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verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Jahren 1853–1855 war der Durchschnittspreis eines Zollcentners in Hamburg 9 Thlr. 16 Sgr.

Hinsichtlich des Werthes unterscheidet man Lothperlen, Barokperlen, Zahlperlen und die ganz kleinen als Saatperlen oder Perlenstaub. Die Lothperlen werden nicht einzeln, sondern nach dem Gewicht verkauft, und dabei bestimmt wieder die Zahl der Perlen, welche auf ein Loth gehen, den Preis eines Lothes. Die Barokperlen sind große, unregelmäßig gestaltete Perlen mit buckeliger Oberfläche. Sie werden mit Verwendung von Gold- und Edelsteinen zu allerhand Figuren verarbeitet. Im Dresdner Grünen Gewölbe finden sich eine Menge derartiger Kleinodien, unter andern ein Männchen, an dem eine sehr große Barokperle den Leib vom Gürtel bis zu den Knieen bildet, seine weiten Pluderhosen darstellend. Die Zahlperlen sind die größten, welche einzeln verkauft und oft zu außerordentlich hohen Preisen bezahlt werden.

Das Gewicht, welches beim Perlenhandel zum Grunde gelegt wird, ist, wie überhaupt bei dem Juwelenhandel, das Karat = 4 Grän. Ein Loth Hamburger Bankgewicht enthält 71 Karat. Nach der Angabe von Möbius bestimmt man den Preis besonders schöner und großer Perlen folgendermaßen. Man kommt zunächst über den Karatpreis der Perle überein, wobei man eine 1 Karat wiegende kleine Perle von derselben Schönheit der Form, Farbe und des Wassers zum Grunde legt. Diesen Werth multiplicirt man mit dem Quadrat des Gewichtes der zu schätzenden Perle, und multiplicirt das gefundene Product nochmals mit 8. Nehmen wir z. B. den Karatpreis zu 1 Thlr. an und das Gewicht der zu schätzenden Perle zu 5 Karat, so ist der Preis derselben fünf mal fünf 1 Thlr. = 25 Thlr. mal 8 = 200 Thlr. Vollkommen runde Perlen vom reinsten Wasser kosten ungefähr: 2 Grän schwer 11/5–1½ Thlr., 3 Grän schwer 3–3½ Thlr., 1 Karat schwer 4½–5 Thlr., 2 Karat 5–6 Thlr., 3 Karat bis 40 Thlr., 4 Karat bis 50 Thlr. Eine einzelne Perle wird weniger theuer bezahlt, als dieselbe in einer Schnur bezahlt werden würde, weil die Zusammengehörigkeit vieler vollkommen gleicher Perlen natürlich den Werth jeder einzelnen erhöht. In Hamburg wird eine Schnur von 70–80 dreikaratigen (ungefähr erbsengroßen) Perlen mit 4 bis 6000 Thlr. bezahlt, also durchschnittlich 70 Thlr. für eine, während eine einzelne davon nicht viel mehr als halb so viel Werth sein würde. Hier ist also der Partiepreis höher als der Stückpreis, während es sonst gewöhnlich umgekehrt ist. Gehen von Lothperlen 2–300 auf ein Loth (zu 71 Karat), so ist sein Preis 100 Thlr., wenn 6–700, nur 50 Thlr.

Die Perleneinfuhr nach Europa ist beträchtlich, obgleich wahrscheinlich eine noch größere Menge in Asien verkauft wird. Von 1837–1855 war die geringste Ziffer der jährlichen Einfuhr in Frankreich 310,400 Franken, die größte dagegen 2,433,000 Fr. In Englind wurden 1853, 1854 und 1855 für 132,212 Pfund Sterling Perlen eingeführt. Paris ist jetzt der hauptsächliche Perlenmarkt Europa’s; für Deutschland ist es Leipzig. Natürlich verschwindet dagegen der Ertrag der Flußperlenfischerei. In Sachsen war der durchschnittliche Jahresertrag von 1730–1804 135 Thlr. (152 Perlen), von 1805–1825 102 Thlr. (122 Stück Perlen) und 1826–1836 81 Thlr. (142 Perlen), also fortwährend im Abnehmen, zuletzt auch der Perlengüte nach. Gleichwohl geben die Flußperlen den Meerperlen an Schönheit zuweilen kaum etwas nach, wenn sie letztere auch nicht an Größe erreichen. Im Grünen Gewölbe zu Dresden befinden sich einige Schnuren von Elsterperlen, welche den daneben liegenden orientalischen wenig nachstehen. Die Herzogin von Sachsen-Zeitz besaß einen vaterländischen Perlenschmuck, welcher einen Werth von 40,000 Thlrn. hatte. Doch verschwinden diese Werthe gegen die Perlenwunder des Meeres. Die größte Perle, welche Tavernier auf seinen vierzigjährigen Reisen durch die Türkei, Persien und Indien bei dem König von Persien fand, war 35 Millimeter lang und 27 Millim. breit, also etwa eirund und kostete 128,000 Thlr. Auf der Londoner Ausstellung 1851 war eine allerdings etwas buckelige Riesenperle von 2 engl. Zoll Länge ausgestellt.

Wir lernten, daß an die krankhafte Verwendung eines Ueberrestes von jenem Baustoff, mit welchem ein auf der Stufenleiter des Systems sehr tief stehendes Thier sein Gehäuse baut, sich eine lange Folge von menschlichen Mühen und Sorgen, Wünschen und Leidenschaften reiht. Vielleicht mußten Tausende von armen Tauchern ihr Leben auf das Spiel setzen, um in Form von kleinen Perlen auf den üppigen Leib eines Nabob ein Capital zu häufen, mit dessen Zinsen hundert Arme den Kummer von ihrem Lager verscheuchen könnten.




Pariser Bilder und Geschichten.
2. Eine aristokratische Republikanerin.

Wie selten kommt im menschlichen Leben die Erscheinung starker Charaktere vor, die allen Wechsel der Schicksale mit Ruhe und Seelengröße ertragen! Die politischen Wogen, welche seit 70 Jahren Frankreich von Zeit zu Zeit überfluthen und manche Höhe erniedrigt haben, mußten nothwendiger Weise auch solche Charaktere hervorbringen. Ohne weitere Theorie will ich lieber gleich ein Beispiel anführen, die Geschichte einer Frau erzählen.

Im Jahre 1850 lernte ich in einem ärmlichen vierten Stocke der Rue Miromenil die siebzigjähre, blinde Madame de Montercy kennen. Wer es nicht weiß, dem will ich es sagen, daß der Name Montercy zu den ältesten und aristokratischsten Namen gehört, daß man erwarten darf, einen Träger dieses Namens in einem prächtigen Hotel des Faubourg St. Germain zu finden, daß man billig erstaunen kann, wenn man ihm in einer ärmlichen Wohnung der Faubourg St. Honoré begegnet. – Die Schicksale, die Madame de Montercy blind, arm, vergessen in die vergessene Mansarde getragen, sind romanhafter Natur, nein, besser gesagt, historischer Natur; und wie ihr Gespräch eine große Geschichtslection, so war ihr ganzes Leben eine Chronik der letzten 70 Jahre.

Madame de Montercy, geborne Mademoiselle de Montercy, war die Tochter des Capitains der Garden im Versailler Schlosse. Diesen hohen Grad nahmen nur Edelleute aus alten Geschlechtern ein. Ihre erste Jugend verbrachte Mademoiselle, nach der Sitte der Zeit, im Kloster der Karmeliterinnen zu Paris; die Klosterdamen des 18. Jahrhunderts gaben den ihnen anvertrauten adeligen Fräulein eine freisinnigere Erziehung, als man heute in manchen bürgerlichen Familien gibt. Der Geist der Aufklärung, der freisinnige Geist des 18. Jahrhunderts, der Geist der Encyklopädisten, mit dem selbst die Könige spielten, den Souveräne, wie Joseph II., selbst au sérieux nahmen, drang durch die Klostermauern und die Klöster selbst lieferten Vertheidiger und Jünger der Aufklärung. In diesem Geiste wurde Mademoiselle de Montercy erzogen. Sie verließ oft das Kloster, um ihre Eltern in Versailles zu besuchen. Dort wurde sie mit der Princesse Lamballe bekannt und endlich, trotz des Altersunterschiedes, intim befreundet. Als die Revolution ausbrach, glaubten die Eltern klug zu handeln, wenn sie ihre Tochter im Kloster, in diesem Hafen der Ruhe, ließen. Aber die Septembertage mit ihren Schrecken klopften auch an die Klosterpforte. Die Nonnen mit ihren Zöglingen flüchteten durch eine Hinterpforte, während die Septembriseurs das Hauptthor stürmten. Aber wohin flüchten? Die Frauen wußten nicht recht, was in der Welt vorging und daß der Krieg allen Klöstern galt; sie flüchteten daher in’s Kloster der Karmeliter, der Mönche, unter deren unmittelbarem Oberbefehl sie standen. Dort angekommen, fanden sie die Mönche, wie sie sich zum Tode bereiteten.

In der That stürmten die Septembriseurs herein und die Frauen und Mädchen hatten das gräuliche Schauspiel anzusehen, wie die Mönche vor ihren Augen massacrirt wurden. Aber da die Septembriseurs es in diesem Kloster nur auf die Mönche abgesehen hatten, konnten sich die Frauen im Getümmel retten. Sie flohen hinaus in das Gedränge der revolutionirten Straße. Sehe jede, wie und wohin sie sich rette! Im Augenblicke sind sie getrennt. Allein und verlassen eilt Mademoiselle de Montercy durch die blutbefleckten Straßen, über Leichname, durch das Gedränge eines wüthenden Volkes, einer flüchtigen, entsetzten Menge. So kommt sie auf den Pont-neuf – und da wird ihr ein Schauspiel, dessen Erinnerung aus ihrem Gedächtnisse sich nie verwischen, das sie noch in ihrer letzten Stunde, mit ihrem letzten Hauche beklagen wird. Sie sieht den schönen Kopf der Prinzessin von Lamballe auf der Pike ihres Mörders; sie sieht den schönen, blassen Kopf, der im Triumph dahingetragen wird. Mademoiselle de Montercy fällt in Ohnmacht, und es ist ein Wunder, daß sie auf dem

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