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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

sie. Sie stand neben mir, das mit Blut bedeckte Messer, das meinem Gürtel entfallen, in der Hand. Damit hatte sie ihn vollends getödtet. Nicht ohne Mühe arbeitete ich mich unter dem schweren Körper hervor. Ich betrachtete ihn nun genauer. Der gemordete Greis war ein Orang-Utang, eines jener Geschöpfe, deren Existenz so lange von den Naturforschern geleugnet wurde, bis neuere Forschungen ihr Dasein bewiesen. Die Hütte, welche er bewohnte, war ohne Zweifel die verlassene Wohnung eines jener malayischen Einsiedler, die ziemlich zahlreich auf Borneo zu finden sind. Das Innere war sehr bequem eingerichtet. Die Behaglichkeit (comfort sagt Trelawney) einer schottischen Bauernwohnung war in die Hütte eines Affen der Insel Borneo übertragen.“




Katzen-Orgel. Katzengold, Katzenminze, Katzenkopf, Katzenjammer, Katzenmusik sind Alles Begriffe, die Jedem mehr oder weniger aus dem Sprachgebrauche oder eigener Erfahrung bekannt geworden sind; befremdend möchte aber Vielen die „Katzenorgel“ klingen. Hiermit hat es folgende Bewandtniß: Der Hofnarr irgend eines melancholischen Fürsten, der seine ganze Erfindungskunst aufbot, um seinen melancholischen Herrn zu heilen, kam unter Anderen auch auf die Idee, eine Partie verschiedene Katzen, alte und junge, mit groben und feinen Stimmen, in Abtheilungen einer Kiste gesondert einzusperren, und zwar so, daß die Schwänze derselben durch je ein Loch in so viel Röhren gingen und da festgehalten wurden, so viel der Katzen waren. Am vorderen Theile der Kiste befand sich eine Klaviatur, deren Tangenten unter jene Röhren reichten und je einen Stift trugen, der beim Anschlagen der Tasten die betreffende Katze in den Schwanz stechen mußte.

Diesen Marterkasten stellte er nun an einen passenden Platz und als der Fürst traurig einherkam, griff er nicht, wie einst David, zur Harfe, sondern schlug herzhaft auf die Tasten, und „ein Lied, das Stein erweichen, Menschen rasend machen kann“, wenigstens wenn sie dadurch aus dem Schlafe geweckt werden, vertrieb auf einige Zeit den bösen Geist aus dem Monarchen.

Ob der Hofnarr, dessen Name uns eben so unbekannt, wie der seines Herrn, der Erfinder dieser Katzenorgel gewesen sei oder ob er aus Brüssel Kunde davon bekommen hat, müssen wir dahin gestellt sein lassen. So viel ist aber gewiß, daß Jean Christoval Calvette, welcher die Reise Philipp’s II. im Jahre 1545 von Madrid nach Brüssel beschreibt, unter den daselbst angestellten Festlichkeiten auch der Katzenorgel gedenkt. Sie wurde von einem Bären gespielt, Affen, Bären, Wölfe, Hirsche und andere Thiere tanzten darnach um einen Käfig, in welchem zwei Affen auf Dudelsäcken den Gesang der Katzen accompagnirten. Es gab das sicher ein Concert, gegen welches unsere modernen Katzenmusiken nicht in Betracht kommen!




Aus den holsteinischen Marschen. III. Wir haben in ganz Deutschland keinen Volksstamm kennen gelernt, der im Grunde seines Charakters conservativer wäre, als der holsteinische, zumal in den Marschen. Nur muß man unter diesem conservativen Charakter nicht den Begriff einer gewissen Partei, das zähe, egoistische Festhalten an verrotteten, abgelebten und deshalb naturwidrigen Zuständen verstehen, sondern die beharrliche stete Ausdauer im Kampfe für das durch gewissenhafte Prüfung errungene Rechtsbewußtsein und Geltendmachung desselben, die Scheu vor der Annahme von Neuerungen, über deren Werth oder Unwerth nicht das eigene Urtheil zu Gericht gesessen, und die Pietät, mit welcher jenes Charakteristische der Volkssitte gepflegt wird, über dessen Verschwinden alle wahren Patrioten Ursache zur begründetsten Klage haben. Wir wollen in Bezug auf letztern Punkt nur zwei Seiten hervorheben. Wenn irgendwo in Deutschland, so gilt noch in den Marschen der alte deutsche Spruch: Ein Mann, ein Wort, gilt noch hier das feste, unverbrüchliche Halten des Versprechens. Wir waren Zeuge, wie Landleute bedeutende geschäftliche Verträge, Kauf, Pacht, Darlehn u. s. w. abschlossen, ohne nur eine Zeile darüber niederzuschreiben, das einfache, gegebene Wort genügte. So sind auch die Processe wegen Meineids oder leichtsinniger Eidesleistung die verhältnißmäßig seltensten. Eine andere Tugend der Marschbauern, die allerdings durch gewisse locale Verhältnisse unterstützt wird, ist die Gastfreundschaft, die sie üben. Die Gastfreundschaft der Dithmarschen, dieses kernigen Menschenschlags, die von den ältesten Zeiten an freie Männer waren, nie einen Edelmann, der sie mit Frohnden und Lasten beschweren wollte, unter sich duldeten, dieser kühnen, tapfern Bauern, welche Jahre lange Kriege mit den Königen von Dänemark, den Herzögen von Oldenburg und andern Fürsten und Herren führten, und vor deren langen Spießen und Morgensternen der Schreckensruf herging, welcher mehr als einmal die Söldnerschaaren erbleichen ließ: „Garde, hab’ Acht, der Buer (Bauer) kommt“, diese dithmarschische Gastfreundschaft besteht auch jetzt noch. Sie machen dabei nicht viele Worte, wie denn überhaupt die Leute hier oben, im Vergleich zu den Mittel- und Süddeutschen, weniger redselig, schweigsamer sind. Rege und bewegliche Phantasie besitzen die Süddeutschen überhaupt in bedeutenderem Maße, ein Grund, weshalb das Kunstleben dort auch auf einer viel höheren Stufe steht, als hier, wo schon das alte Sprüchwort: „Holsatia non cantat“ die in dieser Hinsicht geringere Befähigung ausdrückt.

Besonnene Ruhe, praktischer Blick, Kaltblütigkeit in der Gefahr sind die hervorstechendsten Tugenden des Marschbewohners. Es sind dies Vorzüge, die sie mit dem übrigen Volke Holsteins und Schleswigs theilen, und deshalb sind auch die Matrosen aus unsern Herzogthümern Holstein und Schleswig die besten, welche je auf dem Salzwasser gefahren, und weder Holländer, noch Engländer und Amerikaner können in ihren eigenen Ländern so treffliches Schiffsvolk werben, wie das unserer norddeutschen Küsten ist. Die Leser dieser Zeilen werden sich wohl noch des furchtbaren Sturmwetters erinnern, welches am 25. Juli d. J. über das nordwestliche Deutschland mit so unerhörter Heftigkeit, wie es im Sommer seit Jahrzehnten nicht der Fall gewesen, hereinbrach. Eine Menge Schiffe gingen dabei zu Grunde, und auf der Elbe allein verloren gegen hundert Menschen das Leben. Ich befand mich damals gerade an der holsteinischen Küste, und mit einem kleinen Handfernrohr konnte man deutlich den Kampf der vom Sturm überraschten Schiffe gegen die Elemente wahrnehmen. Zwei Schiffe besonders, die ganz in der Nähe der Küste steuerten, ein portugiesisches und ein holsteinisches, erregten unsere Theilnahme. Beide Schiffe waren in gleich gefährlicher Lage – entweder unterzugehen oder zu stranden. Auf dem Portugiesen, dessen Schiffsmannschaft vielleicht 12 bis 15 Mann stark war (genau konnten wir trotz unserer guten Fernröhre bei dem Sturm der entfesselten Elemente die Mannschaft nicht zählen), schienen schon alle Bande der Disciplin gelöst zu sein. Wir sahen die Matrosen rathlos und verwirrt durcheinander laufen, und ein Commando des Capitains schien es gar nicht mehr zu geben. Auf dem holsteinischen Schiff dagegen herrschte eine geordnete Rührigkeit, wie sie kaum besser bei einem Scheinmanöver auf einem Kriegsschiffe Ihrer Großbritannischen Majestät auf der Rhede vor Spithead gefunden werden kann. Unweit des Steuerruders stand die kurze, gedrungene Gestalt des Capitains, mit dem Sprachrohr in der Hand, in dem Tauwerk hing die Mannschaft und die Befehle wurden, wie gesagt, mit einer Pünktlichkeit und Ruhe ausgeführt, als wölbte sich der klarste blaue Himmel über ihren Häuptern und als spiegelte sich das goldene Sonnenlicht in ruhiger, glatter, von sanftem West bewegter Fluth. Das Resultat war leicht vorauszusehen. Der Portugiese ging – ein Rettungsversuch von der Küste aus mißlang trotz der übermenschlichen Anstrengung der Schiffer – zu Grunde und der Holsteiner kam mit schweren Verletzungen, aber doch ohne Verlust an Gut und Mannschaft davon.

Wenn sich je die Hoffnung Deutschlands verwirklicht, eine Kriegsflotte zu besitzen, so werden uns diese Gegenden, sowie Ostfriesland, Mecklenburg, Oldenburg, Matrosen liefern, wie sie kein Land der Erde besser hat. Es ist hier gar nichts Seltenes, daß ein fünfzehn- oder sechzehnjähriger Bursche, der kaum einen Flaum auf der Lippe hat, schon in Valparaiso, Kanton oder Bombay, zum wenigsten aber in Grönland war. Elmshorn und Glückstadt sind nämlich die beiden Häfen des südwestlichen Holsteins, die noch Grönlandfahrer auf Wallfisch- und Robbenjagd nach dem nördlichen Eismeer aussenden. In den letzten Jahrzehnten haben sich diese Grönlandfahrer jedoch bedeutend vermindert. Denn während noch vor vierzig Jahren 10 Schiffe von Glückstadt nach den nördlichen Meeren auf Wallfisch- und Robbenfang ausliefen, ist die Zahl jetzt bis auf zwei oder drei herabgesunken. Die Ursache ist der immer geringer werdende Ertrag dieser gefährlichen Expeditionen, von denen schon so manches Schiff nie wieder zum heimischen Hafen zurückkehrte, und dieser geringe Ertrag hat seinen Grund wieder in dem Hinderniß, welches, bei lange anhaltendem Winter, das Eis dem Auslaufen der Fahrzeuge in den Weg legt. Engländer und Schweden, die gleich in das offene Meer fahren können, sind deshalb stets früher in den Gewässern, wo der beste Fang zu machen ist, und nehmen die beste Beute vorweg. Der heurige Ertrag des einen Schiffs (der Glückstädter „Lucie“) waren 2000 Stück Robben und zwei Wallfische. Die Zeit des Auslaufens fällt gewöhnlich gegen Ende März bis Anfang April, die der Heimkehr gegen Ende Juni oder Anfang Juli.

Eine ganz charakteristische Belustigung des jungen Volks in der Marsch ist im Winter, wenn die Felder hart und fest gefroren sind, und eine glänzende, weiße Eisdecke Gräben und Bäche überzieht, das Eisbosseln. Die Bossel ist eine kleine, eiserne Kugel, welche im Ricochetwurf über die festgefrornen Felder und Wiesen geschleudert wird. Es gehört viel Uebung, eine gewisse Kraft und Geschicklichkeit zu diesem harmlosen Kampfspiel, welches ganze Kirchspiele nach vorhergegangener feierlicher und förmlicher Herausforderung mit einander abhalten. Eine Hauptperson ist dabei der „Kretscher“, welcher in zierlicher, wohlgesetzter Rede die Herausforderung überbringt und dann den Sieg der triumphirenden Partei feiert, während er die unterlegene durch launige Scherzreden neckt. Ein lustiger Abend im Wirthshaus, wo die Sieger von den Besiegten mit Punsch, Grog und Rothwein tractirt werden, beschließt die friedlichen Wettkämpfe. Das Eisbosseln ist ein höchst populäres und beliebtes Spiel in der Marsch, und Männer, die schon seit vielen Jahren in Amt und Würden stehen, erinnern sich noch mit lebhaftem Vergnügen jener Kämpfe ihrer Jugendzeit.

Erwähnen wir zum Schluß unserer Skizze noch eine Tugend des Marschbauers: die Häuslichkeit. Der Besuch der Wirthshäuser und Schankwirthschaften ist bei Weitem nicht so im Schwang, wie in vielen Gegenden Mittel- und Süddeutschlands, wo das Kneipenleben in erschreckendem Maße überhand genommen, und alle edleren Blüthen des Lebens zu ersticken droht. Ist aber nun auch diese Tugend anzuerkennen und zu loben, so darf doch auch nicht unerwähnt bleiben, daß vielleicht mit darin die Ursache einer gewissen Exclusivität zu suchen, die sich sowohl auf dem Lande, als in den Städten der Marsch geltend macht. Die verschiedenen Kreise der Gesellschaft sind viel strenger von einander geschieden, als in dem mittleren und südlichen Deutschland, wo die Gesellschaft unstreitig demokratischere Principien in dieser Hinsicht hat, ein Vorzug, der wohl verdient hervorgehoben zu werden, da er auf die Entwicklung unserer socialen Verhältnisse von bedeutendem Einfluß ist.

K. Wtg.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_608.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)