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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

des Gebäudes gewährt wird. Es ist ein Bild, wie ein Paul Veronese, nur mit dem Unterschiede, daß die Figurengruppen in wechselnder Form sich zeigen.

Durch diese mehrfachen points de vue, die unser Künstler in seinen Bau so glücklich zu verweben wußte, hat er demselben eine Elasticität verliehen, die ihn geistig vergrößert und den Beschauer stets mit angenehmen Stimmungen belebt.

An diese Loggia reihen sich längs der nördlichen Fronte des Gebäudes die Cabinete an, die, neun an der Zahl, durch nördliches Seitenlicht beleuchtet werden. Dieselben gewähren durch ihre wohlgeordneten Raumverhältnisse genug Ruhepunkte, um in den Detailgenuß der verschiedenen hier aufgestellten Bildwerke einzugehen. – Am Ende dieser Cabinete tritt man wieder in den westlichen Saal zurück, wandert durch den Porticus in den Zwischenraum und von hier die Stufen aufwärts nach den Kupferstichcabineten, welche sich längs der nördlichen Fronte in dem oberen Theile des Gebäudes, da, wo die geringere Höhe der Cabinete einen Raum ermöglichte, ausbreiten. Eine reiche, nach kunstgeschichtlicher Entwickelung geordnete Sammlung von Kupferstichen hat hier ihren Anfang genommen und wird sich demnächst an den verschiedenen Wänden dieser Räumlichkeiten fortsetzen.

Durchsicht vom Westsaal aus.

Diese Sammlung bildet dereinst eine Gallerie für sich, die zum Studium der Kunst nicht günstiger angelegt werden konnte. Nicht allein diese Sammlung, sondern zugleich auch ihre kunstgerechte Aufstellung verdanken die Leipziger einem ihrer wackersten Mitbürger, Herrn Lampe, der seine höchste Freude darin sieht, die Wohlthaten, welche ihm seit Jahren der Kunstgenuß gewährt, seinen Nächsten näher zu bringen.

Diese Räume verlassend, schlägt man durch dieselbe Treppe seinen Rückweg ein, kommt durch den Porticusraum zum Kuppelsaale, zur Treppe, dem Vestibule und verfolgt seinen Weg in directer Linie nach dem Mittelsaale des Kunstvereins, durch welchen man in die drei Säle für plastische Werke gelangt. Von diesen drei Sälen ist der größere, mittlere um einige Stufen tiefer gelegt, wodurch diesem Saale ein schönes Verhältniß und dem Ganzen eine übersichtlichere Perspective gewährt wird.

Von dem letzteren Saale tritt man durch die untere östliche Loggia in den großen Parterresaal, welcher wohl bestimmt sein dürfte, einer Sammlung von Cartons von verschiedenen Meistern Raum zu bieten. –

Eine wohlthätige Einrichtung ist es, daß das ganze Gebäude durch eine circulirende Wasserheizung auch für den Winter ein freundliches Asyl bietet, sich hier in heiterem Leben ergehen zu können.

Der hohe, durchaus gewölbte Unterbau des Gebäudes bietet noch verschiedene Räume, eine Wohnung für den Custos, desgleichen für den Hausmeister, und können außerdem eine Reihe Gewölbe für reale Zwecke abgegeben werden.

Resumirt man sich unwillkürlich den Eindruck des Inneren des Gebäudes, so verbleibt ein sehr wohlthätiges Gefühl in der Erinnerung; wie musikalische Harmonie, so wirken hier die wohlgeordneten Räume.

In keiner Weise konnte unsere Zeit ein sichereres Zeugniß ihrer höheren Gesittung an den Tag legen, als daß sie bei den dermaligen gewaltigen Anregungen für industrielle Unternehmungen, bei dem Gewicht der materiellen Interessen auch der edlen Neigung nach Offenbarung der Seele, Kunst und Poesie, durch die Ausführung dieses Werkes Ausdruck zu geben wußte, einen Ausdruck, der durch lebhafte Anregung zur Kunst auf die Veredelung der Gewerbe eine nachhaltige Wirkung ausüben wird. – Wir glauben dieses um so mehr voraussetzen zu können, da dieser Bau bei seiner gewählten und vollendeten Form so ganz das Wesen an sich trägt, wodurch die Kunst sich heimisch macht, und das in seinen Räumen jeden Insassen mit dem Bewußtsein erfreut: auch ich habe meinen Theil daran!




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_145.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)