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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

werden auch großen gefährlich und dadurch der Teichfischerei sehr nachtheilig. Zum Beweis für diese Behauptung erlaube ich mir, dem geneigten Leser eine alte Geschichte zu erzählen.

Vor einigen dreißig Jahren wurden im Frühjahr in dem Hainspitzer See bei Eisenberg mehrere Karpfen von 1 Pfund Gewicht und darüber gefunden, welchen die Augen und das Gehirn ausgefressen waren. Einigen von ihnen fehlte auch am Körper hier und da etwas Fleisch. Diese merkwürdige Erscheinung kam im Kahlaischen Wochenblatte zur Sprache und veranlaßt einen heftigen Streit zwischen zwei Gelehrten einer benachbarten Stadt, indem der Eine von ihnen behauptete, die Teichfrösche seien es, welche sich den Fischen auf die Köpfe setzten, ihnen die Augen auskratzten und das Gehirn ausfräßen. Dies wurde von denen geglaubt, bei welchen die Frösche überhaupt in schlechtem Rufe stehen. Diese geben nämlich dem unschuldigen Grasfrosche schuld, daß er den Flachs nicht nur verwirre, sondern auch ihn und den Hafer fresse. Auch unser alter ehrwürdiger Blumenbach wurde mit in den Streit gezogen, weil er in seiner Naturgeschichte sagt, die Frösche fräßen Fische, ja sogar Sperlinge. Der Gegner vertheidigte die Teichfrösche mit Geschick; allein ihr Ankläger war nicht so leicht aus dem Sattel zu heben. Er brachte die von der Haut gereinigten Knochen der Froschkinnladen in einer Abbildung zur Anschauung und suchte aus ihnen das Gefährliche der Teichfrösche zu beweisen. Endlich wurde auch ich ersucht, meine Stimme in diesem Streite abzugeben. Ich zeigte, um die Unschuld, den guten Namen und die Ehre der Frösche zu retten, die Unmöglichkeit des ihnen schuld gegebenen Verbrechens, da es ihnen gänzlich an Mitteln gebricht, dasselbe auszuführen; sie haben weder Nägel, um ein Auge auszukratzen, noch Zähne, die fähig wären, den ziemlich harten Kopfknochen eines großen Karpfen zu zerbeißen. Die Kinnladen und das Maul eines Frosches ähneln denen eines Ziegenmelkers. Wie dieser die Insecten wegschnappt und in seinen weiten Schlund versenkt, so fängt der Frosch die Insecten und kleineren Fische und verschluckt sie. Allein große Fische umzubringen, vermag er nicht. Ein Schultheiß der hiesigen Gegend behauptete zwar, beobachtet zu haben, daß ein Frosch einen großen Karpfen verzehrt habe; allein er mußte später gestehen, daß er den Frosch nur auf dem halbverfaulten Fische habe sitzen sehen.

So war denn die Unschuld der armen Frösche in das hellste Licht gestellt. Allein der Mörder der pfundigen Karpfen blieb unbekannt. Um nur etwas zu sagen, äußerte ich die Vermuthung, daß vielleicht die großen Wasserkäfer das Unheil angerichtet haben könnten, allein es war mir sehr unwahrscheinlich, und die Sache blieb im Dunkeln.

Ich wußte zwar, daß, wie oben bemerkt wurde, die Wasserspitzmäuse Fische fangen und ihren Laich begierig aufsuchen„ Ein Freund von mir in der Nachbarschaft bemühte sich sehr um die Forellenzucht, indem er diese künstlich aus Eiern in Kasten erzog. Hier hatte er oft mit Wasserspitzmäusen zu kämpfen. Er fand theils die Eier, theils die kürzlich ausgekrochenen Forellchen aufgezehrt, und kannte lange Zeit ihren Feind nicht, bis er eine Wasserspitzmaus bemerkte, welche durch eine sehr kleine Oeffnung unter dem Deckel des Kastens in denselben kroch und die Verwüstung anrichtete.

Auch hatte ich bei einer eingefangenen Wasserspitzmaus, welche ich lebendig besaß, die mörderische Natur derselben kennen gelernt. Die Gießkanne, in welche ich sie gesetzt hatte, war unten drei Zoll hoch mit Wasser bedeckt; ein Bretchen schwamm darin, damit die Maus einen trocknen Sitz habe. Auf dieses sprang sie, putzte sich und ruhte aus. Wenn Jemand in die Gießkanne hinein sah, flüchtete sie sich in die Röhre, in welcher sie so lange verweilte, bis sie sich außerhalb derselben für völlig sicher hielt. Ich fütterte sie mit Insecten aller Art. Einst warf ich ihr eine kürzlich getötete Ackermaus in ihr Behältniß, und sah mit Verwunderung, wie sie auf sie sprang, sich mit den Nägeln der Vorderfüße an sie festhielt, an den Seiten der Brust mit ihren scharfen Zähnen zu nagen anfing, und ihr in kurzer Zeit das Herz aus dem Leibe fraß. Auch das wußte ich, daß die Wasserspitzmäuse kleine hingeworfene Knochen von Tauben und anderen Vögeln wie die Hunde benagen. Dennoch glaubte ich nicht, daß sie es seien, welche große Fische mörderisch anfallen, bis mir der Beweis davon in die Hände kam.

Ein Bauergutsbesitzer des hiesigen Kirchspiels zieht in seinen Teichen schöne Fische und hatte im Herbste 1829 in den Brunnenkasten vor seinem Fenster, welcher wegen des warmen Quellwassers, das reichlich in ihn fließt, niemals zufriert, mehrere Karpfen gesetzt, um sie gelegentlich zu verspeisen. Der Januar 1830 zeigte eine Kälte von 22°, welche fast alle Bäche mit Eis bedeckte, eine bedeutende Strecke der Roda aber und jenen Brunnenkasten offen ließ. Eines Tages fand der Besitzer zu seinem großen Verdrusse einen Karpfen todt im Brunnenkasten, welchem die Augen und das Gehirn ausgefressen waren. Er warf den Fisch der Katze vor, und hatte nach einigen Tagen den Aerger, einen zweiten, auf ähnliche Weise zu Grund gerichteten anzutreffen. Auf diese Art verlor er mehrere Fische. Endlich bemerkte seine Frau, daß gegen Abend eine schwarze Maus an dem Kasten heraufkletterte, im Wasser herumschwamm, sich einem Karpfen auf den Kopf setzte, mit den Vorderfüßen sich an ihn festklammerte und, ehe sie im Stande war, das etwas zugefrorene Fenster zu öffnen, dem Fische die Augen ausgefressen hatte. Endlich war das Oeffnen des Fensters gelungen, und die Maus wurde zum Fliehen gezwungen, allein kaum hatte sie den Kasten verlassen, so wurde sie von einer vorüberschleichenden Katze gefangen, dieser wieder abgenommen und mir überbracht. Es ist unsere Wasserspitzmaus, und wird von mir mit einem Zettel, auf welchem ihr Verbrechen angemerkt ist, sorgfältig aufgehoben. So waren denn durch eine Frau die Mörderinnen der Karpfen im Hainspitzer See entdeckt, welche ohne ihre Aufmerksamkeit vielleicht heute noch unbekannt wären. Man sieht hieraus, wie wichtig es in Bezug auf die Naturwissenschaften ist, wenn auch gemeine Leute sich um das Betragen der Thiere bekümmern, was überall geschehen wird, wenn sie die nöthige Anleitung dazu erhalten. Ich kann mich rühmen, den Sinn für Naturbeobachtung nicht nur in dem hiesigen Kirchspiele, sondern auch in der ganzen Umgegend geweckt zu haben, was auch für mich von großem Nutzen gewesen ist und mir zu schönen Erfahrungen verholfen hat. –

Noch muß ich bemerken, daß die von mir aufbewahrte Wasserspitzmaus nicht die einzige war, welche jenen Brunnenkasten heimsuchte. Es kam eine und die andere nach ihr, was den Besitzer bewog, einen vergifteten Karpfenkopf in den Kasten zu legen und damit diese Spitzmäuse umzubringen. Es ist nun nicht unwahrscheinlich, daß diese kleinen Fischfeinde große Fische, besonders im Winter, anfallen, weil es ihnen in der kalten Jahreszeit an anderer Nahrung fehlt. Dafür spricht die eben erzählte Begebenheit und der Umstand, daß man im Frühlinge, als das Eis aufgethaut war, die getödteten Karpfen im Hainspitzer See fand. Doch verkenne ich nicht, daß es schwer zu begreifen ist, wie die Wasserspitzmäuse zu den im Winterlager befindlichen Karpfen gelangen und sie umbringen können. Vielleicht hat der genannte See, den ich nicht genau kenne, Stellen, welche im Winter nicht zufrieren und von den Karpfen, um luftfrischeres Wasser zu haben, aufgesucht werden. Ist dieses der Fall, dann wäre die Schwierigkeit sogleich hinweggeräumt. Jedenfalls verdient dieses luchsartige Morden der kleinen Mäuse genauer beobachtet zu werden. Ich erlaube mir, die geehrten Leser dieser Blätter dazu zu ermuntern.



Bilder aus dem Seeleben.

Ein tragisches Ereigniß hat in jüngster Zeit alle Gemüther erschüttert. Die Zerstörung des Hamburger Dampfschiffes „Austria“ durch Feuer hat eine so große Zahl von Opfern gefordert, wie selten der Untergang eines Schiffes. Die Trauerkunde hat durch die Presse eine so allgemeine Verbreitung gefunden und ist so vielfach und ausführlich besprochen, daß sie einer nochmaligen Wiederholung nicht bedarf. Zugleich hat jedoch diese traurige Veranlassung das allgemeine Interesse auf einen Gegenstand gelenkt, dem zwar in der Neuzeit öfter, als früher, die Aufmerksamen des Publicums zugewandt, der jedoch noch nicht so bekannt ist, als seine Wichtigkeit für das gemeinsame Vaterland verdient.

Dies ist die Schifffahrt Deutschlands, die in dem letzten Jahrzehnt einen so bedeutenden Aufschwung genommen und dadurch indirect alle Schichten der Bevölkerung mehr oder minder berührt hat. Deutschlands Handel zur See hat sich in jenem Zeitraume verdreifacht, eine Erscheinung, die einzig in der Welt dasteht. Seine Schiffe bedecken alle Meere und diese Thatsache läßt uns hoffen, daß unser Vaterland bald denjenigen Antheil am Welthandel nehmen

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