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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Blätter und Blüthen.


Hausthiere als Wetterpropheten. Ein Freund meines Vaters, welcher diesem als scharfer Beobachter bekannt wurde, gibt folgende merkwürdige Mittheilungen über unsere von allen Frauen bitter gehaßte Zimmerspinnerin und blos auf unseren Nutzen bedachte Kammerjägerin, die Haus- oder Winkelspinne.

„Die Hausspinne, deren künstliches Gewebe man gewöhnlich in einem Winkel des Zimmers antrifft, besitzt ein äußerst feines Gefühl und scharfes Augenmaß. Die Aeußerungen des einen, wie des anderen oder beider zusammen können dem emsigen und scharfen Beobachter zur sicheren Vorausbestimmung der Witterung dienen, und zwar nicht blos auf Stunden und Tage, sondern auf ganze Monate hinaus: selbstverständlich nur im Allgemeinen. Es kommt einzig und allein darauf an, die Spinne so oft als möglich beobachten zu können; und es ist deshalb zweckmäßig, eine Spinne, welche sich in möglichster Nähe des Arbeitstisches eines Beobachters ansiedelt, nicht zu stören oder auch nur zu beunruhigen.

Ich will versuchen, meine auf die sorgfältigsten Beobachtungen von Jahren gestützten Erfahrungen über diese merkwürdigen Thiere in möglichster Kürze mitzutheilen, und bin gern bereit, auf Verlangen genauere Auskunft zu ertheilen.

Wenn sich eine Spinne an einem günstig gelegenen Orte angesiedelt hat, so muß man sich zunächst mit ihr bekannt zu machen suchen. Man geht deshalb oft an ihrem Netze vorüber, sieht sie im Vorbeigehen scharf an, bleibt später stehen, betrachtet sie, und verweilt dann immer länger und länger in ihrer Nähe, bis sie keine Furcht mehr zeigt, und sich nicht mehr in ihrer Höhle verbirgt. Bleibt das Thier endlich bei Annäherung des Beobachters ruhig und furchtlos auf ihrem Gespinnste sitzen, so können die Beobachtungen beginnen. Zuvörsderst hat man nun aber noch auf das verschiedene Alter der Spinne Rücksicht zu nehmen, d. h. sich zu vergewissern, ob man es mit einer ein- oder zweijährigen zu thun hat, da die sogleich zu beschreibenden Handlungen alter oder junger Spinnen verschiedene Zeiten anzeigen. Die vorjährige Spinne zeigt das Wetter des kommenden elften, die diesjährige des kommenden neunten Tages an.

Sitzt nun eine alte Spinne in ihrem Netz vor der Höhle desselben mit gerade ausgestreckten Füßen, so ist den elften Tag darauf schönes, trockenes Wetter; sitzt sie mit halbem Körper oder mit halb angezogenen Füßen in der Höhle, so ist derselbe Tag unveränderlich; sitzt sie umgekehrt, mit dem Hintertheile nach der Stube und mit dem Kopfe nach dem Winkel zu, so regnet es den elften Tag gewiß. Bei jungen Spinnen bedeuten diese verschiedenen Stellungen immer den neunten Tag.

Sitzt im ersten Falle die Spinne auf schönes Wetter und verändert sie plötzlich ihren Sitz, ohne irgend eine äußere Veranlassung, so tritt um dieselbe Stunde des elften (oder neunten) Tages dasjenige Wetter ein, welches sie anzeigt (Regenschauer, Gewitter etc.). Ist die Spinne eifrig bemüht, Löcher in ihr Netz zu reißen, so deutet dies für dieselbe Stunde des elften Tages auf Sturm. Bei fortgesetzter Beobachtung kann man auch erfahren, wie lange derselbe anhalten wird.

Im Frühling oder im Herbst verlassen die Spinnen oft ihr Netz und laufen unruhig umher. In diesen Zeiten kann man so glücklich sein, den Verlauf des Wetters während des nächsten Sommers oder bezüglich Winters ziemlich sicher zu bestimmen; man muß aber sehr genau beobachten, viel Geduld haben und Alles sorgfältig aufschreiben, denn die nunmehr zu erwähnenden Prophezeiungen. treffen erst genau nach der elften Woche ein. Nur selten ist man so glücklich, die bezüglichen Beobachtungen vom Anfange bis zum Ende ausführen zu können; dies schadet auch Nichts; es genügt, das allgemeine Gepräge der folgenden Witterung kennen zu lernen. Man hat hauptsächlich auf Folgendes zu achten:

Läßt sich irgend eine Spinne von der Decke des Zimmers oder irgend eines erhabenen Gegenstandes herab, so gebe man Acht, wenn sie aufhört zu spinnen, ruhig hängen bleibt oder wieder aufwärts läuft. Je länger der Faden ist, an welchem sie spinnt, um so trockener wird die Luft, oder um so wärmer wird der Sommer, um so kälter der Winter sein. Läuft die Spinne, wie öfters geschieht, wieder in die Höhe, so stellt sich feuchte Luft (Regen oder Schnee) ein; läßt sie sich wieder herab, so folgt von Neuem trockenes Wetter. Man schließt aus diesen wiederholten Bewegungen des Thieres mit ziemlicher Sicherheit auf die Veränderungen des Wetters.

Will man dieselben aber genau kennen, so nehme man nur gleich Stuhl und Tisch zu Hülfe, lasse sich Essen auftragen und waffne sich mit vierundzwanzigstündiger Geduld. Man theile nur die Höhe vom Netze bis zum Fußboden in elf gleiche Theile ein, von denen jeder einzelne in den Augen der Spinne eine Woche bedeutet, und merke sich nur für jeden genau an, was die Spinne innerhalb desselben vorgenommen hat. Hat sie z. B. von der Decke. der Stube herabgesponnen, und läuft vom fünften der elf Theile an wieder aufwärts, so stellt sich sicher in der 5. + 11. = 16. Woche feuchte Luft und im Winter wahrscheinlich Thauwetter ein.“

So weit unser Berichterstatter. Wir haben gar keinen Grund, die Richtigkeit seiner Beobachtungen vor Erlangung von Gegenbeweisen zu bezweifeln, und laden deßhalb alle Freunde solcher Beobachtungen zum Studium der Spinnen ein. Einige anderweitige Erfahrungen über die Vorausahnung der Witterung durch höhere Thiere sollen demnächst hier folgen.

Dr. Brehm. 




Fürst Talleyrand, dieses Vorbild aller Diplomaten der alten Schule, welcher das bekannte Wort gesprochen „die Sprache ist da, um die Gedanken zu verbergen,“ ein Grundsatz, welcher genügend die ganze Politik dieses Mannes und der ihm folgenden diplomatischen Schule charakterisirt, ist bekannt als ein feiner satirischer Kopf, dessen beißende Bemerkungen sehr gefürchtet waren. Wir wollen hier einige weniger bekannte, die wir in den Memoiren eines französischen Staatsmannes finden, wiedergeben.

Man kennt die Unverschämtheit, mit welcher sich die Emigranten nach der zweiten Restauration bei der Regierung Ludwig XVIII. um Aemter und Sinecuren bewarben und für ihre Ansprüche oft die nichtigsten Gründe aufstellten. Einer dieser Herren kam denn auch eines Tages zu Talleyrand, damals Minister der auswärtigen Angelegenheiten und bewarb sich um eine diplomatische Stellung.

„Ich möchte Ihnen von Herzen behülflich sein,“ sagte der Fürst zu dem Supplicanten, „wenn Sie nur irgend beweisen könnten, auf welche Dienstleistung Ihre Anforderung sich stützt.“

„Ich habe mich 1815 nach Gent begeben.“

Gent war bekanntlich der Ort, wohin Ludwig XVIII. bei der Rückkehr des Kaisers von Elba flüchtete und wohin ihm eine Anzahl Royalisten, die dies später für eine Großthat erklärten, folgten

„Nach Gent?“ entgegnete der Minister. „Sind Sie dessen vollkommen gewiß?“

„Wie gewiß?“

„Sagen Sie mir offenherzig: sind Sie dahin gegangen oder sind Sie nur von daher gekommen?“

„Ich begreife nicht –“

„Sehen Sie,“ lächelte Talleyrand fein, „ich war in Gent. Wir waren dort im Ganzen sieben- oder achthundert, nicht mehr. Und soviel ich weiß, sind schon mehr als fünfzigtausend von dort hergekommen.“

Als er noch in der gesetzgebenden Versammlung (1789) saß, hatte er eines Tages eine heftige Discussion mit dem Grafen Mirabeau, der ausrief:

„Ich will Sie mit einem anrüchigen Kreis umgeben!“

„Wie, wollten Sie mich vielleicht umarmen?“ entgegnete Talleyrand auf der Stelle.

Eines Tages war er in den Tuilerien, wo bei Ludwig XVIII. große Aufwartung war. Während der König sich mit dem englischen Gesandten unterhielt, bemerkte ein Hofmann, daß Talleyrand beständig seine Augen auf den seiner Magerkeit wegen auffallenden badischen Minister Hrn. v. F. geheftet hielt, Auf die Frage, warum er denselben so starr und bedenklich ansehe, entgegnete er:

„Herr von F. setzt mich in die größte Verlegenheit. Ich mag forschen, wie ich will, es ist mir unmöglich, zu errathen, ob er drei Beine hat oder ob er drei Degen trägt.“

K. W. 




Gottfried Kinkel schließt einen Artikel: „Unsere Muttersprache“ in der neuesten Nummer seines „Hermann“ sehr schön, und wir möchten diese Worte den vielen Tausenden unserer Leser in Amerika, Rußland, Frankreich, Holland, Dänemark und Schweden namentlich den Müttern tief in’s Herz hineinprägen:

„Wir Deutsche im Auslande, was thun wir?

Wenn ich so frage, so meine ich nicht, daß wir in England oder Amerika uns der Kenntniß der englischen Sprache verschließen sollen. Das ist kein Nationalgefühl was aus Faulheit stammt. Im Gegentheil es ist frevelhaft, wenn der deutsche Arbeiter nur in deutscher Clique zusammenhält, wenn der Flüchtling oder Auswanderer es thöricht verschmäht, in der fremden Sprache das sicherste Mittel ehrlichen Erwerbes zu erringen, und wir haben nur Mitleid, aber kein Lob für den trägen Mann, dem nichts in der Fremde gelingt, weil seine Unwissenheit ihn immerdar zum lächerlichen Spielzeug jedes Gauners verdammt. Wer in England leben will, der lerne zuerst Englisch, nicht ein paar Redensarten, die nöthig sind, um hinter Yes und No die eigne Nationalität zu verstecken, sondern in dem vollen Umfang, der ihm zur Führung seines Geschäfts nothwendig ist. Dazu ist überall Gelegenheit; wir freuen uns, zu sehen, daß hier in London der Arbeiter-Bildungsverein einen unentgeltlichen Unterricht im Englischen durch einen wissenschaftlich gebildeten Mann empfängt; und in allen andern Städten dieses Landes stehen uns in den Mechanics' Institutes englische Abendclassen für ein Eintrittsgeld offen, das auch den Arbeiter nicht drücken kann, – Was aber soll man von deutschen Familien halten, die an ihrem eignen Heerde die Sprache der Heimath verleugnen?

Erhalte, o Deutscher in England und überall, deinem Kinde die edelste Mitgift des Vaterlandes! Last dich nicht von deinem Knaben, der die englische Schule besucht, auf das Gebiet der fremden Zunge verleiten! Bewahre deiner Tochter, du deutsche Mutter, den reichsten Schatz menschlicher Bildung, indem du ihr die Sprache rettest, in welcher Goethe und Schiller reden!

Wer seine Sprache verleugnet, der verleugnet seine Nation. Der Tag kommt, und viele von denen, die heute leben, werden ihn sehen, wo es in der Fremde ein Stolz sein wird, ein Deutscher zu heißen. Es ist leicht, ein Vaterland zu lieben, wenn es groß und mächtig die Welt beherrscht; einen rechten Charakter aber schätzt man danach, ob er die Mutter noch ehrt in ihrer Armuth und Niedrigkeit.“




Mit dem 1. Januar begann ein neues Quartal der bei Ernst Keil in Leipzig erscheinenden Zeitschrift.
„Aus der Fremde.“
Wochenschrift für Natur- und Menschenkunde der außereuropäischen Welt,

redigirt von A. Diezmann,

Wöchentlich ein Bogen mit und ohne Illustrationen. Vierteljährlich 16 Ngr.




Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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