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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

worden. Der Erbprinz war ein gutmüthiger, für höhere sittliche Eindrücke nicht unempfänglicher Herr, fast zwölf Jahre älter als seine Gemahlin, von gewöhnlicher Begabung und ohne tiefere Bildung. Einen solchen Gatten konnte die geniale Fürstin nicht mit der Gluth und Schwärmerei lieben, deren ihre Seele fähig war, ja zu welcher sie das Bedürfniß hatte. Aber sie war ihm eine treue Gattin. Nie ist der reine Spiegel ihrer Tugend von einem leidenschaftlichen Hauche getrübt worden. Sie wachte streng über ihrem Herzen und hatte, so jung, so geistreich, so gefühlvoll und lebensfroh sie war, doch die größte sittliche Gewalt über sich. Aber die Kämpfe, die ihr das gekostet haben mag, konnten nicht ohne Einfluß auf ihr späteres Leben und ihren Charakter bleiben, und der dunkle Schatten, der auf das Leben ihres Sohnes, des Herzogs Ernst fiel, und das trübe, fast unheimliche Erlöschen des Fürstenhauses herbeiführte, hat in ihnen gewiß seine erste Wurzel. Für den Erbprinzen und das Land war diese Wahl vorerst vom reichsten Segen. Friedrich war eine lenksame Natur, und erkannte den hohen Werth seiner Gemahlin.

Die Trennungsstunde war für die beiden Freundinnen eine schwere. Die Erbprinzessin hatte ihrer Stiefmutter den Wunsch an’s Herz gelegt, das Fräulein von Neuenstein mit nach Gotha nehmen zu dürfen, aber die alte Herzogin konnte sich nicht entschließen, zugleich beide ihr theuern Wesen von sich zu geben. Oft flogen nun Briefe zwischen Gotha und Coburg hin und her, voll der reinsten und zärtlichsten Herzensergüsse, und kein Jahr verging, daß die Freundinnen sich nicht umarmten.

Schon im Frühling 1732 starb der Herzog Friedrich II. von Gotha und Altenburg erst im höheren Mannesalter, und Friedrich III. trat die Regierung der beiden Fürstenthümer an. Die schöne und fruchtbringende Wirksamkeit der Herzogin Louise Dorothee begann. Ihr Geist hatte nun die volle Reife und Festigkeit erlangt. Sie war das herrlichste und genialste Weib nicht allein des Landes, welches sie als Herrin verehrte. Vielleicht hatte das deutsche Reich keine zweite Frau, welche alle hohen und edlen Eigenschaften des Geistes und Herzens in so vollendeter Weise mit den anmuthigsten körperlichen Reizen vereinigte. Wer hätte in ihre Nähe kommen können, ohne von ihr entzückt und bezaubert zu sein! Um ihren Mund spielten die neckischen Götter süßer Schalkhaftigkeit und edlen Frohsinns; aus ihren Augen leuchtete vom Lichte der Jugend und Freude verklärtes Selbstbewußtsein; auf ihrer Stirn thronte die göttliche Majestät des Genies, und diese entfernte die Nebel der Unwissenheit, des unsittlichen Stolzes, der forcirten Frömmigkeit und des nüchternen Glaubenseifers, von welchen die Schlösser der Großen erfüllt waren, aus ihrer Nähe. Sie wollte die Sonne der Wissenschaft über ihrem Haupte rein glänzen sehen, und ihr Land davon erleuchtet und erwärmt wissen, und das Gestirn strahlte über Gotha, wie die Sonne des Geistes siegend aus dem Auge seiner Fürstin glänzte.

Als Herzogin wiederholte sie die Bitte um Franziska von Neuenstein bei ihrer Stiefmutter, aber mit nicht mehr Glück als früher, und erst im Jahre 1735, als sie zum ersten Male Mutterhoffnungen fühlte, erreichte sie das Ziel ihrer Wünsche. Erst nach sieben Jahren wurden die schönsten Wünsche des Fürstenpaares und des Landes erfüllt, aber nun erwachte auch die Sehnsucht nach der Jugendfreundin mit einer Stärke in Louise Dorothee’s Seele, deren stürmischem Verlangen die Herzogin-Wittwe von Meiningen nicht länger widerstehen konnte. Franziska siedelte als erste Hofdame nach Gotha über.

Von jenem Tage der Wiedervereinigung begann ein neues und höheres Leben am gothaischen Hofe, ein ideelles und spirituelles Wirken und Schaffen, wie es kein deutscher Hof weiter aufzuweisen hatte. Die beiden Freundinnen haben sich nicht mehr getrennt; in treuer Liebe sind sie zusammengestanden 32 Jahre lang, eng vereint bis zum Tode der Herzogin 1767, und sie haben Herrliches vollbracht; denn die glänzende Bildung und Humanität Gotha’s zu Ende des vorigen Jahrhunderts war allein ihr Werk. Diese Culturperiode ist freilich gänzlich abgeblüht, und ein unparteiisches Urtheil darüber zum Spruche gereift. Niemand wird die öffentliche Anerkennung der Verdienste dieser beiden Frauen heute eine Schmeichelei zu nennen wagen, und mit ehrfurchtsvollem Staunen darf sich das Auge zurück auf diesen einzigen Freundschaftsbund der beiden Frauen und ihre Größe richten.

Auch Franziska kam reif und gefestigt nach Gotha. Kein adliger Mann hatte es verstanden, ihr Herz zu gewinnen. Alle, mit welchen sie in Berührung gekommen, waren rohe und raffinirte Lüstlinge gewesen, hohle Puppen, bemüht, die sittliche Fäulniß ihres Wesens, an welcher die höhere Gesellschaft krank lag, mit Essenzen und Pomaden zu überduften, oder in ein Bußgewand zu stecken; Bacchus- und Nimrodsbrüder, oder weinerliche Frömmler oder galante lustige Betbrüder. Das waren keine Männer für ein Weib wie Franziska von Neuenstein. Und doch brachte sie ein lebhaftes Interesse für einen jüngeren Mann, als sie selbst war, mit an den Hof nach Gotha, und theilte dieses auch der fürstlichen Freundin mit. Dieser Mann war aber ein Fürst, dessen Gattin Franziska von Neuenstein nicht werden konnte: es war der Kronprinz Friedrich von Preußen.

Die Herzogin von Meiningen stand mit dem ihr blutsverwandten preußischen Hofe in enger Verbindung. Der König Friedrich Wilhelm I. war ihr Neffe. Das Familienunglück, welches die Jugend des Kronprinzen Friedrich verdüsterte, ging ihr nah. Noch innigern Antheil nahm ihre geniale Hofdame daran. Wenn die Augen von ganz Europa sich nach Potsdam und Berlin richteten, als die Flucht des Kronprinzen mißglückt war, durch welche er sich der Tyrannei seines Vaters hatte entziehen wollen, so zitterte in Coburg das Herz dieser Hofdame für das Leben dieses Prinzen; denn sie wußte aus den Familienbriefen, welche ihre Gebieterin empfing, wie sehr dasselbe gefährdet war. Bald nachdem dieser bedrohliche Sturm am Haupte des Kronprinzen vorübergegangen war, reisete die Herzogin von Meiningen mit ihrer Hofdame nach Berlin zur Vermählungsfeier der königlichen Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine mit dem Erbprinzen von Bayreuth (1731), und hier sah Franziska zuerst und unerwartet den vom König begnadigten neunzehnjährigen Friedrich, der sie seiner besonderen Aufmerksamkeit würdigte, und von dessen künftiger Größe eine Ahnung in ihrer Seele aufging. Sie überzeugte sich in einigen Unterredungen mit ihm, daß er nicht nur ein genialer Mensch, sie fand auch, daß er ein ausgezeichneter Tänzer sei. Sie hatte die Freude, mit ihm Schwäbisch zu tanzen, worin sie als naturalisirte Schwäbin alle Damen des Berliner Hofes übertraf.

(Schluß folgt.)




Meine liebsten Hausheilmittel.

Auch wenn ein Stoff nicht aus der Apotheke stammt, so kann er doch ein ganz vortreffliches Heilmittel sein, ja man wagt wirklich nicht zu viel, wenn man behauptet, daß die meisten Apothekenmittel eigentlich gar keine und am allerwenigsten vortreffliche Heilmittel sind. Daß aber alle Mittel der homöopathischen Apotheken, sogar die mit lebensmagnetischer Kraft zusammengeschüttelten und dadurch wirksamer gemachten homöopathischen Mittel der Lutze’schen Hausapotheken (mit 135 Mitteln für 2 und 60 Mitteln für 1 Louisd’or, mit 80 Mitteln für 7 und mit 40 Mitteln für 2 Thaler) in homöopathischer Gabe = 000 d. h. gleich ganz und gar Nichts sind, versteht sich von selbst. – Naturgemäße Hausmittel, passend angewendet, die sind es, welche in den allermeisten Fällen von Kranksein die wahren Heilmittel abgeben, obschon ihnen fast stets, vom Kranken wie vom Arzte, ganz ungerechter Weise ihre Heilmacht abgesprochen und irgend einem gleichzeitig angewendeten, aber mittels Receptes aus der Apotheke herbeigeholten, übrigens ganz unnützen Arzneistoffe zugesprochen wird. Es verhält sich dies ganz so wie mit den Bädern und Mineralwässern; was geistige und gemüthliche Ruhe, vernünftige körperliche Bewegung, Licht und Luft, Wasser und Nahrung in den Bädern Gutes am Kranken thun, das wird dem Bischen Arzneistoffe (Salzen, Schwefel, Eisen, Kohlensäure u. s. w.) oder wohl gar dem Brunnengeiste im Mineralwasser zugeschrieben. Weil dies aber von den Meisten geschieht, und das Trinken und Baden für wichtiger als das diätetische Verhalten während der Cur gehalten wird, eben darum nützen auch die Badereisen so Wenigen. Ja wenn nicht blos von Denen, welchen ein bestimmtes Bad geholfen zu haben scheint, so laut die Heilkraft desselben ausposaunt würde, sondern wenn auch Die, denen ein Bad nicht nur nichts genützt, sondern sogar geschadet hat, ihre Stimme über die Wirksamkeit desselben hören ließen, der Besuch der Bäder und die Consumtion

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