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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

man das Niesen in Gesellschaft ja gehörig, denn nicht selten sprudelt die Nase Partikel ihres Inhaltes dahin, wo diese den Blicken Anderer leicht begegnen und unappetitlich werden können.

Der Mund, d. i. die von der Ober- und Unterlippe eingegrenzte, dicht vor den vordern Zähnen befindliche Spalte, welche in die Mundhöhle führt, dient ebenso der Nahrungs- wie Luftaufnahme, kommt bei der Sprache wie beim Gesange in Thätigkeit und hat selbst eine gewisse geschlechtliche Bedeutung. Daß ein in so vieler Hinsicht bedeutungsvolles Organ, durch welches eine Menge von Regungen, Gefühlen, Eindrücken und Leidenschaften mehr oder minder ihren Ausdruck finden, die größte Aufmerksamkeit, die sauberste Behandlung und Gewöhnung verlangt, lehrt das gewöhnliche Leben. Denke Dir nur, Du müßtest einen zahnlosen Mund küssen, dessen wunde Ecken schmutzig und dessen Lippen trocken, rissig und braun berändert. Denke Dir einen Tischnachbar, dem beim Essen zwischen den schmatzenden Lippen Speichel aus den Winkeln auf den Teller herabspinnt. Denke Dir einen Redner, aus dessen Munde beim Oeffnen dem Zuhörer grüne, gelbe und schwarze, kurze und lange Zahnsturzel entgegenstarren. Denke an einen Sänger, der „seinem süßen Lieb’“ mit fratzenhaft verzerrtem Munde „hin nimm die Seele mein“ zusäuselte. Kurz Mund und Zähne können viel zum Angenehm- und Unangenehmsein eines Menschen beitragen. Herder sagt: „Jedermann weiß, wie viel die Oberlippe über Geschmack, Neigung, Lust und Liebesart eines Menschen entscheide; wie diese der Stolz und Zorn krümmen, die Feigheit spitze, die Gutmüthigkeit runde, die schlaffe Ueppigkeit welke, wie an ihr mit unbeschreiblichem Zuge Liebe und Verlangen, Kuß und Sehnen hange, und die Unterlippe sie umschließe und trage, ein Rosenkissen, auf dem die Krone der Herrschaft ruht.“ Derselbe behauptet ferner auch: „Ein reiner zarter Mund ist vielleicht die schönste Empfehlung im Leben, denn wie die Pforte, so, glaubt man, sei auch der Gast, der heraustritt, das Wort des Herzens und der Seele.“

Die Zähne machen den Mund, wenn sie weiß, reinlich gehalten und gut gereiht sind, äußerst appetitlich. Das wissen Alle und trotzdem vernachlässigen die meisten Menschen die Pflege derselben doch so sehr oder fangen dann erst damit an, wenn nichts mehr daran zu pflegen ist. Namentlich sind die Mütter, zumal von Mädchen, sehr tadelnswerth, wenn sie nicht schon dem kleinen Kinde das gehörige Reinigen der Zähne zur andern Natur machen. Die richtige Pflege der Zähne besteht nun aber hauptsächlich darin, daß man die Bildung von Zahnthierchen, Zahnpilzen und Zahnstein soviel als möglich zu verhindern und diese zahnzerstörenden Schmarotzer so schnell als möglich zu entfernen sucht. Zu diesem Zwecke ist zuvörderst das fleißige Bürsten der Zähne mit Spiritus (s. Gartenl. 1858. Nr. 47.) nöthig, damit die Speisereste nicht zum Faulen kommen, denn in faulenden (übelriechenden) thierischen Stoffen bilden sich und gedeihen jene Zahnschmarotzer am besten, während der fäulnißwidrige Spiritus die Wiege und das Leben derselben zerstört. Das Bürsten der Zähne mit Spiritus allein wird nun aber das Anlegen von grünlichen und schwärzliches Massen an die Ränder und auf die Kauflächen der Zähne nicht verhindern, deshalb wird noch das Abscheuern der Zahnkrone mit einem feinen Pulver (Cigarrenasche, Bimsstein, Zahnpulver) unentbehrlich. Von Zahnpulvern sind die rothen den schwarzen (aus Holzkohle) darum vorzuziehen, weil sich letztere zwischen Zähne und Zahnfleisch eindrängen und so den Zahnfleischrand grau färben. Wenn sich dann, trotz des Putzens der Zähne mit Spiritus und Pulver, doch noch hier und da schwarze Stellen an den Zähnen zeigen, so müssen diese mit einem spitzigen oder scharfen Instrumente abgekratzt werden. Man fürchte dabei durchaus nicht, dem Schmelz der Zahnkrone Schaden zu thun. Denn wenn sogar ein Stückchen davon abspringt, so hat dies nichts auf sich, da der Schmelz zur Erhaltung des Zahnes nicht so unentbehrlich ist, als man gewöhnlich glaubt. Es lassen sich ja auch die Zähne ohne allen Nachtheil abfeilen und bei einigen wilden Völkerstämmen (an der Küste von Guinea und Sumatra) ist es üblich, den Schmelzüberzug ganz oder theilweise abzusprengen. – Allerdings gibt es noch andere Ursachen des Zahnfraßes, als jene Schmarotzer, z. B. Entzündungen in Folge heftigen Druckes oder starker Kälte- und Hitzeeinwirkung auf die Zähne, allein in den allermeisten Fällen rührt die Verderbniß der Zähne von jenen Pilzchen und Thierchen her. Wer nun von den Lesern dieses Aufsatzes garstige Zähne hat, der eile sofort zum Zahnarzte, lasse retten und reinigen, was noch zu retten ist und behandle dann seine Ueberbleibsel auf die angegebene Weise. – Was das Ausstochern der Zähne und das Ausspülen des Mundes nach einem Gastmahle betrifft, so scheint es zur Zeit zum guten Tone zu gehören, dies recht auffallend und öffentlich zu machen; mir erscheint’s eklich.

Das äußere Ohr, obschon den Blicken Anderer weniger als die übrigen Sinnesorgane ausgesetzt, verlangt doch auch für sich und seine nächste Umgegend die gehörige Abwartung, wenn es nicht unangenehm auffallen soll. Die Sprüchwörter: „noch nicht trocken hinter den Ohren sein“, „es faustdick hinter den Ohren haben“ und „sich’s hinter die Ohren schreiben können“, müssen ja nicht zu Thatsachen werden. – Gegen Ausschläge, die häufig am Ohre nässende sind, dient am besten frischer ausgelassener Rindstalg. Die Entfernung vertrockneten Ohrenschmalzes aus den tieferen Partien des äußeren Gehörganges darf nicht unsanft geschehen, weil sonst leicht ein von Entzündung und Eiterung der Gehörgangshaut abhängiger Ohrenfluß entstehen kann. Uebrigens muß bei allen Ausflüssen aus dem Ohre das Innere desselben von einem Arzte genau untersucht werden, weil ein solcher Ausfluß in Folge von Zerstörung des Trommelfelles gar nicht selten Taubheit nach sich zieht. – Wie bei der Nase kann sich übrigens aus dem Ohre übler Geruch entwickeln (Stinkohr) und dies ebenfalls in Folge von Anhäufung und Fäulniß des Gehörgangs-Inhaltes. Häufige Einspritzungen mit lauem Wasser helfen hier. Bisweilen werden etliche Ohrübel dadurch hervorgerufen, zumal bei Kindern, daß fremde Körper (Erbsen, Bohnen u. dgl.) in den Gehörgang gesteckt und nicht wieder herausgezogen wurden.

Was nun schließlich die unserm Gehörsinn eklich werdenden Erscheinungen an Anderen betrifft, so sind dies in der Regel üble Angewohnheiten, meistens Geräusche, welche in der Nasen- und Mundhöhle erzeugt werden. Wie widerwärtig das Schnüffeln, Schnieben, Rülpsen, Racksen, Spucken und Schmatzen beim Essen ist, zumal wenn man öfters und längere Zeit Solches hören muß, hat gewiß schon Jeder erfahren.

Daß diesen meinen Aufsatz Manche und Mancher tadeln werden, weiß ich; Diesen sei hiermit aber gesagt: zur Unterhaltung und für prüde Klugthuer schreibe ich nicht, ich will durch Belehrung nützen. Vielleicht haben gerade manche dieser Tadler Etliches an sich.

Bock.




Ein aufgelöstes Räthsel.
Von E. Pirazzi in Offenbach.
(Fortsetzung.)


Carolinen’s Schulunterricht und ihre fein berechnete Lernweise. – Die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern. – Zweifel an die Wahrhaftigkeit der Bibel. – Ihr Betragen im Hause. – Das Schloß ihrer Eltern in Siebenbürgen. – Ein ungarischer Priester.

Hatte Caroline in der Aussprache einiger Wörter und in der Kenntniß ihrer Bedeutung Fortschritte gemacht, so gab sie ihre Freude darüber in der Familie, worin sie Aufnahme gefunden, auf die kindlichste Weise zu erkennen. So kam sie öfter aus dem Unterricht sehr vergnügt nach Hause und berichtete dort: „Ich wissen jetzt, wie dies heißt, und wie das heißt.“ Als man ihr gelegentlich bemerkte, daß sie sagen müsse: „Ich weiß,“ protestirte sie feierlichst: „O nein! Schnee weiß ist, Mehl weiß ist (dies waren Sätze, die sie im Unterricht gelernt hatte), aber ich nicht weiß: ich wissen!“

Allerdings waren ihre Fortschritte, obschon keineswegs mißtrauenerregend, doch so rasch und befriedigend, daß sie sich bereits im Frühjahr 1855 mit ihr näher bekannten Personen innerhalb des Kreises ihrer Anschauung leidlich verständigen und ein Jahr darauf ziemlich fließend ausdrücken konnte. Ueberschritt man jedoch diesen scheinbar noch immer sehr engzezogenen Kreis in der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_720.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)