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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

als wir, um eine Ecke herumkommend, am Ende des Ganges vier der vorangegangenen Führer erblickten, die, mit gewaltigen Holzscheiten bewaffnet, unbarmherzig einige der höchsten Stalagmiten bearbeiteten, durch deren Erzitterung jenes eigenthümliche Läuten hervorgebracht wurde.

Von der Glocke an führt der Weg durch eine wahre Allee von Stalagmiten hindurch 144 Fuß lang über einen 2 Fuß hohen Damm, welcher angelegt wurde, weil nach anhaltendem Regen sich hier Wassertümpel bilden, bis zu dem Grabe, einem der schönsten und größten Tropfsteingebilde. Links davon öffnet sich die neue Franz Joseph’s- und Elisabethsgrotte. Schon früher war hier ein Seitengang bekannt, der aber in 18 Klaftern Entfernung vom Kalksteinfelsen geschlossen wurde. In derselben Richtung verläuft jenseits vom Fuße des Loiblberges ein Grottenzweig, und die Zwischenwand, welche beide Räume trennt, wurde nur auf 2½ Klaftern veranschlagt, daher man schon vor Jahren einen Durchschlag versuchte. Vor dem Besuche des Kaisers Franz Joseph und der Kaiserin Elisabeth, deren Namen dieser Grottenzweig jetzt trägt, am 11. März 1857, wurde dieser Durchschlag durch die 6 Klafter dicke Felswand auch ausgeführt.

Waren wir bisher überrascht worden durch die Seltsamkeit der Formen und ihre gewaltige Ausdehnung, so gesellte sich zu den früheren jetzt ein neuer Reiz, der der blendenden Weiße und theilweise auch schönen bunten Färbung der Stalagmiten. Die ersten Theile der Höhle sind von den häufigen Besuchen mit Pechfackeln schon sehr geschwärzt, was bei dieser, da sie vorher weniger besucht wurde, nicht der Fall ist.

Mehrmals bemerkte ich in diesem Theile gewaltige, über einander aufgehäufte Felsblöcke, jedenfalls die Spuren eines bedeutenden Einsturzes. Die geringe Kalksinterbildung auf ihnen bewies, daß derselbe vor nicht zu langer Zeit erfolgt sein konnte, obgleich die Führer uns versicherten, daß seit Menschengedenken nie etwas Derartiges vorgekommen sei. Am Ausgange der Franz-Josephsgrotte erweiterte sich dieselbe zu einer bedeutenden Höhlung, und wir standen plötzlich am Fuße des nicht unbedeutenden unterirdischen Berges Loibl, dessen Spitze ein 5 Fuß hoher röthlicher Stalagmit, der Kapuziner oder Eremit, ziert.

Von hier an wurde unsere Wanderung etwas beschwerlicher, den aufrechten Gang mußten wir häufig mit einer sehr gebückten Haltung vertauschen und der Weg, der bis dahin immer ziemlich rein, oft ganz trocken gewesen war, wurde naß und schlammig. Wie uns der Führer versicherte, ist derselbe häufig, wenigstens der hintere Theil, bei dem Hochwasser der Poik, deren unterirdischer Lauf hier nahe vorbeiführen muß, vollständig überschwemmt.

Schon auf dem Loibl hatte ein eigenthümliches Plätschern, ganz verschieden von dem monotonen Klange des gewöhnlichen Tropfenfalls, unsere Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Wir waren nicht lange gegangen, so standen wir vor der Ursache desselben, dem Tropfbrunnen, einem etwa 6 Fuß über die Grundfläche der Höhle, die hier mit Wasser bedeckt ist, aufsteigenden abgestumpften Kegel, der aber ein Becken von 1 Fuß im Durchmesser hat, in welches von der 60 Fuß hohen Decke ein dünner Wasserstrahl ununterbrochen herabfällt. Das Wasser fließt aus dem Becken des im langsamen Anwachsen begriffenen Kegels in ein Bassin am Boden herab. Dicht daneben hat man eine der großartigsten Ansichten dieses kolossalen unterirdischen Baues. Ein hervorspringendes Plateau ist nämlich gelegentlich der Anwesenheit des Kaisers Franz Joseph und der Kaiserin Elisabeth 1857 zu einem Belvedere umgestaltet worden, welches eine wahre Musterkarte der mannichfachen Tropfsteinbildungen der Grotte darstellt. Sind sämmtliche Räume gut beleuchtet, so hat man von hier aus einen wahrhaft zauberischen Anblick der verschiedenen Etagen dieses Grottentheils. – Eine Viertelstunde hinter dem Belvedere gelangt man zu einem kleineren Tropfbrunnen, hinter dem sich dieser Arm der Höhle in die letzten zwei Aeste theilt. Der eine führt links durch eine enge, mit weißen und braunen Stalaktiten ausgestattete Kluft zu einem fensterartigen Loche, durch welches man in den sogenannten See schaut, einen ungefähr 60 Fuß im Durchmesser haltenden Trichter, der bei mittlerem Wasserstande eine Tiefe von 30 Fuß hat, nach anhaltendem Regen aber auch überläuft.

Der rechte Arm zieht sich steil in eine obere Etage der Höhle hinauf, welche von einem gewaltigen Pfeiler getragen wird. Hinter demselben öffnet sich eine große Halle mit zahlreichen, weißen Stalagmiten und einem wahren braun und weiß gefärbten Krystallboden, welche zu dem Tartarus führt, einer ausgedehnten, gewaltigen Doline von wenigstens 60 Fuß Tiefe, die aus zwei Abtheilungen besteht, welche durch einen schmalen Grat getrennt sind.

Denselben Weg wieder zurückgehend, gelangten wir bei dem Loibl und der Büste von St. Stephan vorbei zu dem schönsten Punkte der Adelsberger und wohl aller Krainer Höhlen, zu dem sogenannten Calvarienberge. Während wir den See und den Tartarus besucht hatten, waren fünf der Führer vorausgeeilt, um diesen wundersamen Bau in die herrlichste Beleuchtung zu setzen.

Aus einer engen Kluft heraustretend, erhob sich vor uns plötzlich in einem hohen Dome in drei steilen Absätzen ein 192 Fuß hoher Berg, dessen Abhänge mit Tausenden der herrlichsten bis 30 Fuß hohen Stalagmiten bedeckt waren, denen eben so viele Stalaktiten ihre Arme von oben entgegenstreckten. Von blendendem Weiß, gelblich, röthlich glänzend starren sie in den wunderbarsten Formen und Gruppirungen in die Höhe, wie eine in den seltsamsten Bewegungen plötzlich erstarrte, versteinerte Menschenmasse. Nimmt man noch die Wirkung des Lichtes hinzu, welches sich tausendfach in den kleinen Krystallen und Wassertropfen bricht, mit denen alles überzogen ist, so hat man ein Bild vor sich, wie es sich kaum die ausschweifende Phantasie eines Märchendichters seltsamer und herrlicher denken kann. Die Führer nennen einen Theil davon, seiner vielen schlanken und schönen Säulen wegen, den Mailänder Dom. Ich habe denselben gesehen und bewundert, wie wenige Meisterwerke, aber man thut dem Calvarienberge wahrlich keine Ehre an, wenn man dieses prachtvolle Werk einer Jahrtausende schaffenden Kraft nach einem menschlichen Bauwerke benennt.

Nahe am Gipfel befindet sich ein gewaltiger Felsblock, die Arche Noah. Von dieser wendeten wir uns zu einer dreieckigen Anhöhe, die gegen die rechte Seitenwand der Höhle ansteigt und mit weißen Stalagmiten besät ist, die von dem braunen Boden und Hintergrunde malerisch abstechen. Das Volk hat sie den großen Altar genannt, weil es in der Unzahl Säulen, die alle den Berg hinaufzuwandern scheinen, den Zug des Volkes auf Golgatha erblicken wollte. Dahinter geht es steil hinab in noch weit ausgedehnte Klüfte und Gänge, die aber bis jetzt noch nicht gangbar gemacht worden sind. Wir gingen daher auf die andere Seite des Calvarienberges durch die Pforte und die Säulenallee, eine quer über den Weg gestellte Säulenreihe, bis zum Eingange der Erzherzog Johanns-Grotte, deren Tropfsteinbildungen am wenigsten beschädigt und am reinsten erhalten sind.

Unter den vielen schönen Gebilden, welche den Theil der Höhle von hier bis zum Grabe zieren, wie die Cypressen, das rothe Meer, der Beichtstuhl u. v. A., lenkte namentlich eins unsere Aufmerksamkeit auf sich, welches auch allgemein als das anmuthigste aller Tropfsteinhöhlen bekannt ist, der mit Recht berühmte Vorhang. Nur vier Linien dick ragt diese wunderbare Stalaktitenmasse 1½ bis 3 Fuß aus der Wand hervor, von welcher sie in einer Länge von 9 Fuß in dem schönsten Faltenwurfe herabhängt. Die Grundfarbe ist blendendes Weiß, aber das ganze Gebilde hat eine 4 Zoll breite braune und rothgestreifte Einfassung und einen wellenförmig gezogenen Rand. Halten die Führer die Lichter hinter demselben empor, so daß der Vorhang ganz transparent erscheint, so gewährt das Ganze ein reizendes Schauspiel.

Schnellen Schrittes wanderten wir von hier aus, durch die lange Wanderung müde und hungrig geworden, dem Eingange zu. Der Führer konnte sich jedoch nicht versagen, uns erst noch in die Tiefe des großen Doms hinabzuführen. Gegen 100 Stufen hinabsteigend gelangten wir zu der 84 Fuß langen hölzernen Brücke über die Poik und von hier aus stellte sich uns die imposante Größe des Doms erst recht dar. Das Wasser, welches hier nur 4 bis 5 Fuß unter uns hinwegrauschte, war höchstens eine Elle tief. Aufwärts gegen Tag bildet es aber sehr tiefe Tümpel und ist ohne Kahn nicht zu passiren. Abwärts kann man längere Strecken waten, nach Verlauf einer Viertelstunde jedoch senkt sich die Decke so tief auf den Wasserspiegel, daß man mit dem Kahne nicht darunter hinwegfahren kann. Erst zwei Tage nachher, nachdem auf der Oberfläche heftige Regengüsse gefallen sind, fängt der Fluß an zu schwellen, so lange Zeit braucht das Wasser, um durch das poröse Kalkgestein durchzusickern, und dann kommt es häufig vor, daß die untere Brücke vollständig überschwemmt, wohl gar abgerissen wird.

Als wir das Freie erreichten, bemerkten wir zu unserem großen Erstaunen, daß es vollständige Nacht war. Unwillkürlich zogen

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