Blattes abgegebene Replik der Bonner Aerzte eine Gegenerklärung ein, die allerdings den Beweis bringt, daß die in dieser Angelegenheit oft genannte Frau Geheimräthin Egen doch nicht so geisteskrank war, als die Bonner Aerzte in ihrer Replik angaben, wie denn auch ein Zeugniß ihres jetzigen Arztes, das ausdrücklich von „überstandenem Irrsinn“ spricht, den weitern Beweis liefert, daß diese Dame sich jetzt geistig wohl befindet und ihren Zustand in klarster Weise beurtheilt. Es fehlt uns an Raum, die etwas ausführliche Erklärung des etc. Thesmar in ihrem Wortlaut zum Abdruck zu bringen, und wir begnügen uns deshalb, zumal das betreffende Aktenstück bereits in der Kölner Zeitung, dem Frankf. Journal und andern Zeitungen veröffentlicht wurde, mit dieser kurzen Mittheilung. Interessiren dürfte es unsere Leser noch, daß der von Dr. Thesmar so entschieden angegriffene Lennartz wegen des an W. Franßen aus Xanten verübten Vergehens der Mißhandlung zu einmonatlicher Gefängnißstrafe verurtheilt worden ist. Die gegen Lennartz eingeleitete Untersuchung ist dadurch und zwar in der Art zum Abschluß gekommen, daß der größte Theil der verübten Verbrechen, weil sie länger als drei Jahre vor der Anhebung der Untersuchung zurücklagen, als verjährt angesehen werden mußte.


Mit dem 1. April begann ein neues Quartal der bei Ernst Keil in Leipzig erscheinenden Zeitschrift:

„Aus der Fremde.“
Wochenschrift für Natur- und Menschenkunde der außereuropäischen Welt,
redigirt von A. Diezmann.

Wöchentlich ein Bogen mit und ohne Illustrationen. Vierteljährlich 16 Ngr.

Unsere Zeitschrift beschäftigt sich mit Land und Leuten weit und breit, auf dem ganzen Erdenrunde. Sie gibt nicht Erdichtetes, sondern Wahrheit, aber was sie erzählt, bestätigt gar oft den altbewährten Spruch: „Wirklichkeit ist seltsamer als Dichtung“. Sie gibt nicht trockene Reiseberichte; sie beschreibt vielmehr Erlebnisse in der pikantesten und kleidet ihre Schilderungen in die eleganteste und anmuthigste Form; denn, was gelesen zu werden verdient, soll auch angenehm zu lesen sein. Ihr Feuilleton ist stets reich und neu. – Die große Verbreitung, welche die „Fremde“ seit ihrem kurzen Bestehen gefunden hat, beweist am besten die Gediegenheit des Blattes.

Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_252.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2023)