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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

und er außerdem verdächtige Spuren von Schlammbächen auf seinem weißem Chemisette bemerkte, so zog er es doch vor, uns zu folgen.

Uebrigens ist dieser Zweig der Grotte, nach daselbst vorhandenen Inschriften zu urtheilen, schon frühzeitig bekannt geworden (angeblich hat man die Jahreszahl 1213 darin vorgefunden), aber wahrscheinlich im 18. Jahrhundert des gefährlichen Zuganges wegen nicht mehr besucht worden. In der letzten kleinen Halle war noch vor einigen 20 Jahren ein inkrustirtes Skelett, „das vertropfte Gerippe“, deutlich zu erkennen; gegenwärtig ist keine Spur mehr davon sichtbar.

Ein ziemlich enger Gang durch Stalagmiten führte uns vom Dom in die 1818 entdeckte Kaiser Ferdinands-Grotte. Am Eingange derselben ist ein Denkmal zur Erinnerung an die Anwesenheit des Kaisers Ferdinand, damals noch Kronprinz, aufgestellt.

Die durchschnittliche Höhe dieses Theils der Höhle beträgt 10 bis 20 Fuß, und nur an einigen Stellen erhebt sie sich bis zu 30 Fuß. Je weiter man aber in ihr fortschreitet, desto schöner und zahlreicher werden die Bildungen von Kalksinter. Ich will den Leser nicht durch eine ausführliche Beschreibung der schönen Tropfsteinformen, der Säulen, Vorhänge, Halskrausen, Fransen, versteinerten Wasserfälle, Taufbecken, Meereswogen, Netze etc. ermüden, wie sie am Ende in allen Tropfsteinhöhlen vorkommen, Viele Bildungen zeigen allerdings eine frappante Aehnlichkeit mit Gegenständen aus dem häuslichen und öffentlichen Leben, der Thierwelt, berühmten Statuen etc. Vielen hat aber das Volk auch Namen beigelegt, wo wirklich nur eine ausschweifende Phantasie eine entfernte Aehnlichkeit mit der Wirklichkeit herausfinden kann, wie z. B. beim Nordlicht, Mondschein, der Portion Gefrornes, dem Bilde, Stockhause, der Dorfkirche etc.

Die Adelsberger Höhle in Krain.

285 Klafter vom Eingange entfernt erweitert sich die Grotte zu einem 42 Fuß hohen, 150 Fuß langen und 90 Fuß breiten Gewölbe, dem sogenannten Tanz- oder Turniersaale, in welchem alljährlich zum Pfingstmontage das berühmte Grottenfest gefeiert wird. 5–600 Fremde und ebenso viele Einheimische besuchen an diesem Tage die Grotte, welche vom Eingange bis hinter zum Calvarienberge glänzend erleuchtet ist. Im Tanzsaale selbst ist ein Musikchor aufgestellt, welches die Ballreigen aufspielt. Jedenfalls hat dieses Local vor allen andern den Vorzug einer angenehmen Kühle. Weiße Atlasschuhe dürfen die Damen allerdings nicht tragen, da es sich doch ereignen kann, daß sie bei dem zierlichsten Pas in die Lage kommen können, geologische Untersuchungen über die Tiefe irgend eines Schlammtümpels zu machen.

Vom Tanzsaal, zwischen den Stalagmiten, dem heiligen Antonius von Padua und der Marienzeller Mutter Gottes hindurchgehend, gelangten wir in einen niedrigen Gang, aus welchem plötzlich tief unten herauf ein dumpfes Läuten unser Ohr traf. Der eigenthümlich zitternd wehmüthige Glockenton, der mir aus weiter Ferne herzukommen schien, das unaufhörliche monotone Geräusch der von der Decke auf die Stalagmiten fallenden Wassertropfen und das ferne Rauschen der Poik: Alles das zusammen gab eine Musik, durch welche ich unwillkürlich an die alte Sage vom versunkenen Julin erinnert wurde, dessen Kirchenglocken zu Zeiten noch wie ein Grabgeläute aus dem Meere herauftönen. Die wehmüthig feierliche Stimmung, in welche wir plötzlich versetzt worden waren, machte aber ebenso schnell einer humoristischen Laune Platz,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_701.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2020)