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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

No. 48. 1858.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Kind und Kindeskind.
Auch eine Dorfgeschichte von H. Nordheim.
(Schluß.)


Das wollte nun freilich Magdalene nicht zugeben und es gab darüber manchen Hoppas in der Försterei. Derweil lernte die Josephe Nähen, Waschen, Bügeln und Schneideriren, daß es ein Spaß war, und die Magdalene dachte: „Kömmt Zeit, kömmt Rath.“

Die Zeit kam und der Rath auch; nämlich das Frühjahr, was die Herrschaft nach Waldenberg brachte. Der Frau von Walden gefiel die Josephe, wie noch keine, seit sie die Magdalene gehabt hatte, und ehe der Vater Arnold nur so recht zur Besinnung kam, daß ja eigentlich aus seiner Josephe keine Kammerjungfer hatte werden sollen, war sie’s schon, und noch dazu eine perfecte.

Das Freilen Marie kriegte gleich eine ordentliche Liebe zu ihr und die Mutter Magdalene erzählte es allen Leuten, die’s hören wollten, es wär’ ihr, als sei sie wieder jung geworden; denn mit ihrer Josephe ging’s justement so, wie’s ihr in ihrer Jugend gegangen wäre.

Es war doch nicht Alles justement so, wie bei ihr, aber das konnte sie freilich nicht wissen; denn erstens wurde die Josephe im ganzen Schlosse „Mamsell Sephe“ und vom Baron Max und vom Jäger Ulrich gar „Freilen Sephe“ geheißen, und zweitens war’s auch darin ganz anders, daß der Jäger Arnold und der Jäger Ulrich wie Tag und Nacht von einander verschieden waren.

Der Jäger Ulrich hatte, er sagte es selber, einen wahren Narren an der Freilen Sephe gefressen, aber er war ihr in den Tod hinein zuwider. Es war ihr auch nicht zu verdenken, denn wenn man den Ulrich und den Baron Max nebeneinander sah, so hätte man müssen blind sein, wenn man den Jäger noch hätte angucken mögen.

Die Frau von Walden meinte, die Josephe wäre für eine Kammerjungfer beinahe zu fein, aber der Baron Max und das Freilen Marie waren anderer Meinung und konnten sie über ihre feine Art nicht genug loben. Wie das Jahr darauf die Herrschaft wieder von der Stadt nach Waldenberg kam, konnten sich die Leute nicht genug verwundern, was die Mamsell Sephe für einen Staat mitbrachte; sie trug sich schier wie das Freilen, und that auch gewaltig fürnehm. Die Frau von Walden war aber damit nicht zufrieden, und sie kam auch nimmer nach Gleichenberg, – Der Magdalene war das Herz gewaltig schwer, daß die Herrschaft schon über drei Monate in Waldenberg und die gnädige Frau noch mit keinem Schritte bei ihr gewesen war.

Dafür kam einmal der Herr von Walden angeritten und der Arnold kannte sich schier nicht vor Freuden, wie der Brandfuchs vor seiner Thür hielt. Aber gleich an der Thür merkte er’s, daß kein gut Wetter war. Der Herr von Walden gab ihm wohl auch die Hand und drückte sie ihm, wie sonst, aber es kam ihm vor, als guckte er bei Seite, als er ihn grüßte. Er brauchte nicht lange zu warten, bis er wußte, wo’s hing; denn der Herr von Walden war keiner, der viel Federlesens machte. Das war eine schlimme Stunde für die Försters. Der Herr von Walden sagte ihnen, der Jäger Ulrich wollte ihre Josephe nehmen; sie möchte ihn zwar nicht, aber um der Ehre willen wär’s doch gut, denn im Schlosse könnte sie nicht bleiben.

Darauf sagte der Arnold:

„Ich weiß, daß der Ulrich ein Halunke ist, aber die Josephe nimmt ihn.“

Dem Herrn von Walden ging’s bald so nah, wie den Försters, denn er hielt große Stücke auf den Arnold, und wie er wieder auf seinen Brandfuchs stieg, den der Förster ihm hielt, sah Einer so bleich aus, wie der Andere. Wie er aber droben saß, reichte er dem Arnold noch einmal die Hand und sagte mit einem tiefen Seufzer:

„Ja, Arnold, so geht’s! Kleine Kinder, kleine Sorgen; große Kinder, große Sorgen,“

Der Arnold wußt’s.

Nach acht Tagen kam die Sephe; die Leute sagten, auf Zuspruch zu ihren Eltern, und es wollte es kein Mensch glauben, wie sie am Sonntag ein für alle Mal mit dem Jäger Ulrich aufgeboten wurde.

Am Dienstag war die Trauung. Der Arnold ging herum, wie wenn er von Stein wäre, und sein Kopf wurde alle Tage weißer; die Magdalene traute sich nicht, ihn anzusehen, sah überhaupt schier nichts, denn ihre Augen waren ihr wie zugeschwollen, und die Sephe hatte vom Vater noch kein Wort und keinen Blick bekommen. Nur wenn der Arnold allein mit der Magdalene war, schlug er sich manchmal mit der Faust an die Stirn und sagte:

„Ich wollt’ ja Alles tragen, wenn nur der Ulrich kein Hallunke wär’.“

Der Arnold war selbst eine kreuzbrave Seele, drum sah er’s den Augenblick, wenn Einer es nicht war; und er hatte es recht gesehen; der Ulrich war ein Hallunke; aber dem Arnold war’s beschieden, daß er’s nicht lange mit ansehen sollte. Anfang Winters ließ die Sephe ein Töchterchen taufen, das hieß Marie. Der Ulrich war noch Jäger beim Herrn von Walden und mit nach der Stadt gezogen, die Sephe aber bei den Eltern geblieben. Der Arnold

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 681. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_681.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2018)