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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

schönes Blau in stets wechselnder Beleuchtung erscheinen. Es soll übrigens seit Kurzem auf der Insel Neu-Guinea eine neue Kasuar-Art entdeckt worden sein, welcher der englische Naturforscher Owen nach der eingesandten Beschreibung und Abbildung auch schon den Namen gegeben hat. Bestätigt sich die Entdeckung und ist sie nicht eine von denen, die sich zuletzt in ein längst bekanntes Thier auflösen, so wäre dies wieder ein Beweis, daß selbst von den großen in’s Auge fallenden Naturformen noch Manches dem Forscherauge der gelehrten Reisenden zu entgehen im Stande ist. Dasselbe beweist auch die erst in diesem Jahrhundert erfolgte Entdeckung des indischen Tapirs, der doch in dem den Holländern längst zugänglichen Sumatra lebt.

Blos im Vorübergehen betrachten wir ein kleines mit Baumrinde bekleidetes Eulenhäuschen, blos das Häuschen, denn den darin wohnenden Eulen zu Gefallen ist die Dunkelheit darin so groß, daß man z. B. blos eine Ahnung von der Schönheit bekommt, welche die Schleiereule unter ihres Gleichen auszeichnen soll.

Nicht weit davon ist ein Wasser, welches bald als schmaler Graben, bald mehr als Teich in viel veränderter Richtung den ganzen Garten langsam durchfließt und in zwei Hälften theilt. Es berührt die Aufenthaltsorte der vorzugsweise das Wasser liebenden Thiere und ist, wo nöthig, überbrückt.

Gleich hier an der ersten Brücke rechts befand sich früher ein amerikanischer Tapir, den man oft wohl Stunden lang bis an die Nase im Wasser konnte stehen sehen. An seiner Stelle sind jetzt die bekannten chinesischen Gänse; links von der Brücke hingegen, wo sich das Wasser etwas erweitert und kleine baumbewachsene Buchten und Inseln bildet, tummelt sich eine zahlreiche Gesellschaft von Schwimm- und Wadvögeln herum. Hier fallen die komischsten Verwechslungen vor. Wie überall, so ist nämlich auch hier der Name der gerade vorhandenen Thiere auf einzelnen Täfelchen verzeichnet. Da nun Pelikan, Reiher, Kranich, schwarzer Schwan, weiße und schwarze Störche, Bernickel- und andere Gänse bunt durcheinander laufen, so steht z. B. manchmal der schwarze Schwan gerade neben der Tafel, welche den Kranich nennt, der Pelikan in der Nähe der ihn als Storch bezeichnenden Tafel. Sicher kann man alsdann sein, daß, wenn eine Gesellschaft Besucher sich naht, deren Mitglieder Laien in der Zoologie sind, und zwar mehr Laien als erlaubt ist, daß dann der Schwan sofort als Kranich freudig begrüßt, und der merkwürdig lange Schnabel des vermeintlichen Storchs bewundert wird. Kommt nun freilich einer der wirklichen Störche zum Vorschein, so erkennt man wohl seinen Irrthum, aber selten dürfte hier eine Gesellschaft ganz aufgeklärt weiter ziehen.

Höchst anziehend ist das Treiben dieser Vögel für den aufmerksamen Beobachter. Da stehen die drei oder vier grauen Reiher, den Kopf und Hals eingezogen, am oder im Wasser. Unbeweglich, gleich Bildsäulen, verräth blos ihr feuriges, raubgieriges Auge das Leben in ihnen. Aber plötzlich schießt der Kopf wie ein Pfeil in’s Wasser, und mit einem von der Fütterung übrig gebliebenen Fisch oder Stück Fleisch im Schnabel taucht er in demselben Augenblick wieder auf. Ebenso die Pelikane: eifrig schwimmen sie auf dem Wasser hin und her, nach Beute unter dem Wasser spähend. Ist sie erblickt, so verschwindet unter dem hochaufklatschenden Wasser der Kopf im Augenblick und das Erfaßte ist sofort mit hochgehaltenem Schnabel verschluckt.

Einen prächtigen Anblick gewährt der schwarze Schwan, wenn er, die flüchtigen Gänse vor sich hertreibend, mit gewaltigen Ruderschlägen das Wasser durchschneidet, oder wenn er, sein Gefieder, und besonders seine schönen gekräuselten Rückenfedern ordnend, den langen ungewöhnlich schlanken Hals in den herrlichsten Linien bewegt, und die Sonne durch ihre Beleuchtung das Schauspiel vollendet. Die beiden weißen nur gemeinschaftlich sich bewegenden Störche machen hingegen einen mehr komischen Eindruck; mit eigenthümlicher Gravität steigen sie einher, oder lassen vielleicht gar beide zugleich mit auf den Rücken gelegten Köpfen und senkrecht in die Höhe stehenden Schnäbeln ihr närrisches Klappern eifrig und, wie es scheint, zu großer Erbauung ihrer selbst ertönen.

Eine fatale, aber unvermeidliche Operation mag für die Vögel das Verschneiden der Flügel sein, denn da ihr Aufenthaltsort blos eine Umgitterung, wegen der Bäume und der Größe des Raumes aber keine Bedachung hat, so kann blos dadurch ihr Entweichen verhütet werden, und die Beobachtung, daß bei wieder wachsenden Schwungfedern ein Vogel mit Erfolg Flugübungen anstellt, ist zugleich die Mahnung, hier einzugreifen.

Ist es recht ruhig, vielleicht Vormittags, wo die Besucher nicht zahlreich sind, so hört man, wenn man den Wasservögeln zuschaut, ein eigenthümliches, in regelmäßig kurzen Zwischenräumen wiederkehrendes Knistern oder mehr leises Klappern. Es sind dies die Rennthiere, die sich in der Nähe befinden, und zwar ein Bock, eine Kuh und ein Junges, welches letztere, irren wir nicht, im Frühjahr dieses Jahres im Garten selbst geboren wurde. Obgleich der Bock mit einem ganz bedeutenden Geweih, welches überhaupt beim Rennthier sich durch seine Größe auszeichnet, gekrönt ist, so ist doch das ganze Thier eigentlich nicht schön. Der in gleicher Linie mit dem Rücken gesenkt getragene Hals, der mehr knochige Bau geben ihm etwas Kuhartiges, wozu auch die breiten Hufe, die sich beim Auftreten noch mehr auseinander breiten und das Thier dadurch zum Laufen auf dem Schnee befähigen, nicht wenig beitragen. Die Hufe sind es auch, welche an den Hinterbeinen beim jedesmaligen Aufheben des Fußes zusammenschlagen und jenes Knistern verursachen. Rastlos wandern die Thiere, eins hinter dem andern, den ganzen Tag an den Schranken ihres Geheges entlang, nur bisweilen auf kurze Zeit bei einem Haufen weißlichen Mooses verweilend, jedes Mal aber durch zahllose Mücken und Fliegen, von denen sie arg geplagt werden, bald wieder verscheucht.

Denen, welche wissen, daß bei dem Rennthier auch das Weibchen Geweihe trägt, muß es auffallen, daß die hier befindliche Renthierkuh zu der Zeit, wo doch der Bock sein Geweih hat, keine Spur eines solchen zeigte. Da unser Besuch in den August fällt, so ist übrigens das Geweih des Bockes noch von seiner dünnbehaarten Haut (dem Bast) umgeben und hat daher, wie überhaupt die Geweihe auch der andern Hirscharten, ein fremdartig haariges Ansehen. Anziehend ist es jedenfalls, das Thier, welches gewissermaßen als die Lebensbedingung der Lappländer und anderer nördlicher Völker bekannt ist, hier zu beobachten, zumal dasselbe, gleich dem Kameele des Südens, den Beweis liefert, daß manchmal da die Schönheit am meisten fehlt, wo der Nutzen am größten ist.

Einige Schritte von den Rennthieren wohnen die eigentlichen Edelhirsche, die Bewohner unserer Wälder. Es ist hier immer ein kleines Rudel zu finden, bestehend aus einem älteren Bock, einigen jüngeren und mehreren Weibchen und Jungen, so daß man stets Gelegenheit hat, die Geschlechter in ihren verschiedenen Altersstufen kennen zu lernen. Sind außerdem noch vollständig erwachsene Böcke vorhanden, so werden diese gewöhnlich abgesperrt, um Kämpfe zu vermeiden. Wir können uns hier füglich kurz fassen, da in diesem Blatte der Hirsch in der Pracht seines freien Waldlebens bereits so schön geschildert wurde, daß die beste Schilderung nach gefangenen Thieren von vornherein verfehlt wäre. Auch sie werden außerordentlich von Fliegen geplagt und legen sich, besonders die Böcke, deswegen und wohl auch wegen der Hitze oft gleich in’s Wasser, wenn ein Regen die dazu hergerichtete Vertiefung mit Wasser gefüllt hat.

Schon von weitem erblicken wir jetzt durch das Gebüsch das schneeweiße Fell eines hin und her gehenden Thieres, eines erst zwei Jahre alten, aber für dieses Alter schon ganz respectabeln Eisbären. Wir befinden uns, näher kommend, an einem Häuschen, welches, innen in mehrere Behälter getheilt, nach außen rechts und links mit ziemlich großen, oben gleichfalls geschlossenen Eisenkäfigen versehen ist, deren mit Steinen gepflasterter Fußboden in der Mitte ein Wasserbassin enthält. Die ganze Einrichtung ist den Bären gewidmet, zur Zeit dem oben erwähnten Eisbär und zwei Exemplaren des in der letzten Zeit vielgenannten grauen Bären. Der Eis- oder Polarbär auf der einen Seite des Hauses ist ein prächtiges Thier, wie man es in reisenden Menagerien wegen des immer nicht ganz zu vermeidenden Schmutzes wohl nie finden wird.

Auf der entgegengesetzten Seite des Hauses kauert in einem anderen Käfige der gefürchtete graue Bär. Seit die Felsengebirge Nordamerika’s mehr durchforscht werden sind, ist dieses Thier sehr häufig genannt worden, und es scheint in diesen Gegenden eine bedeutende Rolle zu spielen. Als eine Lücke würde es wenigstens erscheinen, wenn in einem Reisewerke über die dortigen Regionen seiner nicht erwähnt würde, und auch auf der Expedition, deren Erlebnisse in dem neuen Werke von Möllhausen so anschaulich geschildert werden, wurden zahlreiche Fußspuren einer wegen Wassermangel ausgewanderten Bärengesellschaft entdeckt, obgleich ein Zusammentreffen mit den Thieren selbst nicht stattgefunden zu haben scheint. Die beiden hier befindlichen Exemplare haben zwar offenbar

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_675.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)