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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)


Von einem momentanen Mißtrauen überfallen, hielten wir einen Augenblick unsre Pferde an und sahen uns nach unserm Kaïd um, aber sein wohlwollendes, ruhiges Lächeln beruhigte uns und wir hörten nun, daß er Ben-Jellul von unsrem Kommen benachrichtigt hatte, und daß dieser in eigner Person kam, um uns einzuholen. In diesem Augenblicke begrüßte uns die nahende Truppe mit einer tausendfach in den Bergen wiederhallenden Gewehrsalve und wenige Minuten später hatte der Kalifat und sein Sohn uns erreicht. Wir schüttelten uns die Hände auf’s Freundschaftlichste; Ben-Jellul dankte uns mit Herzlichkeit für das Vergnügen, das wir ihm durch unser Kommen bereiteten, während die uns begleitenden Araber seinen Burnuß und seine Steigbügel küßten, und bald darauf ritten wir an der Seite des Wüstenfürsten seiner Residenz zu.

Ben-Jellul ließ das Zeichen seiner Macht, eine grüne, reich mit Gold gestickte Fahne, vor sich hertragen. Er wollte uns mit allem ihm zu Gebote stehenden Pomp empfangen und ich habe diesen Empfang in so dankbarem Gedächtnisse, daß ich von den Leistungen der Musiker, die uns ganze anderthalb Stunden mit einer Fanfare von zehn sich ewig wiederholenden Takten regalirten, kein Wort sagen will; aber ich bin fest überzeugt, daß der Director dieser Musikschule nicht allzugroße Mühe gehabt haben kann. um seine Eleven bis zu dieser Höhe der Kunstfertigkeit zu bringen.

Nachdem wir endlich eine Art Avenüe hinter uns gelassen hatten, kamen wie auf einem Platze an, welcher mit einem Wassertrog und einem Brunnen versehen war, und hielten vor dem Palais unsres Wirthes.

Im Vergleich zu den Bauwerken, die es umgaben, konnte man den Palast Ben-Jelluls großartig und prächtig nennen. Es war ein umfangreiches, in maurischem Geschmack erbautes Haus, welches westlich mit einem Säulengange verziert war und aus einem etwas erhöhten Parterre und einer ersten Etage bestand, über welcher sich eine Plattform befand. In der Mitte der Gebäude lag ein Hof, nach welchem hin sich sämmtliche Fenster der Zimmer öffneten.

In diesem Hofe wurden wir empfangen. Ein Springbrunnen kühlte hier die heiße Luft. Die Steinplatten des Fußbodens waren mit Teppichen belegt und hier und da lag ein Kissen, das uns zum Sitze dienen sollte. Etwas seitwärts stand ein niedriger Tisch, mit Schüsseln und Körben besetzt, in denen sich Wassermelonen, Datteln und Feigen befanden. An jedem Ende der Tafel erhob sich eine Pyramide von Orangen; ein Dutzend kleine Tassen, die auf kleinen silbernen Dreifüßen standen, waren für den Kaffee bestimmt, und drei große Gefäße voll Schnee theilten ihre Frische den Limonadenkrügen mit, die man in ihrer Mitte versenkt hatte.

Man servirte den Kaffee und während unsre Araber die Pferde in die an das Haus grenzenden Schuppen brachten, konnten wir nach Belieben das Landschaftsbild betrachten, das sich uns durch die Zwischenräume der maurischen Colonnade zeigte. Im Norden erhoben sich mächtige terrassenförmig aufsteigende dunkle Bergmassen und südlich dehnte sich die unabsehbare, vom Sonnenlicht vergoldete Sahara vor uns aus. Einige ferne Karawanen, die nur wie bewegliche dunkle Linien erschienen, und der leichte Nebel einiger Quellen, der in die Luft aufstieg und hin und her wogte wie ein weißer leuchtender Federbusch, boten die einzigen Ruhepunkte für das Auge. Der Anblick dieses glänzenden unendlichen Sandmeeres macht einen großartigen Eindruck auf jeden für Naturschönheiten empfänglichen Menschen und unser Auge schweifte noch immer ungesättigt bald über die Wüste hin, bald zu den Gipfeln der Berge hinüber, als Ben-Jellul zu uns trat und sich entschuldigte, daß er uns nicht in seinem eignen Palaste aufnehmen könnte. Da Frauen im Hause seien, sagte er, wäre das unmöglich. Dann ließ er uns in ein andres Gebäude führen, welches zwar an seinen Palast grenzte, aber nicht damit in Verbindung stand.

(Fortsetzung folgt.)




Stein- und Braunkohlen und Torf.[1]
Von E. A. Roßmäßler.
Woraus entstanden die Steinkohlen?

Zwischen den Bedürfnissen, nicht blos des Menschengeschlechts, sondern aller Thier- und Pflanzengeschlechter und den tausenderlei Befriedigungsmitteln jener besteht ein so inniges und oft so überraschend bedingtes Wechselverhältniß, daß man sich über Diejenigen nicht zu sehr wundern darf, welche die allerdings wunderliche Meinung aussprechen, es seien jene Befriedigungsmittel eine vorausbedachte Abhülfe für das später auftretende Bedürfniß. Bei den Steinkohlen hört man diese sonderbare Umkehr zwischen Ursache und Wirkung zuweilen auch aussprechen. Ein vorausbedachter Wille soll da die Steinkohlen im Schooße der Erde niedergelegt haben, damit sich später mit ihrer Hülfe die großartige Industrie unseres Jahrhunderts entwickele! Ist es nicht gescheidter, die Sache einfach zu nehmen, wie sie ist, d. h. Ursache und Wirkung in ihrer naturgemäßen Aufeinanderfolge zu lassen und zu sage: das Vorhandensein der Steinkohlen ist eine selbstständig bedingte Thatsache, und erst in zweiter Linie wird sie die Ursache für den ungeheueren Aufschwung unserer Industrie.

Immerhin aber bleibt es ein erhabener Gedanke, die Ereignisse unserer Tage mit Zuständen in unmittelbarem Folgezusammenhange zu sehen, welche vor Millionen von Jahren stattfanden, die Wurzeln des mächtig und über den ganzen Erdkreis verzweigten Baumes der Industrie der Culturvölker Tausende von Fußen tief in den Erdboden verfolgen zu können.

Wo jetzt der Bergmann im finstern Schacht die Steinkohle bricht – die unerläßliche Bedingung der Fabrikindustrie, die emsige Gehülfin des Arbeiters, das oft blos erträumte Gut des Actienschwindels – da grünte einst eine stille Pflanzenwelt in üppiger Fülle, so verschieden in ihren Formen von der gegenwärtigen, daß ein Bild davon, an die heutigen Fundstätten der Steinkohlen gezaubert, unserem Deutschland einen durchaus fremdartigen Charakter geben würde.

Es ist schon mehrfach versucht worden, nach den vorhandenen versteinerten Ueberresten der Steinkohlenpflanzen landschaftliche Bilder jener Pflanzenwelt zusammenzustellen. Nebenstehendes Bild hat auch einen solchen Versuch gemacht und ein Blick auf dasselbe lehrt uns, daß Saarbrücken und Zwickau, wenn wir sie wieder mit einer solchen Pflanzenwelt umgürten könnten, das Ansehen von Städten der Südsee-Inseln oder von Peru gewinnen würden. Damit soll jedoch nur ein oberflächlicher Vergleich ausgesprochen und keineswegs gesagt werden, daß auf den Südsee-Inseln und in Peru oder überhaupt irgendwo auf der Erde eine solche Pflanzenwelt zu finden sei. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß von allen jenen Pflanzenarten keine einzige auf uns gekommen ist, ja, daß die meisten Geschlechter und sogar ganze Familien derselben völlig ausgestorben sind.

Machen wir mit der alle Hindernisse überwindenden Gedankenlocomotive eine botanische Excursion in einen Steinkohlenwald. Auch die Naturwissenschaft, die doch vor allem sich unbestechliche Nüchternheit bewahren muß, auch sie hat ihre Zaubermärchen und Feengärten. Es würde meinen Lesern die geistige Rückkehr in längst verklungene Aeonen oder Zustände, und somit den Erfolg meiner Worte erleichtern, wenn sie mit diesem Blatte in der Hand hinuntersteigen könnten in einen tiefen Kohlenschacht, um in einer ausgebeuteten Weitung bei dem schwachen Scheine des Grubenlichtes unser Bild zu betrachten und die nachfolgende Schilderung zu lesen.

Unser Blick dringt nicht in weite Ferne und unser Fuß schweift nicht auf bequemen trockenen Pfaden, denn eine dichte Pflanzenwelt hüllt uns in ein mattes Dämmerlicht und der Boden ist von Wasser durchtränkt und vielfach von Lachen und natürlichen Canälen verdeckt. Die Luft ist mit feuchtwarmen Dünsten erfüllt und das Sonnenlicht fällt nicht in blendenden Strahlen von einem blauen Himmelsgrund hernieder, sondern durchleuchtet als weißer Schein die dampferfüllte Atmosphäre.

Der Ort, wo wir uns befinden, ist ein Punkt in dem pflanzenreichen flachen Ufergelände, welches einen großen Binnensee umschließt,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_572.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)