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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

dessen süßes Wasser in zahlreichen Buchten und Kanälen in seine Ufer eindringt.

Ehe wir die einzelnen Formen dieser uns fremden Pflanzenwelt mustern, lassen wir die nicht minder befremdende Stille des Ortes in unser Gemüth einziehen. In den Wipfeln der uns umragenden Bäume tönt nicht das kräftige Rauschen unserer deutschen Laubwälder, sondern nur ein feines, melancholisches Säuseln bebt über uns in der Luft, ähnlich demjenigen, welches der Abendwind hervorruft, wenn er durch die feinbenadelten Kronen eines Kieferngehölzes auf einsamer Hügelkuppe im Felde streicht. Kein einziger thierischer Laut mischt sich in dieses verstohlene Kosen des warmen Lufthauches mit der zarten Belaubung. Ein frischer grüner Wald ohne Sänger, etwas uns völlig Neues, umgibt uns; ja, selbst die Insectenwelt ist nur durch wenige vereinzelte Stücke vertreten. Dagegen ist das Wasser von Thieren mancherlei Art belebt und zwischen ihm und dem Lande spielt schon hier wie auch heute eine Amphibie, der sonderbare Archegosaurus, eine Eidechse, die Vermittlerrolle. Schnecken und Muscheln bedecken den schlammigen Grund der Gewässer, über welchem die Fische in bereits sehr großer Mannichfaltigkeit der Arten ihr Element durchgleiten, hier, wo Alles stumm ist, den Beinamen der stummen eigentlich nicht verdienend. Höheres zeigt uns die Thierwelt nicht, denn Vögel und Säugethiere ruhen noch tief in der unerschöpflichen Vorrathskammer schöpferischer Gestaltungspläne.


Ein Blick in einen Steinkohlenwald.


So ist denn unsere Aufmerksamkeit beinahe allein an die Pflanzenwelt gewiesen.

Der erste Blick erinnert uns an den melancholischen Charakter unserer Fichtenwälder und diese unwillkürliche Vergleichung läßt es uns Anfangs übersehen, daß hier etwas fehlt, weil es ja auch unseren Fichtenwäldern, wenn auch nicht so gänzlich, mangelt: der bunte Blüthenschmuck. Grün und nur Grün in vielen Abstufungen. Die Form der Blätter ist im wesentlichen nur eine dreifache: die einfache Nadelgestalt unserer Kiefern und Fichten, die säbelförmigen Blätter unserer sogenannten Schilfgewächse und die fein zusammengesetzten Blätter der Farrenkräuter. Nur einige niedrige unscheinbare Pflanzen zeigen noch eine andere Blattform. Unsere Erinnerung an die Pflanzenschätze der Gewächshäuser macht uns nach und nach vertraut in dieser Geister-Pflanzenwelt. Wir glauben Casuarinen und Araucarien, Fichten, Pandanen und baumartige Farren zu sehen, welche letztere auch in der That in reicher Mannichfaltigkeit in diesem unterirdischen Zauberhaine vor uns stehen. Aber jene Casuarinen und die anderen täuschenden Formen sind etwas ganz Anderes und mit Ausnahme der Farrenkräuter haben wir durchaus nur Pflanzen vor uns, welche höchstens Familienähnlichkeit und nur wenige, welche Gattungsverwandtschaft mit heutigen haben.

Keiner der Bäume trägt in die Augen fallende Früchte, noch weniger solche, welche zur menschlichen Nahrung dienen könnten. Doch dazu war ja auch in jenen Jahrtausenden kein Bedürfniß

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_573.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)