Seite:Die Gartenlaube (1858) 576.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Operationen bekommen sollen, mit welchen man in England und Amerika zu dampfpflügen angefangen. Man versucht’s noch auf verschiedene andere Weise, ist aber bisher noch mit keiner vollkommen zufrieden. Die königliche Agricultur Gesellschaft hat über 20 Preise auf verschiedene Ackerbau-Maschinen ausgesetzt und den ersten von 500 Pfund Sterllng auf den besten Dampfpflug. Beweises genug, daß man zugibt, den besten noch nicht gefunden zu haben.

Aber es ist auf tausenderlei Weise theoretisch und praktisch eine neue, wissenschaftliche und künstlerische Bahn für den Ackerbau, den goldenen Boden alles menschlichen Gedeihens, gebrochen worden und schon in den mannichfaltigsten Regungen betreten und befahren.


Der Dampfpflug.


Der eigentliche Zweck des Dampfpfluges ist, eine größere Tiefe zu erreichen und so den bisher unbenutzbar bleibenden Unterboden mit zu verwerthen, aus der Tiefe zu gewinnen, was an Ausdehnung auf der Oberfläche etwa mangelt, außerdem die unten wuchernden schädlichen Wurzeln auf die Oberfläche zu bringen und so von Luft und Sonne zerstören zu lassen (oder zu entfernen), Summa Summarum den durch flache Cultur erschöpften Boden aus der Tiefe zu recrutiren und so bessere und ergiebigere Ernten zu sichern.

Was unsere Abbildung betrifft, so fügen wir hinzu, daß die lebendigen Einhegungen der Ackerfläche nicht etwa Phantasie, sondern über den ganzen englischen Boden millionenfach in Kreuz und Quere gezogene lebendige Einhebungen und Verbarricadirungen sind, theils um persönliches Grundeigenthum überhaupt besser zu sichern, theils um Kühe, Schafe und Pferde im Herbste und Winter darauf ohne Hirten zu weiden. Gemeinde-Hirten und Gemeinde-Triften gibt’s nicht in England. Jeder für sich ein- und abgeschlossen in Haus, Heerd, Herz und Hutung.




Ein Abend bei Mendelssohn mit Lessing.

Es war am Freitag zur Abendstunde; der jüdische Gottesdienst ging zu Ende, der Vorbeter hatte schon das Schlußgebet gesprochen oder vielmehr in singendem Tone vorgetragen, wobei er es nicht an den üblichen Bewegungen und Schütteln, Beugen und Verneigen des Oberkörpers fehlen ließ. Die Gemeinde verließ die in der Heidereitergasse gelegene große Synagoge und strömte in ziemlicher Unordnung und mit orientalischer Lebhaftigkeit zu dem geöffneten Portale hinaus, um sich in den benachbarten Straßen und Winkelgassen zu verlieren, wo die meisten Juden in Berlin damals zu wohnen pflegten. – Mitten in dem summenden Schwarme befand sich ein Mann, der unter seinen beweglichen Glaubensgenossen eine hervorragende Stelle einzunehmen schien, denn wo er sich zeigte, machte man ihm ehrerbietig Platz und begrüßte ihn mit dem üblichen Zurufe: „Gut Schabbes, Reb Moses!“

Diesen Vorzug hatte er jedoch keineswegs seiner körperlichen Gestalt, noch weniger seinen Reichthümern zu verdanken. Er war klein und verwachsen, eine merkliche Erhöhung, die man fast einen Buckel nennen konnte, verunstaltete seinen Rücken; sein Hals war schief und nach einer Seite geneigt, aber auf diesem Halse ruhte ein Kopf, der bei genauerem Anschauen durch seinen geistigen Ausdruck unwillkürlich Achtung und Interesse einflößen mußte. Die hohe Stirn, mit bräunlich krausem Haar bewachsen, trug den Stempel, welchen die großen und tiefen Ideen wie einen Abglanz des Ueberirdischen um das Haupt des Denkers zurücklassen; um die feinen Lippen schwebte ein eigenthümliches Lächeln, das man versucht war für ironisch zu halten, wenn nicht die Milde und Freundlichkeit des ganzen Mannes dieser Annahme widersprochen hätte. War es Ironie, so schien es die göttliche Ironie eines Sokrates zu sein. – Zuweilen aber nahm dieses Lächeln einen wahrhaft schmerzlichen Ausdruck an und man bemerkte dann wohl um den Mund jenen traurigen Zug, welchen Jahrhunderte voll Leid und Schmach dem Volke der Juden aufgedrückt. – Ein unaussprechlicher Zauber aber lag in den dunklen Augen dieses Mannes, welche trotz ihres Glanzes so sanft und freundlich dreinschauten, daß man über ihre friedliche Klarheit seine Mißgestalt vollkommen vergessen mußte. Es war die Tiefe des Philosophen, die Milde des Menschenfreundes,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 576. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_576.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)