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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 14. 1859.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Walt’s Gott!

Es klang den deutschen Rhein herüber
Ein gnädiges Franzosenwort.
Ward auch des Friedens Himmel trüber,
Die deutsche Sonne scheinet fort.

5
Von Istrien zum Nordseestrande,

Von Memel über Mainz hinaus
Zog stolz ein Wort von Haus zu Haus,
Ein Brudergruß von Land zu Lande:
Wir wollen keine fremde Hand

10
Auf deutschem Volk, in deutschem Land!


Nicht ist’s der Italiener Streben
Nach freier Hand am eignen Heerd:
Wir gönnen jedem Volk sein Leben,
Wenn es des Lebens irgend werth;

15
Nicht eines Fürstenhauses Träumen

Von außerdeutscher Ehr’ und Macht:
Noch schläft viel Gold in deutschem Schacht,
Noch gibt’s genug hier fortzuräumen,
Und Heil der deutschen Fürstenhand

20
Die treu sich müht um’s deutsche Land!


Wir hassen aber Diplomaten
Mit glattem Wort voll Hinterlist,
Für deren Selbstsucht Lügenstaaten
Stets Menschheitswohl der Vorwand ist

25
Es ist für solche Pharisäer –

Ob Diplomat, ob Jesuit –
Das deutsche, ehrliche Gemüth
Ein lichterfüllter Gotteseher:
Da blitzt aus deutschem Volk und Land

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Hell Lutherwort und Blücherhand.


Das deutsche Volk braucht keine Kriege:
Sein Fleiß, der heil’ge Gotteshort,
Führt friedlich es von Sieg zu Siege
Und still die Welt erlösend fort.

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Doch wollt ihr Krieg – in Völkerkämpfen

Sind wir gestählt! Wir sind bereit!
Was noth uns thut – kein Krieg, kein Streit
Kann dieses Ringen jetzt mehr dämpfen:
Denn einiger geht Volk und Land

40
Hervor aus jeder Prüfungshand.


Drum walt’ es Gott, ihr deutschen Brüder!
Was auch die Zukunft noch verhüllt,
Uns stört es nicht; wir haben wieder
Uns als ein einig Volk gefühlt.

45
Wir werden treu und fest uns wahren

Die deutsche Hand, das deutsche Herz,
Und freudig stolz es allerwärts
Des Erdballs Völkern offenbaren,
Daß warm auf deutschem Volk’ und Land’

50
Noch ruhet Gottes Vaterhand.

 A. K.


Das Testament des Verrückten.
Erzählung von J. D. H. Temme.

Ich war als junger Assessor bei einem Land- und Stadtgerichte angestellt, das also auch einen großen Gerichtsbezirk hatte. Besonders nach einer Seite hin lief dieser wie in einen langen schmalen Aermel aus, dessen äußerstes Ende vom Sitze des Gerichts an fünf Meilen entfernt war. An jenem äußersten Ende lag ein großes Dorf im Gebirge, Tiefendorf geheißen. Der Weg dahin führte auch meilenweit nur durch das Gebirge.

Eines Tages erhielt ich eine schleunige Directorialverfügung,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_193.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)