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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

auf zwölf Pergamentblättern abfassen ließen. Dieses Actenstück enthält nach einer Einleitung den Protest vom 19. April nebst einer Darstellung der vom 19. bis 24. April stattgehabten Vorfälle und schließt mit den Worten:

„Dem allem nach protestiren, recusiren, provociren, appelliren, suppliciren und berufen wir für uns selbst und unsere Unterthanen … von allen obangezeigten Beschwerden, so uns von Anfang dieses Reichstags bis zu Ende, und mit dem vermeinten Abschied begegnet sein, zu und für (an) die Römische Kaiserliche und Christliche Majestät, unsern allergnädigsten Herrn, und darzu an und für das schierst künftige freie christliche gemeine Concilium … und darzu einem jeden dieser Sachen bequemen unparteiischen und christlichen Richter.“ – Sofort reisten die Stände ab, und der Reichstag hatte sein Ende erreicht. Daß im Jahr 1533 ein vorläufiger Religionsfriede zu Stande kam, welchem 1552 der Vertrag zu Passau und 1555 der Augsburger Religionsfriede folgte, sei hier nur beiläufig erwähnt.

Von den kolossalen Gebäuden des Retschers, in dem der Reichstag abgehalten wurde, stehen jetzt nur noch einige Mauern, wie man wissen will, just diejenigen, die den Saal einschlössen, in dem sich die fürstlichen Herren versammelten. Er ward durch die Nichtswürdigkeit des französischen Generals Montelar zerstört, der bekanntlich Speier im Jahre 1689 ohne allen Zweck und Nutzen muthwillig niederbrennen ließ.




Ein Besuch in Bremerhaven und in der Wesermündung.
(Schluß.)
Feuerschiffe. – Die verschiedenen Lichter des Leuchtthurmes. – Der Bremer Leuchtthurm und seine Bauart. – Die Kuppel der Laterne. – In welcher Weise der Schiffer das Licht der Thürme zu benutzen hat. – Der Thurmwärter. – Der Beleuchtungsapparat. – Der Leuchtthurm als letzte Hülfe der Strandenden.

In der Voraussetzung, daß es namentlich den binnenländischen Lesern dieses Aufsatzes erwünscht sein könnte, über Leuchtthürme im Allgemeinen und über den genannten Bremer Leuchtthurm in’s Besondere etwas Genaueres zu erfahren, sei in Nachfolgendem Einiges darüber gesagt.

Wie schon bemerkt, werden Leuchtfeuer an den Meeresküsten oder mitten im Meere an gefährlichen Stellen zunächst deshalb angezündet, um den Seefahrern die nächtlichen Pfade des Meeres weniger zu beleuchten, als anzudeuten. Wie es nur nöthig war, die Tageszeichen verschieden zu gestalten, damit in den unübersehbaren Wasserwüsten der Schiffer den rechten Pfad einschlage, so erforderte die Nacht zu Erreichung dieses Zweckes noch weit größere Vorsicht. Man hat deshalb vor die äußersten Mündungen der Ströme und, wo es nöthig war, auch in dieselben Feuerschiffe gelegt. Die Elbe z. B. besitzt deren drei, von denen das äußerste bei der rothen Tonne, also an der Stelle liegt, wo man annimmt, daß die Elbe sich mit der Nordsee vermählt habe. Diese Feuerschiffe erblickt der Seefahrer entweder gleichzeitig mit dem höher in der Luft sichtbar werdenden Lichte des Leuchtthurmes oder sie treten bald früher, bald später in den Horizont seines Sehkreises. Wie das Licht des oder der Feuerschiffe sich zum Strahlenkerne in der Laterne des Leuchtthurmes stellt, das gibt ihm einen Fingerzeig, nach dem er sich bei Führung des Steuers stets zu richten hat. Oft kommt es vor, daß mehr als ein Leuchtfeuer zugleich in der Ferne sichtbar wird. Dann muß er, vertraut mit den für Seefahrer bestimmten Nachrichten, wissen, wie sich die verschiedenen Lichter im Verhältniß zu ihm, d. h. zu dem von ihm geführten Schiffe, zu stellen haben, wenn er das rechte Fahrwasser nach dem Hafen finden soll, den er anlaufen will.

Damit nun auch hier dem Seemanne sein schwieriger Lebensberuf so weit möglich erleichtert werde, hat man die Lichter auf den Leuchtthürmen verschieden eingerichtet. Es gibt feste, weiße Lichter, die stets einen völlig egalen Schein, gewöhnlich sichtbar auf zwölf, vierzehn, sechzehn, ja bis zwanzig Seemeilen, ausstrahlen, ferner Lichter, die ihre Farbe ändern, wenn der Schiffer beim Ansegeln von dem sichern Fahrwasser um einige Compaßstriche abweicht. Es geht dann gewöhnlich das feste weiße Licht in ein rothglühendes über. Gewahrt der Seemann diese Veränderung, so muß er peilen, die Richtung ändern und dies so lange fortsetzen, bis das rothe Licht dem weißen wieder weicht. Auch hat man sogenannte Drehfeuer, die sich um ihre eigene Achse bewegen und abwechselnd ein weißes, rothes oder auch bläuliches Licht zeigen. Kommen also verschiedene Lichter gleichzeitig bei Nacht in den Gesichtskreis des Seefahrers, so kann er, sei’s aus der Farbe ihres Scheines, sei’s durch die Stellung der Lichter zueinander und zu dem Fahrzeuge, das ihn trägt, immer ganz genau erkennen, wo er sich befindet und welchen Cours er zu steuern hat, um glücklich seinen Bestimmungsort zu erreichen. Ein Wechsellicht ist z. B. das auf der Insel Wangerooge befindliche. Es ist dasselbe so eingerichtet, daß es alle zwei Minuten blitzartig helle, brillant glänzende Strahlen (courtes éclipses) ausströmt, die jedoch nur wenige Secunden sichtbar sind. Der ansegelnde Schiffer gewahrt es gleichzeitig mit dem Lichte des Bremer Leuchtthurmes und dem weiter links sichtbar werdenden Feuer auf dem großen Thurme der Insel Neuwerk in der Mündung der Elbe.

Aus dem Gesagten ersieht man, daß nicht nur die Anlegung der Leuchtthürme, sondern auch deren Erhaltung und namentlich die Pflege des Lichtes auf denselben zu den schwierigsten Geschäften gehört. Der Leuchtthurm soll zuerst den Schiffern ein Zeichen in finsterer oder stürmischer Nacht sein, das ihm von ferne ermuthigend entgegenblinkt und ihm sagt, wo er sich befindet; er soll ihm aber auch, zertrümmern die stürmischen Wogen sein Fahrzeug oder treiben sie es trotz aller Mühe doch auf den Strand, ein bergendes Asyl darbieten. Damit er beiden Zwecken dienen möge, macht er eine ganz eigenthümliche Einrichtung nöthig. Und hier darf wohl der eben erwähnte und eines Besuches werthe Bremer Leuchtthurm als Muster mit aufgestellt werden.

Dieses interessante Bauwerk erhebt sich auf dem „hohen Wege“, wie der Sand an der Mellum genannt wird, an der Stelle der bisherigen Bremer Baake, auf 53°, 42′, 5″ nördlicher Breite und 8°, 14′, 52″ östlicher Länge von Greenwich. Er ist aus Ziegelsteinen, die von einer concaven Steinböschung umgeben sind, durch den Hafenbaudirector in Bremerhaven, J. J. van Ronzelen,[1] erbaut, achteckig und wird in einer Höhe von 34 Fuß über ordinärer Fluth von einer mit eisernem Geländer eingefaßten Terrasse umgeben. Die Erbauung desselben, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann, war mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden, da die Baustelle sich auf einem lockeren Sande mitten im Meere befand und bei jeder Fluth mehr als sechs Fuß hoch vom Wasser überspült ward. Dennoch wurden die unglaublichen Schwierigkeiten in verhältnißmäßig kurzer Zeit glücklich überwunden, und als erst der Grund gelegt und die Mauern bis über ordinäre Fluthhöhe glücklich aufgeführt waren, rückte der Bau seiner Vollendung rasch entgegen.

Die Basis des Grundmauerwerks hat 45 Fuß im Durchmesser, birgt, außer einem geräumigen Keller von 16 Fuß Durchmesser, eine Cisterne, welche 650 Kubikfuß Wasser enthält, und ein parallel mit der Kellerwand laufendes Spargewölbe von 9½ Fuß Höhe und 6 Fuß Breite. Der Eingang zum Thurme besteht aus Werkstücken von belgischen Steinen, die Treppe, welche nach dem Lagerräume führt, aus Sandstein. Die um den Thurm laufende Terrasse hat eine Breite von 4 Fuß und wird von einem gußeisernen Geländer umschlossen. Ueber dieser Terrasse erhebt sich der Thurm in Form einer regelmäßigen achteckigen Pyramide, die in einer Höhe von 93 Fuß abgestumpft ist. Der innere Raum des Thurmes ist rund, sein Durchmesser in der Höhe der Terrasse 16 Fuß, am oberen Ende aber 12 Fuß. Sämmtliche im Thurme befindliche Treppen sind von Sandstein und Freitreppen. Ueber der unteren Terrasse enthält der Thurm fünf verschiedene Etagen, dabei einen Kirchenraum mit Sparheerd etc. Das obere Krongesims umgibt außerhalb der Laterne wieder eine Terrasse.

Die erwähnten Etagen, welche zu Wohn- und Schlafräumen eingerichtet sind, haben eine runde Form, Schränke, Schlafstellen, eiserne Windöfen mit separaten Schornsteinen, die bis oben hinausgehen.

  1. Die detaillirten Angaben, über die Construction des Thurmes, so wie über die Beleuchtungsart sind dessen „Beschreibung des Baues etc.“ entlehnt.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_243.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)