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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Der zoologische Garten, am Ende des stauberfüllten, gleichwohl aber von jedem Vollblut-Berliner innig verehrten „Thiergartens“ gelegen, gehört unter die Sammlungen, welche selbst von denen, die nur wenige Tage an einen Berliner Aufenthalt wenden können, gewiß besucht werden. Er bildet einen umschlossenen, von hübschen Gartenanlagen verzierten Hain, welcher in allen Richtungen von Wegen durchkreuzt ist, an denen in kleinen Entfernungen die einzelnen Gehege und Behälter der verschiedenen Thiere sich befinden. Man macht somit von Einem zum Andern gehend einen angenehmen Spaziergang, und da nach jedem Gesehenen der Weg zum Folgenden eine kleine Erholung gewährt, so hat man den Vortheil, nicht zu schnell zu ermüden, was bei der beträchtlichen Anzahl der Thiere sonst leicht der Fall wäre.

Freilich Mancher, der die stehenden Menagerien von London, Paris, Amsterdam und wohl auch Schönbrunn gesehen hat, geht vielleicht achselzuckend wieder heraus.

Aber wenn auch die kaiserliche Menagerie zu Schönbrunn, die der Schreiber dieses auch gesehen, großartiger erscheint wegen ihrer reichen Anzahl von imponirenden Thieren, so ist doch jedenfalls der Berliner zoologische Garten viel unterrichtender, also bildender, und das soll der wahre Zweck eines für das Publicum bestimmten Institutes sein. Er ist unterrichtender, weil man, so weit es überhaupt die Verhältnisse zulassen, fast immer die hauptsächlichsten Gattungen aus den drei obersten Thierclassen vertreten findet und weil diese Vertretung wo möglich auch mit durch unsere inländischen Thiere geschieht. Wie viele Besucher, denen Löwe und Tiger abgedroschen vorkamen, haben z. B. dort zum ersten Male Dachs, Fuchs, Hirsch, Reh, Eber, Reiher, Kranich u. dgl. lebend in der Nähe gesehen, denn alle diese Thiere werden von den Besitzern reisender Menagerien verschmäht, weil sie den großen Haufen nicht locken, es müßte denn sein, daß, wie dies z. B. schon Jahre lang in einem reisenden „Thiermuseum“ geschah, unser heimischer Dachs, der biedere Grimbart, als afrikanischer Honigdachs vorgestellt ward. Dieser Schwindel ist indeß eben nur mit wenigen unserer einheimischen Thiere zu riskiren.

Versuchen wir nun in Folgendem, denen, die das Institut noch nicht kennen, eine kurze, vielleicht zum Besuch anregende Schilderung, denen, die es besucht haben, eine kleine Erinnerung zu geben.

Das Eintrittsgeld von 5 Sgr., (2½, wenn wir Handwerksbursch, Soldat oder dgl. sind) ist bezahlt, und das Geschrei und Gekreisch der gleich am Eingang sichtbaren Papageien, welches unparteiisch einen Jeden empfängt, schallt auch uns entgegen. Bei ihnen – vorüber denn wer hat nicht rothe und blaue Aras, gelb- und rothgehaubte Kakadus gesehen? – folgen wir der ersten, als Wegweiser sich zeigenden, auf einer Tafel gemalten Pfeilspitze, wie sie durchweg im ganzen Garten den zu verfolgenden Weg bezeichnen, so daß man sicher ist, sich höchstens zweimal zu verirren, wenn man ihnen folgt.

Ein schwerwandelndes Thier mit gewaltigem Geweih schreitet in seinem Gehege einher. Wie gemästet tritt es uns entgegen in seiner feisten Fülle, und wenn der Wapiti- oder Riesenhirsch aus Canada, denn ein solcher ist es, in seiner heimathlichen Freiheit dieselbe Feistigkeit erreicht, so mag er wohl mehr Kraft, schwerlich aber dieselbe Flüchtigkeit entwickeln, wie unser einheimischer Edelhirsch. Die Last seines mächtigen, wohl vierzehnendigen Geweihes trägt er nur mit gesenktem Haupte, und gleichwohl macht sein ganzer Anblick den Eindruck einer imponirenden Kraft. Dieser Hirsch war früher mit einem andern von gleicher Größe zusammen in einem Gehege, derselbe wurde aber verkauft, und so hat der Zurückgebliebene Jahre lang ein einsames Leben geführt, bis ihm kürzlich als Gefährtinnen zwei Hirschkühe derselben Art beigesellt worden sind; mochte aber die Jahreszeit für ihn noch nicht gekommen sein, oder war er durch Noth ein unverbesserlicher Junggesell geworden, genug, er nimmt jetzt keine Notiz von ihnen.

Das unaufhörliche Gekreisch und Gequiek aus dem nebenanstehenden Haus bezeichnet uns dasselbe, noch ehe wir die Urheber sehen, als das Affenhaus, einen der wichtigsten Anziehungspunkte des ganzen Gartens. Und in der That, selbst wer das Treiben dieser Gauner hundertmal gesehen, wer sich vorgenommen, gar nicht hinzusehen, wird doch, ist er einmal dort, unwillkürlich ihnen einige Blicke zuwenden, und wohl schwerlich ein Lächeln unterdrücken können. Es ist daher die dort aufgehängte Tafel, auf welcher vor Taschendieben gewarnt wird, nirgends so am Platze, wie hier, wo das Publicum über der Aufmerksamkeit auf das stets wechselnde Schauspiel vor sich leicht die nöthige Vorsicht vergessen kann.

Nur einige Minuten braucht man sich am Affenhaus aufzuhalten, um fast immer Zeuge komischer Scenen zu sein. Das eine Mal herrscht vielleicht allgemeiner Hader und Flucht der schwächern Partei, oft erregt auch nur ein Einzelner durch arrogantes Benehmen das Mißfallen der Andern, und rächt sich dafür, wenn er sich fühlt, durch entschiedenes Mißhandeln derer, welche er erreicht. Spaßhaft ist es, wenn ein Langgeschwänzter an dem verlängerten Theile seines werthen Ichs erfaßt und erbarmungslos daran herumgezerrt wird; er hat oft Ursache genug, die Verzierung hinwegzuwünschen. Freilich gibt es auch Scenen, die besser hinter den Coulissen vor sich gingen. Eine indeß, welche auch das Licht des Tages nicht zu scheuen hat, wird dem, der sie gesehen, nicht leicht aus dem Gedächtniß entschwinden. Wenn die Mittagshitze am höchsten gestiegen, und allgemeiner Waffenstillstand die Folge davon ist, sitzt oft die ganze zahlreiche Gesellschaft in Gruppen zu Zweien und Dreien auf dem Boden vertheilt, und Alle sind emsig beschäftigt, gegenseitig die wahre Bedeutung der vier Buchstaben L, a, u, s aufzufinden. Der Ernst und die Sachkenntniß, welche dabei entwickelt werden, können der Wichtigkeit des Gegenstandes nicht angemessener sein, und hat schon eine einzige solche Gruppe viel Komisches, so ist der Anblick dieses ganzen Vereins in der That höchst lachenerregend.

Gewiß ist es, nicht das Ebenbild, sondern die furchtbarste Carricatur des Menschen bleibt der Affe!

Verlassen wir endlich das Affenhaus, was Manchem schwer genug wird, so werfen wir noch vorher einen Blick auf die Schildkröten, welche auf einem runden, durch Korbwerk umschlossenen Grasplatz sich bewegen, und an der Innenseite ihrer Gefängnißwand durch fortwährendes Herumgehen sich einen Pfad ausgetreten haben, den sie nun beschreiten können, ohne je umkehren zu müssen, ein Vortheil, der bei dem vorauszusetzenden Begriffsvermögen einer Schildkröte dem Zustande der Freiheit ziemlich nahe kommen muß.

Länger halten wir uns in dem Häuschen des Kaimans oder südamerikanischen Krokodils auf, welcher indeß fast stets in seinem Wasserbehältniß liegt, und nur ausnahmsweise auf dem Sandboden nebenan zu sehen ist. Sieht man ihn aber dann die wenigen Schritte thun, welche der enge Raum zuläßt, so schleift er keineswegs den Bauch am Boden, wie man aus der Stellung beim ruhigen Liegen zu schließen geneigt sein könnte, sondern er bewegt die kurzen Beine in ziemlich senkrechter Richtung und viel gelenkiger, als die langsame Schildkröte.

Es ist dies überhaupt einer der vielen Vortheile, welchen die zoologischen Gärten vor den wandernden Menagerien voraus haben, daß man fast in allen Fällen die Thiere in ihrer eigenthümlichen Bewegungsart beobachten kann, denn bei letztern ist wegen der stets gebotenen Raumersparniß die Möglichkeit derselben fast nie gegeben. Der besprochene Kaiman ist übrigens sechs Fuß lang, also schon von respectabler Größe.

Der Vortheil einer frei gewährten Bewegung tritt auch bei dem zunächst sich präsentirenden Kasuar, welcher neben zwei neuholländischen Straußen logirt, in helles Licht. Von letzteren ist leider der eine lahm, und auch dem andern fehlt die Lebendigkeit, wie man sie bei Rennvögeln gern voraussetzt. Dagegen erstaunt man über die gewaltigen und dröhnenden Schritte, mit welchen der Kasuar nach einem hingeworfenen Brocken sich stürzt, er ist voller Leben und voller – Freßgier. Gewiß erfordern auch seine gewaltigen Beine, die mit ihrer langen Innenkralle eine mächtige Waffe abgeben müssen, einen lebhaften Stoffwechsel. Ueberhaupt ist er ein stattlicher Gesell, mit seinem pechschwarzen, fast haarartigen Kleide, seinem prachtvoll blauen Halsbehänge mit den beiden rothen Päffchen unten dran und dem festen Helm auf seinem Kopf. Das herrliche Braun seiner glänzenden Augen leuchtet stets im feurigen Glanze und die nickende Bewegung seines Halses läßt in der Sonne dessen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 674. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_674.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)