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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

braunen Haare sind so lang und dick, daß sie früh schier nicht damit fertig werden kann, aber sie sind doch wie ein Spiegel so glatt. Sie hat nicht den trotzigen Ausdruck des Bruders, sie ist sanft und gefällig, aber ein resolutes Mädchen ist sie auch, wenn’s gilt. Beide haben in ihrer Art was die Weißbacher „fürnehm“ nennen. Sie sagen: „Man säh’ doch gleich, wo sie her wären.“

Die alte Magdalene war aus Weißbach gebürtig, die Tochter vom Kreiser, und weil sie als Kind schon was Anstelliges und ihre Mutter früh verloren hatte, wurde sie immer auf’s Schloß zur kleinen „Freilen“ geholt. Sie kriegte auch Unterricht mit ihr, weil es hieß, es lernte sich besser zu Zweien, und wie sie größer wurde, lernte sie bei der Kammerfrau Nähen und Kleidermachen, Waschen und Bügeln. Sie war in Allem geschickt und das Freilen Josephe und sie hatten sich immer gern. Wie sie alle Zwei achtzehn Jahre alt geworden waren, hieß es, das Freilen Josephe machte bald Hochzeit; und so war’s. Der junge Herr von Walden war der Freund von ihrem Bruder, dem jungen Herrn von Weißbach, und als Student in den Ferien mit nach Weißbach gekommen. Da hatte ihm das Freilen Josephe so gut gefallen, daß er sie nimmer hatte vergessen können, obgleich sie erst funfzehn Jahre alt war; und wie er ausstudirt hatte, war kein Haltens mehr. Es war auch nicht nöthig, denn sein Vater war der reichste Mann in Franken, hatte Güter und Capitalien die schwere Meng’ und nichts gegen die Heirath. Es wurde also richtig gemacht, und wie der Bräutigam kam, war ein Jubel ohne Ende.

Schön war es von der Freilen Josephe, daß sie mitten in der Freude doch immer auch an die Magdalene dachte, und ihr Erstes war, daß sie verlangte, sie müßte mit ihr ziehen. Sie sollte gar nicht wie die andern Dienstboten, sondern mehr wie eine Haushälterin gehalten werden, und der jungen Frau mit Hülfe an die Hand gehen. Dem Bräutigam, das kann man sich denken, war Alles recht, und so wurde es ausgemacht, daß die Magdalene mit zöge. Es war noch Einem nicht einerlei, sondern von Grund aus recht, daß sie mit ging, und das war der Jäger vom Herrn von Walden; der stand zu seinem Herrn bald so, wie die Magdalene zur Braut, und hatte schon, wie er das erste Mal dagewesen war, ein Aug’ auf sie geworfen. Er war in seiner Art eben so brav wie sie in ihrer, und zwischen ihr und dem Arnold war’s bald richtig. Die Herrschaft hatte nichts dagegen und versprach, wenn ein paar Jahre hin wären, sollte der Arnold eine gute Stelle als Förster bekommen.

Die Hochzeit wurde gehalten und die jungen Eheleute mit Arnold und der Magdalene zogen ihrer neuen Heimath zu. Es war ein Glück, daß der Himmel nur so voll Geigen hing, und die Frau von Walden dankte dem lieben Gott alle Tage, nicht nur, daß er ihr einen so guten braven Mann gegeben, sondern auch, daß sie an der Magdalene so einen Schatz mit in’s Haus bekommen hatte. Sie war Alles in Allem, das machte, sie sah das Eigenthum der Herrschaft wie das ihrige an. Gerade so machte es auch der Arnold.

Die Magdalene war bildschön und Mancher, der in’s Haus kam, Winters in der Stadt, Sommerszeiten auf dem Gute, klemmte seine gläsernen Gucker scharf in die Augen, um nach ihr hin zu schielen, und reckte sich um ein paar Zoll mehr, wenn er an ihr vorbei ging; aber die Müh’ hätte er sich ersparen können, denn die Magdalene hatte ihren Arnold und er sie mit jedem Tage lieber, und so eine rechte Liebe bewahrt vor Allem, was unrecht ist oder Gefahr bringt. Beide hingen ebenso an ihrer Herrschaft, wie aneinander, und meinten, es gäb’ keine mehr so weit und breit.

Im ersten Jahre kam ein kleiner Baron an, der Max geheißen wurde, und es war eine arge Freude im ganzen Haus. Im zweiten Jahre kam ein Töchterchen, das hieß man Marie, und wie drei Jahre um waren, wurde eine Förstersstelle in Gleichenberg frei, die dem Arnold schon lang versprochen war. Es wurde ihm und der Magdalene freilich sauer, die Herrschaft zu verlassen, aber sie hatte treulich gedient, und jedes denkt doch gern einmal an den eigenen Heerd, jeder ist sich endlich doch einmal selbst der Nächste. Sie zogen nach Gleichenberg.

Die Magdalene war von Kindesbeinen an gut gewöhnt gewesen, darum hielt sie auf sich und Alles, was um sie her war; das wird nicht schwer, wenn’s Einem nie knapp gegangen ist. Sie hielt aber nicht nur auf Ordnung, es mußte auch Alles nach was aussehen. Sie hatten gar manches schöne Stück zusammengetragen, und die Herrschaft hatte sie auch noch reichlich ausgestattet. Da sah’s freilich in der Försterei ganz anders aus, wie in irgend einem andern Haus von ihres Gleichen. Die Leute sagten: In der Försterei spiegelte sich Alles.

Gleichenberg, wo sie wohnten, war nur eine Stunde von Waldenberg, wo die Herrschaft sich Sommers aufhielt, und da hatten Försters oft vornehmen Zuspruch von dort her. Die Leute im Dorfe meinten, sie trieben’s doch selber zu fürnehm, und sie würden’s schon nicht lang so treiben. – Der Arnold kriegte manchmal eine spitzige Rede zu hören und er sagte es der Magdalene wieder, sie lachte aber und sagte: „Das ist der pure blanke Neid.“ Und wenn die Leute scheel dazu sahen, daß sie Werkeltags weiße Strümpfe und weiße Fürtücher statt blauer und keine Kappe trug, sondern in bloßem Kopfe ging, so setzte sie erst einen rechten Trumpf-Daus drauf und that’s. Sie legte auch jeden Sonntag Mittag ein reines weißes Tischtuch auf und wenn’s dunkel wurde, stand ein gezogenes Licht statt der Lampe auf dem Tisch. Die Leute hätten sich an Alles gewöhnt, aber daß sie in die Kirche ohne Mantel, mit dem Shawl und Handschuhen ging, das konnten sie ihr nicht vergessen.

Die Magdalene sollte bald in’s Kindbett kommen, und da sagten die Leute: „Nun wird’s ihr schon vergehen; wenn erst ein Kind da ist, gibt’s mehr zu thun, als Staat zu machen.“

Das Kind kam und war ein Mädchen. Die gnädige Frau stand zu Gevatter und hatte schon vorher einen ganzen Koffer voll Sachen, lauter Abgelegtes von der kleinen Freilen geschickt. Die Förstern richtete aber Alles her, daß es aussah, wie nagelneu; das verstand sie perfect, und das kleine Josephechen sah aus wie ein Prinz.

Die Magdalene ließ sich nicht irre machen, und in ihrem Haus sah’s ein Mal so blank aus, wie’s andre Mal. Das Josephechen mußte immer etwas Apartiges an sich haben. Der Arnold konnte nicht genug sagen, wie fleißig seine Frau wäre, und weil’s gar nicht rücklings, sondern eher vorwärts mit ihnen ging, so mußten die Leute still sein.

Ueber Eins schwieg aber der Arnold selber nicht. Wie die Josephe größer wurde, hielt’s die Mutter wohl auch tüchtig zur Arbeit an, aber sie erzählte ihr immer dabei, wie schön ’s bei den „fürnehmen Leuten“ wär’, und die fürnehmen Leute machten Alles anders und Alles viel schöner und besser, wie sie’s machten, und wenn sie groß wäre, sollte sie auch als Kammerjungfer zu ihrer Frau Pathe oder zur Freilen Marie kommen. Da mußte das Josephechen nur immer dran denken, wie sie Alles recht fürnehm wollte machen, und wenn sie einen Eimer Wasser holte, so dachte sie, ob die fürnehmen Leute den Eimer wohl auch so hielten, wie sie ihn hielt. Da drüber fing der Arnold an zu brummen und war auch gar nicht der Meinung, daß seine Josephe Kammerjungfer würde. Wie hoch hinauf die andern Leute mit den Achseln zuckten, davon wollen wir gar nicht reden, denn man hätte viel zu thun, wenn man allemal hingucken wollte, wo Eins über’s Andre die Achseln zuckt. Die Mutter stellte dem Vater, wenn er brummte, dann allemal vor, wie gut es ihr im Haus ihrer Herrschaft ergangen sei, und er wäre doch auch als Hausfrau mit ihr zufrieden; aber der Förster sagte es ihr gerade heraus, wenn sie ihn nicht immer an der Seite gehabt hätte, könne man gar nicht wissen, wie’s gegangen wäre, wenigstens wäre sie gewiß nicht frei von Anfechtungen geblieben.

(Schluß folgt.)     


Ein Besuch im zoologischen Garten zu Berlin.
(Erster Artikel.)

Nach Berlin reist man bekanntlich nicht seiner Gegend wegen, es müßte denn in sehr melancholischer Stimmung sein, sondern es sind die Sammlungen und Werke der Kunst und Wissenschaft, welche die Besucher zur Metropole der Intelligenz hinziehen. Es ist in dieser Beziehung während der letzten Jahrzehnte Außerordentliches dort geleistet worden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_672.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2018)