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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

jetzt noch Beifall abzugewinnen. Mengs, der freilich später seine Bilder schuf, hat gezeigt, daß man diesen spröden und ungefälligen Farben doch ein ziemlich kräftiges und markiges Colorit abgewinnen kann. Der Kopf seines Vaters und sein eigener jugendlicher Kopf sind meisterhaft; der berühmte Amor nicht minder.

Doch zurück zu Rosalba Carriera! – Sie verließ Venedig und reiste an den Höfen Frankreichs und Deutschlands umher. Ueberall krönte der Ruf ihre Schöpfungen, man riß sich um ihre Bilder. Die Fürsten gaben ihr Feste, die Akademien nahmen sie zu ihrem Mitgliede auf. So kam sie denn auch nach Sachsen.

Der Hof August des Starken war der Vereinigungsplatz alles dessen, was das damalige Europa Interessantes, Schönes und Kunstfertiges hatte. Italien sandte seine Sängerinnen, Spanien seine Hidalgo’s und Abenteurer; aus Polen strömten die Courtisanen herbei, aus Frankreich die schönen Geister. Selbst Schweden gab eine seiner lieblichsten Töchter, um den Hof dieses nordischen Augustus zu schmücken, – die reizende Aurora Königsmark; doch sie ist es nicht, von der hier gesprochen werden soll, denn ihre Zeit war vorüber, sie hatte sich schon in die Mauern der Abtei von Quedlinburg zurückgezogen.

An Aurora von Königsmark’s Stelle herrschte zu jener Zeit die Gräfin Cosel. Sie stand eben im Zenith ihrer Macht.

Als sie vernahm, daß eine Künstlerin, und noch dazu eine Venetianerin, sich den Mauern Dresdens nähere, wurde sie ungeduldig und argwöhnisch, allein sie beruhigte sich, als sie hörte, daß die Künstlerin nicht mehr jung und nichts weniger als schön sei. Jetzt war sie die Erste, die den König bat, sich von ihr malen zu lassen.

König August empfand wenig Lust, diesem Wunsche der Gräfin zu willfahren. Er hatte sich erst kurz vorher von dem berühmten Sylvestre abkonterfeien lassen, und er wußte, wie lästig ihm die wiederholten Sitzungen gewesen waren; auch bemerkte er der Gräfin, daß sie bereits zwölf Bildnisse von ihm habe und daß es unnütz sei, noch ein dreizehntes, vielleicht unähnliches hinzuzufügen, dagegen wolle er die Künstlerin beauftragen, sie, die Gräfin, zu malen.

Dies geschah und Rosalba Carriera schuf ein Bild von der schönen Gräfin Cosel, das alle Welt entzückte und das die Anforderungen des Königs befriedigte, der den Befehl gab, es in seinem Cabinete aufzustellen.

Die Gräfin bestürmte jetzt von Neuem den König mit Bitten, und endlich versprach August, zu einem Bilde zu sitzen; allein es kam nicht dazu. Wenn der bestimmte Tag erschien, so war der König entweder auf der Jagd oder befand sich im Conseil oder unternahm eine kleine Reise. Die Gräfin hatte zuletzt nicht mehr den Muth, ihn an sein Versprechen zu mahnen. Sie verdoppelte ihre Freundlichkeit gegen die fremde Künstlerin, um sie in Betreff dieses gescheiterten Planes bei guter Laune zu erhalten, sie räumte ihr sogar eine Wohnung in ihrem Palaste ein und gab Rosalba einen Theil ihrer Dienerschaft zur Aufwartung.

Eines Tages erging sich die Gräfin auf dem Altan ihres Palastes und warf einen neugierigen Blick in die Zimmer der Künstlerin, die leer standen, denn die Dame befand sich in Moritzburg, um dort ein Bild zu copiren. Die Staffeleien, die halb fertigen Bilder, das Durcheinander von Farbenkasten, Pergamentrollen beschäftigten die müßige Spaziergängerin und sie blieb lange an dem hohen, bis an den Balkon des Altans reichenden Fenster stehen, um hineinzuschauen.

Plötzlich fiel ihr Blick auf ein an der Wand lehnendes Portrait, das ihr das des Königs zu sein schien. Es war nicht ganz vollendet; doch schaute der Gräfin der Kopf mit so sprechender Aehnlichkeit von der Pergamenttafel entgegen, daß ihr kein Zweifel blieb, als sie es genauer betrachtete. – Sie irrte sich nicht, es war der König!

So hatte er also zum Bilde gesessen, ohne es ihr zu sagen, und die Künstlerin hatte dieses schöne ähnliche Portrait geschaffen, ebenfalls ohne ein Wort davon laut werden zu lassen!

Dies erregte den Verdruß der Gräfin. Wie konnte man es wagen, ihr dergleichen zu verheimlichen! – oder sollte vielleicht eine Ueberraschung vorbereitet werden? – Es war möglich, und alsdann hatte die Verheimlichung, die sonst unverantwortlich, ihren guten Grund.

Als Rosalba Carriera nach kurzer Zeit von ihrem kleinen Ausfluge zurückkam, konnte es die Gräfin nicht lassen, ihr zarte Vorwürfe zu machen. Die Anspielungen waren dunkel, die Winke unverständlich. Endlich, als kein Verständniß, vor allen Dingen kein Einverständniß zu Stande kommen wollte, sprach sich die Gräfin offen über das im Atelier entdeckte Bild aus.

Rosalba erstaunte. Sie wußte von dem Dasein eines solchen Bildes nichts; sie schwur die heiligsten Eide, daß sie es nicht gemalt, ja sie versicherte, daß die hartnäckige Widersetzlichkeit des Königs es ihr bisher unmöglich gemacht habe, ein Portrait zu schaffen.

„Nun wohl,“ sagte die Gräfin Cosel gereizt, „man betrügt mich. Ich habe ein solches Bild gesehen, folglich muß es existiren, und da es sich in ihrem Atelier befindet, Madame, so müssen Sie es natürlich auch gemalt haben.“

Die Künstlerin erbot sich, sogleich mit der Gräfin in die Malerzimmer zu gehen.

Es geschah; das ganze Atelier wurde durchsucht, und man fand anfangs nichts. Endlich, aus einer dunkeln Ecke, verhüllt mit einem Stücke Leinwand, zog die Hand der Gräfin die Tafel hervor, auf der sich – jetzt vollendet – das Portrait des Königs August befand.

Die Carriera erschrak heftig. Sie schlug die Hände zusammen, und rief ein Mal über das andere:

Per dio! Ich weiß nicht, wie dieses Bild hierher kommt! Ich habe es nicht gemalt; aber es ist trefflich! Ein Kunstwerk! – Gräfin, bemerken Sic diesen Blick der Augen, wie viel Feuer und, ich möchte sagen, fürstliche Zärtlichkeit liegt in ihnen! In der That, der König ist nie besser, nie schmeichelhafter aufgefaßt worden; es ist der schöne Mann, der große Fürst, der starke Held in Eins verschmolzen!“

Hätte die Künstlerin nicht so aufmerksam das Bild, sondern außer diesem auch die Gräfin betrachtet, sie hätte bemerken können, welch einen Ausdruck von Verdruß, Zorn, Neid und Rachbegier ein sonst so glattes, so regelmäßiges und so reizendes Gesicht anzunehmen vermochte.

„Es ist gut!“ sprach Gräfin Cosel kurz, indem sie das Bild wieder an die Wand stellte und die Leinwand darüber warf. „Sie haben das Bild gemalt. Weshalb Sie mich getäuscht haben und fortfahren, mich zu täuschen, will ich nicht wissen. Morgen werde ich das Bild abholen lassen und die bedungene Summe dafür soll Ihnen ausgezahlt werden; allein ich wünsche, daß Sie hinfort mein Haus räumen.“

Die Gräfin ging nach diesen Worten fort und ließ die Künstlerin in einer aufgeregten, beleidigten Stimmung zurück. Rosalba konnte sich das Wunder mit dem Bilde nicht erklären, und war uneinig mit sich über die Mittel, die sie anzuwenden habe, diese am Hofe so allmächtige Frau wieder zu ihren Gunsten zu stimmen. Einstweilen nahm sie nochmals die Tafel zur Hand, betrachtete das Bild und rief voll Entzücken:

„Das ist herrlich gemalt! – Wer es auch geschaffen hat, ich hätte es selbst nicht besser machen können.“

Bei diesem Ausrufe hörte sie hinter sich eine Kaffeetasse zu Boden fallen und sie bemerkte, sich umschauend, ihre Magd, die roth vor Verlegenheit und Schrecken die Scherben vom Boden aufsammelte.

„Was ist das, Magdalene? Wie kann man so ungeschickt sein!“ rief sie dem Mädchen zu. „Zum ersten Male ertappe ich Dich darauf, daß Du ein Kaffeebret nicht zu halten verstehst. Sind Deine Hände gleich klein und zierlich, wie ich Dir oft gesagt habe, so lehre sie doch, ihre Dienste so thun, daß ich nicht dabei zu Schaden komme. Zeig her, was hast Du da an Deiner Hand? Ei sieh – Farbe! Blaue, rothe Striche! Wie kommst Du dazu?“

Magdalene fuhr rasch mit der Schürze über die Finger und verwirrt entgegnete sie:

„Ich habe vorhin den Kasten mit den Farbenstiften geordnet.“

Die Künstlerin antwortete nicht. Sie war wieder in Anschauung des Bildes vertieft.

„Der Schatten an der Wange,“ murmelte sie vor sich hin, indem sie mit einem farbigen Stiftchen Zeichen in die Luft machte; „vortrefflich! Er läßt das Lächeln des Mundes ahnen, ohne es doch zu zeigen. So ist ein Hauch von Leben glücklich über diese sonst so schwere Partie bei diesem Kopfe hinvertheilt! Man kann diesen Mund sehr sinnlich auffassen, und das ist gewöhnlich auch geschehen; doch man kann ihn auch fein und geistig schön darstellen, und so ist er hier. Wahrlich, nur eine Frau, und zwar eine Frau, die den König liebt, kann dies Bild gemalt haben! Ich kenne das! Ach – ich kenne das!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_047.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)