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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

No. 10. 1859.

Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Der Hahn von Gallien hat gekräht![1]

Der Hahn von Gallien hat gekräht;
Wacht auf!
Reibt Euch die Augen, eh’s zu spät,
Wacht auf!

5
Eh’ sich sein stolz Gefieder bläht,

Und ihm sein falsches Spiel geräth,
Wacht auf, wacht auf, wacht auf!

Du Kaiseraar, Du Königsaar,
Wach auf!

10
In Deinen Horsten, stolzes Paar,

Wach auf!
Laß Deine Schwingen leuchten klar,
Das Vaterland ist in Gefahr,
Wach auf, wach auf, wach auf!

15
Wirf Deine Mähnen, Welfenroß,

Wach auf!
Schäum’ in’s Gebiß, Du Kampfgenoss’,
Wach auf!
Beiß in die Zügel, beiß in’s Schloß,

20
Die Hufen zeig’ dem feilen Troß,

Wach auf, wach auf, wach auf!

Heb’ Deine Tatzen, Kattenleu,
Wach auf!
Brüll’ um das ganze Truggebäu,

25
Wach auf!

Zeig Dich dem Rechte Deutschlands treu,
Die alte Ehre, mach’ sie neu,
Wach auf, wach auf, wach auf!

Du weißer Falk, wohlauf zum Stoß,

30
Wach auf!

Aus Deiner Wälder grünem Schooß
Wach auf!
Schieß in die Luft und mach’ Dich los,
Es dünken kleine Kräh’n sich groß –

35
Wach auf, wach auf, wach auf!


Du Bär von Bernburg, alt und braun,
Wach auf!
Dein Brummen wird die Welt erbau’n,
Wach auf!

40
Was Fänge, Tatzen hat und Klau’n,

Das soll dem Hahn die Federn krau’n,
Wacht auf, wacht auf, wacht auf!

Nun kräh’ Du nur am Seinestrand,
Wacht auf!

45
Hier steht ein Volk und hebt die Hand,

Wacht auf!
Und hebt die Hand, zum Streit bemannt
Für Freiheit, Recht und Vaterland,
Wacht auf, wacht auf, wacht auf!


Onkel Fabian.
Ein Lebensbild von Ernst Fritze.
I.

Der Regierungsrath von Sieveringk saß in seinem elegant ausgestatteten und mit allen Bequemlichkeiten versehenen Zimmer vor dem Schreibtische, jedoch ohne zu schreiben, und schlürfte mit dem Behagen, welches nur ein Epikuräer zu empfinden vermag, seinen aromatisch duftenden Mokka. Es war schon zehn Uhr vorbei, aber noch herrschte die Stille der Nacht in seinem Haushalte, und er schien, außer der Bedienung, der Einzige zu sein, welcher von den Freuden der Sylvesternacht ausgeschlafen hatte.

Herr von Sieveringk, ein Mann von funfzig Jahren, noch

  1. Von unserm Mitarbeiter Jul. Rodenberg, der soeben unter dem Titel: „Deutsche Antwort auf die welsche Frage“ ein Heft politischer Gedichte bei C. Rümpler in Hannover erscheinen ließ.
    D. Redakt.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_133.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)