Seite:Die Gartenlaube (1859) 183.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Arth und Immensee herabführen. Diese Linie zeigt, einige Felswände abgerechnet, in ihrem Längenprofil beständig sehr günstige Neigungen von nicht unter 20 und nicht über 45 Grad. Die Länge dieses Tracé beträgt etwa eine Schweizerstunde.

Außer dem Rigi würde noch der vielbesuchte Niesen ein zur Luftbahn sehr günstiges Terrain bieten.

Der Verfasser beweist nun noch, daß seine Luftbahn selbst dem größten Verkehr genügen würde, und schließt sein interessantes Werkchen mit den Worten: „So nehmt sie hin, „die Luftbahn“, beguckt sie, untersucht sie! Mag sie auch mitunter, wie überhaupt alle neuen Gedanken, von Vielen bespöttelt werden, so zweifle ich doch nicht, daß ein großer Theil der Gebildeten zugeben wird, daß die Idee im Princip richtig ist, und daß bei tieferem Eingehen auf den Gegenstand sich immermehr die Ueberzeugung aufdrängt, daß die Ausführung möglich ist.

„Ich kann schließlich nicht unterlassen, nachdrücklich zu praktischen Versuchen aufzufordern, und lade Alle, welche sich für die Sache interessiren, ein, sich auch dafür zu bethätigen. Meinerseits bin ich gerne bereit, mitzuwirken, und könnte nötigenfalls über das Constructive noch weitere, detaillirte Angaben machen.“




Die deutschen Vorschuß-Vereine.
Von Schulze-Delitzsch.

Die glänzende Anerkennung, welche das deutsche Associationswesen auf dem Congresse deutscher Volkswirthe zu Gotha im September vorigen Jahres gefunden hat, bezog sich namentlich mit auf unsere Vorschuß- und Creditvereine, welche, aus Selbsthülfe und Solidarität gegründet, die Aufgabe, dem unbemittelten Gewerbtreibenden das nöthige Capital zu seinem Geschäftsbetriebe zuzuführen, trotz ihres erst so kurzen Bestehens in überraschender Weise gelöst haben. Sie sind eine eigenthümlich deutsche Form der Genossenschaft, welche weder in England, noch in Frankreich vorkommt, und in dem ganz besonders dem deutschen Wesen eignen Streben gegründet, vermöge dessen unsere Handwerker und Arbeiter soviel als möglich ihre vereinzelte gewerbliche Selbstständigkeit zu behaupten suchen und sich sehr schwer zu genossenschaftlichem Gewerbebetriebe für gemeinsame Rechnung entschließen, vielmehr die Genossenschaft, wo es immer geht, nur zur vortheilhafteren Beschaffung der Vorbedingungen eines lohnenden Gewerbetriebes für den Einzelnen benutzen. Daß sie aber eben so fruchtreich, ja unentbehrlich bei weiterer Verbreitung des Associationswesens sein müssen, ist klar, indem die alsdann vielleicht zu erwartende Steigerung des Verkehrs der Productiv-Associationen der Vermittelung von Associations-Banken gar nicht wird entbehren können, wie sich schon jetzt darin zeigt, daß die bestehenden Rohstoff- und Consum-Vereine zu den regelmäßigsten und sichersten Kunden der Vorschußvereine gehören.

Ueber die Einrichtung derselben verweise ich auf mein Schriftchen: „Vorschußvereine als Volksbanken“ (Leipzig, bei E. Keil), welches in einigen Wochen in zweiter, ganz umgearbeiteter Auflage erscheinen wird, sowie auf frühere Mittheilungen in diesem Blatte, da hier nur die Umrisse im Allgemeinsten angedeutet werden können.

Die Vorschußvereine sind überall, ohne Mitwirkung von Capitalisten, durch Zutritt der kleinen Gewerbtreibenden und Arbeiter gegründet, welche sich derselben bedienen wollen, so daß die Kunden zugleich die Träger des Geschäfts sind, welches nur seinen Mitgliedern creditirt, die durch Gründung eines solchen Vereines also ihrem eigenen Bedürfnisse abhelfen. Der Fond wird durch Beiträge derselben und Anlehen von Dritten aufgebracht, für welche letztere Alle solidarisch, d. h. Jeder für das Ganze haften. Zu regelmäßigen Beiträgen sind die einzelnen Mitglieder, meist in Form von Monatssteuern, so lange verpflichtet, bis bei jedem ein festnormirter Betrag, ein Geschäftsantheil, in der Casse gebildet ist, welchem auch bis dahin die Dividenden zugeschrieben werden. Indem man die letzteren nach Höhe dieses Guthabens eines jeden Einzelnen in der Vereinscasse vertheilt, gewährt man den Mitgliedern den größten Reiz zur Verstärkung der Monatssteuern, also zum Sparen, und erreicht auf diese Weise, durch Anspornung des Eigeninteresse’s, die Anfänge eigener Capitalbildung für die Mitglieder viel rascher, als auf jedem anderen Wege, mit ihr aber die Grundlage alles wirthschaftlichen Gedeihens, worauf wir den größten Werth legen. Denn die Leichtigkeit, Credit zu erhalten, ist für den unbemittelten Gewerbtreibenden, wenn nicht das Anwachsen der Deckungsmittel damit Hand in Hand geht, nicht selten ein zweischneidiges Schwert, welches sich wider ihn selbst kehrt. So aber, wo er genöthigt ist, durch allmähliche, ihn nicht belästigende Steuern sich eine Summe anzusammeln, zu welcher noch der Reingewinn des Vorschußgeschäfts (sonst das thatsächliche Monopol der Capitalisten) als Dividende fließt, wird nicht blos für die Bank selbst, dem Publicum gegenüber, in einem den Mitgliedern gehörigen Grundstock, welcher mehr und mehr fremde Gelder entbehrlich macht, ein fester Anhalt, eine sichere Garantie gewonnen, sondern auch für den von dem Einzelnen zu beanspruchenden Credit. Es ist dies ein Vorzug, den unsere Vorschußvereine vor allen ähnlichen Instituten dieser Art voraus haben, der ihre segensreiche Wirkung hauptsächlich bedingt und sie zu einem so wichtigen Hebel für die Hebung der arbeitenden Classen macht.

Zum Belege des Gesagten mögen nun hier von einigen Vereinen die Resultate nach den mitgetheilten Rechnungsabschlüssen in den Hauptbeziehungen eine Stelle finden, wobei auf die verschiedenen Zeitstufen ihrer Entwickelung Rücksicht zu nehmen ist.

Betrachten wir zunächst den ältesten und ersten darunter, den Vorschußverein zu Delitzsch, welcher anfangs, vom Mai 1850 bis zum Herbst 1852, in alter Weise, nach dem kläglichen Almosenprincip organisirt war, von welchem so viele auch jetzt, trotz Wissenschaft und Erfahrung, nicht los können. Man hatte einige hundert Thaler geschenkweise und als unzinsbare Darlehen aufgebracht, die man in kleinen Posten gegen einen äußerst geringen Verwaltungskostenbeitrag auslieh und wobei man das, was nicht unrettbar verloren ging, meist wieder einklagen oder doch sehr mühsam einziehen mußte, bis im Herbst 1852 durch den Obengenannten die Reorganisation nach den jetzigen Grundsätzen erfolgte, welche den meisten später gegründeten zum Muster diente. Es ergeben sich hier folgende Zahlen, wobei alle Summen nur in Thalern ausgerückt sind:

1. Jahr der Wirksamkeit. 2. Mitgliederzahl am Jahresschl. 3. Summe d. im J. gegeb. Vorsch. u. Prolongationen. 4. Guthaben od. Geschäftsantheil d. Mitgl. 5. Reserve. 6. Ganzer Betriebsfond am Jahresschl.
1850–1852 117–30 825 47 108 230
1853 175 8440 195 204 2067
1854 210 15,012 558 235 3560
1855 256 19.810 1548 255 5096
1856 301 24,532 2729 303 6039
1857 350 30,958 3871 368 9784
1858 382 45,197 4830 394 12,987

Hier stellt sich so recht der Unterschied zwischen dem alten Princip der Unterstützung und dem jetzt dem Vereine zu Grunde liegenden der Selbsthülfe heraus. Während in der Zeit vom Mai 1850 bis October 1852 – zwei Jahre und fünf Monate – nur 825 Thaler im Ganzen als Vorschüsse gewährt wurden und die Mitgliederzahl von 117 auf 30 heruntersank: eine solche Steigerung des Verkehrs von 1853 ab mit jedem Jahre! Und dies in einer Landstadt von 5000 Einwohnern mit gewöhnlicher Handwerksindustrie, wo noch dazu die städtische, höchst bedeutende Sparcasse eine gefährliche Concurrenz macht, welche von ihren Gewinnüberschüssen ebenfalls Vorschüsse zu geringeren Zinsen gegen Pfand und Bürgschaft gewährt.

Von großem Interesse ist ferner der Verlauf der Dinge in Eisleben (Bergstadt von 14,000 Einwohnern), wo sich besonders durch die Bemühungen des dasigen ausgezeichnet tüchtigen Geschäftsmannes, Herrn Söngel, ein Vorschußverein ganz in der Art des Delitzscher im Jahre 1854 bildete. Da die Behörde in jener Zeit den Verein für concessionspflichtig achtete und die Concession an höchst erschwerende, jede freie Bewegung lähmende Bedingungen knüpfte, so gestaltete man denselben Anfang October 1856 in eine

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_183.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2023)