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verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

großen Schönheiten bereits die Spuren geistiger Zerrüttung an sich trugen.

Jetzt, im Unglücke, sollte auch Hölderlin einen Beschützer an einem deutschen Fürsten finden. Der Landgraf von Hessen bot dem kranken Dichter die geeignete Stelle eines Bibliothekars mit einem kleinen Gehalte an, und Hölderlin war auch scheinbar so weit hergestellt, um seinen Posten antreten und nach Homburg reisen zu können, wo der treue Sinclair durch liebevolle Pflege und Theilnahme ihn vollends herzustellen glaubte. Diese Hoffnungen sollten indeß nicht in Erfüllung gehen; bald zeigten sich von Neuem die Spuren des Wahnsinns, der in Raserei ausartete, so daß der Kranke einer Heilanstalt übergeben werden mußte. Als unheilbar entlassen, fand Hölderlin die liebevollste Aufnahme in der Familie eines wohlhabenden und gebildeten Tischlermeisters, wo er bis zu seinem Lebensende blieb.

Sein Wahnsinn nahm zwar eine mildere Gestalt an, aber nichts desto weniger kehrte seine Vernunft nicht mehr zurück. Theilnahmlos ging er wie ein Schatten durch das Leben; nur die Nachricht von der Befreiung Griechenlands schien ihn aus seinem dumpfen Hinbrüten zu wecken. Bald verfiel er jedoch wieder in seinen früheren Stumpfsinn. – Nur die Muse war ihm treu geblieben; er schrieb und dichtete selbst in seiner Krankheit, wobei die wunderbare Erscheinung sich kund gab, daß die poetische Form und der Rhythmus von ihm streng beobachtet wurde, während er nicht die Kraft hatte, den Gedanken festzuhalten. So schleppte der geniale Dichter ein freudenloses, stumpfes Dasein bis in’s höchste Alter hin. Er starb über 70 Jahre alt am 7. Juni 1843. Seiner Leiche folgten trotz des eingetretenen Unwetters außer den Verwandten viele Studirende und Professoren. In dem Augenblick, wo der Sarg des Unglücklichen in das Grab gelassen wurde, brach die Sonne aus dem dunklen Gewölk hervor. – Der Tod hatte den Dichter von jedem irdischen Jammer befreit und seine Seele schwang sich, erlöst von den Banden des Wahnsinns, aufwärts zur Unsterblichkeit.

Max Ring.




Die Perlen.
Von E. A. Roßmäßler.
Zweite Hälfte: Perlenluxus, Perlenfischerei, Perlenhandel.

Orientalischer Luxus ist eben so sprüchwörtlich, wie man unter orientalischen Perlen stillschweigend „echte“, die besten Perlen, gegenüber den für weniger gut gehaltenen „occidentalischen“ versteht. Edelsteinschmuck ist ein Abzeichen stolzer Pracht, der Perlenschmuck verleiht dem Träger, und wäre es ein Nena Sahib, den würdevollen Glanz, den allein das mit edelm Geschmack gewählte Seltene verleihen kann. Ich weiß nicht, wie weit das Gleichniß in Geltung steht: „Perlen bedeuten Thränen“; jedenfalls trägt es dazu bei, die tiefere Bedeutung derselben, den Edelsteinen gegenüber, auszudrücken. Eine sinnige Symbolik liegt in einem Hochzeitsgebrauche der Indier, welchen Ruschenberger erzählt. Man pflegt dabei eine frische Perle, als Sinnbild der jungfräulichen Reinheit, zu durchbohren.

Wir begegnen dem Perlenluxus zu allen Zeiten und bei allen Völkern, in deren Bereichen sich Perlen finden. Die ältesten Geschichtsurkunden schmücken die Mächtigen der Erde mit Perlen und wenden sie, wie noch heute wir, als Gleichniß des Kostbarsten, Edelsten an.

Am frühesten und am allermeisten war die Perle in Indien ein Gegenstand der Prachtliebe, denn die indischen Gewässer sind auch heute noch am reichsten an den schönsten Perlen. Wenn man weiß, wie beschwerlich die Perlenfischerei ist und daß nur in den wenigsten vom Meeresgrunde heraufgeholten Muscheln sich Perlen finden, dann muß man billig staunen über die unermeßlichen Perlenmengen, von welchen uns die Reisenden berichten, wenn sie die Pracht indischer Fürsten erzählen. Bei den Chinesen wurden schon über 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Perlen, und zwar anfangs Süßwasserperlen, als Tribut gezahlt, und als Columbus den gefundenen neuen Weltlheil betrat, überraschte den mit Undank belohnten dienstbeflissenen Diener seiner Herrschaft der Perlenschmuck der Eingeborenen, die ihn im Golf von Paria bewillkommneten, und in seinem Eifer, die Habgier Spaniens zu füttern, fiel ihm verheißungsvoll des Plinius Entstehungsgeschichte der Perlen ein; denn hier fiel Thau die Menge und an den Wurzeln der Strandgewächse hingen zahllose Muscheln, der fallenden Tropfen gewärtig. Der Tempel in Mexico, in welchem Montezuma sein Nachtgebet verrichtete, strahlte von Goldblechen und Perlen und so fanden des Columbus Zeitgenossen und nächste Nachfolger in den neu entdeckten Landen Perlenluxus und Perlenverehrung überall bereits vor.

Daß bei den Egyptern die Vorliebe für Perlen groß war, haben wir schon durch Kleopatra gelernt. In Griechenland scheinen sie vor des Aristoteles Zeit (geb. 384 v. Chr.) unbekannt gewesen zu sein, während sie bei den Medern und Persern schon nach den Siegen über Crösus (557 v. Chr.) höher als Gold und Edelsteine gehalten wurden. In Rom stieg der Perlenluxus im letzten vorchristlichen Jahrhundert zu einer solchen Höhe, daß die Schriftsteller dagegen eiferten. Julius Cäsar schenkte der Servilia eine Perle im Werthe von 330,000 Thlr. Etwas später, zu Plinius Zeit, trug Lollia Paulina, des Cajus Caligula Gemahlin, bei einer Verlobungsfeier einen Schmuck von grünen Edelsteinen und Perlen, dessen Werth von 2,200,000 Thlr. sie schriftlich beweisen zu können versicherte. Auf den Brustbildern römischer Frauen sehen wir häufig das trilinum, d. i. einen Schmuck aus drei Perlenschnuren, von denen die oberste straff am Halse anliegt und die beiden anderen in sanften Bogen herabhängen. Eine zweifache Schnur hieß dilinum, und eine einfache monile. Um sich vor den feilen Dirnen auszuzeichnen, die sich die beliebten Perlen-Ohrgehänge auch zu erwerben wußten, überboten sie die vornehmen Damen durch crotalia, was man mit Klappergehänge übersetzen könnte, denn sie hießen so nach dem Klappern, was die zwei und drei birnförmigen nebeneinander angebrachten Perlen hervorbrachten und so durch ihr kostbares Getön das nahe Ohr kitzelten.

Doch es würde uns zu weit führen, wollten wir den Perlenluxus überall hin verfolgen. Die aus Amerika kommende Perlenfluth kühlte die Liebhaberei dafür bedeutend ab und die Edelsteine drängten sich für lange Zeit von allen Seiten in die von den Perlen verlorenen Positionen ein. In neuester Zeit aber gewinnen sie ihr altes Recht allmählich wieder, und bei der vor zwei Jahren stattgehabten Krönung Alexanders II. in Moskau war der österreichische Gesandte Fürst Esterhazy mit Perlen übersät, dessen Kleid, selbst die Stiefelschäfte, anstatt mit Gold, mit Perlen gestickt war.

Indem wir nun zu der Perlenfischerei übergehen, haben wir zunächst zu fragen, wo man überhaupt Perlen fischt, und wir ahnen aus dem bisher Gesagten bereits, daß die Perlenmuscheln ein größeres Verbreitungsgebiet haben, als man gewöhnlich glaubt. Vor Kurzem wurde in diesem Blatte das Meer als die Fundgrube eines unermeßlichen Silberschatzes dargestellt; es ist eine solche in viel mehr praktischer Weise auch hinsichtlich der Perlen, denn in den Meeren der heißen Zone und den den Tropengürteln zunächst liegenden bis in die Breiten von Nordcalifornien sind die Perlenmuscheln verbreitet. In noch weiter von dem Erdgleicher entfernten Lagen tritt das Meer die Sorge für die Perlenbildung dem Süßwasser ab, denn z. B. Irland und ganz Scandinavien bis nach Lappland bergen in dem kalten Wasser ihrer Bäche die nicht blos auf Europa beschränkte, sondern auch in Nordamerika lebende Flußperlenmuschel, Unio margatifer.

Die wichtigsten und wahrscheinlich am längsten ausgebeuteten Fischereigebiete liegen jedoch zwischen den indischen Meeren und der Südsee, zwischen den dort liegenden großen Inselgruppen und in der Nähe der Insel Ceylon, namentlich in der Meerenge, welche diese von dem Festlande trennt und wo von 1506 an nacheinander die Portugiesen, Spanier und Holländer den Markt beherrschten. Neben den ceylonischen sind dort namentlich die Fischereien von Bahrein im persischen Golf und Dahalak von Alters her ergibig und berühmt, doch mögen die zahllosen Einbuchtungen des inselreichen indischen Meeres noch viel zahlreichere Fischereiplätze haben, als deren jetzt ausgebeutet werden. Das ganze rothe Meer, vielleicht mit Ausnahme seines gegen den Ocean offenen Theiles, dient den Perlenmuscheln zum Aufenthalt. Jedoch wird von den nördlichen

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