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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

die Frauen und besonders die Mütter durch Ueberredung und Belehrung selbst bei ihrem mangelhaften Denken vernünftiger zu machen, und zwar ebensowohl ihrer selbst wegen, als der nachkommenden Menschheit halber.

Greifen wir die Frauen zunächst bei ihrer schwächsten Seite, bei ihren Kindern an. Gesund, schön und klug möchte jede Mutter ihre Kinder haben, aber freilich das zu werden, überlassen die Meisten dem lieben Gott. Gerade als ob unser Schöpfer nicht schon dadurch Großes an uns Menschen gethan hätte, daß er die Fähigkeit in uns legte, vernünftig und dadurch gut, gesund und glücklich werden zu können. Stirbt einer Mutter der Liebling, dann will sie sich vor Schmerz den Kopf abreißen; daß aber ihr kopfloses Handeln die Schuld am Tode trägt, will keiner solchen Mutter in den Kopf.

Die meiste Sorge, und zwar mit Recht, machen einer Mutter die Krankheiten ihrer Kinder, welche mit Husten einhergehen. Denn wenn auch in den allermeisten Fällen ein schlichter Katarrh der Luftwege Schuld an dieser Krankheitserscheinung ist, so können doch auch leicht sehr gefährliche Uebel im Athmungsapparate derselben zu Grunde liegen. Fast immer wachsen nun die letzteren aus leichteren Affectionen hervor, und niemals betreffen sie das Kind wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der Bräune, dem Keuchhusten und der Lungenentzündung, den gefährlichsten Krankheiten des Kindesalters, gehen stets, wenn auch manchmal nur kurze Zeit, leichte katarrhalische Erscheinungen (Schnupfen, Hüsteln, Augenthränen) vorher, die, wenn sie beachtet und gehörig behandelt worden wären, nicht jene schweren Leiden nach sich gezogen hätten. Allerdings wollen es die Mütter selten Wort haben, daß sie ihr schnupfiges Kind bis Abends spät mit spazieren nahmen, oder daß die hustende Kleine bei rauhem Wetter zum Geburtstage einer Freundin gehen mußte u. s. f. In der Regel behaupten solche Mütter stets, frei von aller Schuld an der Krankheit des Kindes zu sein. Ich glaube es nie!

Also merkt’s, Ihr Mütter und Erzieher doch endlich einmal! Sobald an einem Kinde die ersten Spuren eines Katarrhs (Schnupfens) auftreten, haltet dasselbe hübsch ruhig im Zimmer, und zwar bei warmer, reiner Luft (von etwa + 13—16° R.), jedoch im Winter ebenso, auch in der Nacht wie bei Tag. Ganz besonders ist bei Heiserkeit und Husten gleich anfangs dazuzuthun. Die Luft, welche das Kind einathmet, ist also hier die Hauptsache, nicht die warme Kleidung, in welche die meisten Mütter ihre hustenden Kinder vom Scheitel bis zur Zehe einpacken. Auch auf den Vorsaal oder in kältere Zimmer dürfen solche Kinder nicht, denn selbst das einmalige Einathmen kalter Luft, nachdem vorher das Kind in warmer Luft geathmet hatte, kann das Uebel schlimm machen. Hinsichtlich der Nahrung braucht keine Aenderung getroffen zu werden, wenn nämlich das Kind wirklich kindliche Nahrung (milde, reizlose, nahrhafte, hauptsächlich Milchkost) bekommt.

Eine richtige Mutter sucht nun aber auch bei ihrem Kinde den Katarrh ganz fernzuhalten, nicht blos nach seinem Eintritte zu zügeln. Dies kann sie aber dadurch, daß sie das Kind niemals einer rauhen, kalten, unreinen Luft zum Athmen und überhaupt der Erkältung aussetzt. Bei Nord- und Ostwinden gehören Kinder ins Zimmer; frühzeitiges Abhärten derselben durch kalte Waschungen und Halbnacktgehen ist ein Unsinn, ein Kind gedeiht wie eine junge Pflanze nur bei der gehörigen Wärme. Am gefährlichsten ist der schnelle Wechsel zwischen Wärme und Kälte. Es wundern sich oft die Mütter, wie ihre Kinder, die im Sommer doch beim schönsten Sonnenschein ausgetragen oder spazieren geführt wurden, einen bösen Husten bekommen konnten. Das Wunder ist aber leicht erklärlich, wenn man sieht, wie Kindermädchen mit ihren Pflegebefohlenen im kühlen Schatten und in der Zugluft mit Colleginnen oft Stunden lang schlabbern. Es sollten eigentlich Gesundheits-Polizeidiener diesem gefährlichen Treiben der Kindermädchen und Muhmen auf Weg und Steg entgegentreten, oder noch besser, es sollte jeder gebildete Mensch ein solcher Gesundheitspoliciste sein.

Nicht umhin kann Verfasser, den Müttern, deren Kinder von heftigen Hustenanfällen heimgesucht werden, noch zu rathen, bei der Wahl des Arztes ja darauf zu sehen, daß derselbe den kranken Körper zu untersuchen versteht und auch recht genau untersucht (beklopft und behorcht), denn der Husten, er mag eine Beschaffenheit haben, welche er will, kann das Symptom sehr vieler und verschiedener Krankheitszustände im Athmungsapparate sein. Die blos auf die verschiedene Beschaffenheit einzelner Krankheitserscheinungen hin mit Nichts curirenden Homöopathen sind bei diesen Kinderkrankheiten, wo ein rechtzeitiges und richtiges Eingreifen sehr oft den Tod abhalten kann, ihres Nichtsthuns wegen ganz gefährliche Menschen. Natürlich nehme ich die Bastard-Homöopathen aus, welche ehrlos genug sind, in Fällen, wo es gilt, Etwas zu thun, sofort allopathische Mittel in allopathischen Gaben anzuwenden, dies aber noch für homöopathisches Curiren auszugeben.

Damit der Leser einen kleinen Begriff von der homöopathischen Wirthschaft bei Hustekrankheiten bekommt, will ich aus einem der neuesten homöopathischen Haus- und Familienschätze in Kürze die daselbst aufgeführten Hustesorten (31 an Zahl) aufzählen, von denen aber eine jede durch 5 bis 11 verschiedene Mittel geheilt werden kann. Es sind: der trockene, lockere, krampfhafte, Brech-, Abend-, Nacht-, Früh-, Bell-, Stick-, Kitzel-, heisere, pfeifende und krächzende Husten; der Husten mit schleimigem, blutigem, eitrigem, übelriechendem, wässerigem, zähem, grünlichem, grauem, salzigem, bitterm, süßlichem, fauligem, saurem Auswurf; der Husten erregt durch Bewegung, Sprechen, Essen, im Liegen und im Freien. Die dagegen empfohlenen Mittel sind: Sturmhut, Tollkirsche, Bilsenkraut, Brechwurzel, kohlensaures Kali, Brechnuß, Phosphor, Seeschwamm, Kupfer, Sonnenthau, Zaunrebe, Eisen, Küchenschelle, Brechweinstein, weiße Nieswurz, Arsenik, Kalk, Zinn, Phosphorsäure, Arnica, Salpetersäure, Schwefel, Holzkohle, China, Chamomille, Quecksilber, Jod, Senega, Bärlapp, Sepia, Schwefelleber und Opium. Beim Nachthusten hat man die Wahl zwischen Aconit, Arsenik, Belladonna, Hyoseyamus, Chamomille, Mercur, Nux vomica, Pulsatille, Spongia, kohlensaurem Kalk und kohlensaurem Kali.

Wem bei dieser haarsträubenden Hustegeschichte die Augen über den Werth der homöopathischen Heilmethode nicht aufgehen, der muß geistig-blind geboren sein. Hierzu kommt nun aber noch, daß andere homöopathische Arzneischätze ganz andere Hustesorten annehmen, und dagegen wieder ganz andere Arzneien empfehlen. Man vergleiche z. B. die Angaben der neuesten homöopathischen Krankheits- und Arzneimittellehren über die Heilung der häutigen Bräune (des Croup). Es schreibt Herr Dr. Clotar Müller: „hundertfältige Erfahrung hat in der Spongia (Badeschwamm) ein Heilmittel dieser Krankheit erprobt, das höchst selten seine Hülfe versagen wird. Die rechtzeitige, energische und für gewisse Fälle consequente Anwendung der Spongia hat in so unendlich vielen Fällen dieser mit Recht sehr gefürchteten Krankheit den wahrhaft segensreichsten und überraschendsten Erfolg bereits gehabt, daß allein schon hierdurch die Vorzüglichkeit der Homöopathie gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren mit Blutegeln, Salben, Blasenpflastern etc. hinreichend bewiesen wäre, und gerade diese sichere und schnelle Heilung einer so gefährlichen Krankheit der Homöopathie zahlreiche Anhänger und Freunde erworben hat.“ – Dagegen ist nach Herrn Dr. Hirschel das Heilmittel beim Croup, welches die Heilung oft ganz allein vollbringt: das Jod; anfangs paßt aber noch Aconit und zu Ende der Krankheit Schwefelleber. Von der Spongia, die nach Müller höchst selten ihre Hülfe versagt, sicher und schnell heilt und der Homöopathie zahlreiche Anhänger erworben hat, sagt Hirschel beiläufig in einer Anmerkung: „sie scheint mehr für den entzündlichen Katarrh, als für die Bräune zu passen.“ Ferner behauptet derselbe: „wäre von jeher gegen diese Krankheit Hülfe bei der Homoöpathie gesucht worden, so würde sie nicht diesen panischen Schrecken bei ihrem Auftreten verbreiten.“ — Herr Dr. Arthur Lutze, welcher „für sorgsame Mütter kleine Kästchen mit Croupmitteln (sogen. Bräune-Apotheken) hat anfertigen lassen,“ gibt, beim Croup hauptsächlich Aconit und Schwefelleber; erfolgt nach Aconit keine Besserung, dann „gebe man ungesäumt Schwefelleber und Spongia im Wechsel ein,“ und: „nur bei scrophulösen Kindern mit harten Drüsenanschwellungen am Halse gibt man gleich Jod mit Aconit im Wechsel.“ Hiernach kommt also Dr. Lutze beim Croup nicht blos mit der Müller’schen Spongia oder mit dem Hirschel’schen Jod aus, trotzdem daß derselbe seine Arzneien auch noch mit einer Portion Lebensmagnetismus versetzt hat und trotzdem daß die von ihm bereiteten Potenzen eine bei Weitem stärkere und schnellere Wirkung hervorbringen, als die von anderen Homöopathen. – Welcher von diesen Aerzten hat nun wohl das rechte homöopathische Hauptcroupmittel? (Ueber Bräune und Keuchhusten nächstens.)

Bock.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_008.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)