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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Talent meßbar sein mag, das ungewöhnliche nur schwer gemessen werden kann, das Genie vollends gar nicht. Es entspringt also aus den vielen Studienvorschriften, wenn sie durchzusetzen sind, einförmige Regelmäßigkeit, mit welcher man in schwierigen Hauptfällen doch nicht berathen ist. Wahr ist es, das ganz Schlechte wird dadurch aus Schule und Universität abgewehrt, aber vielleicht wird auch das ganz Gute und Ausgezeichnete dadurch gehemmt und zurückgehalten. Im Durchschnitt betreten jetzt die Schüler die Akademie mit gründlicheren Kenntnissen, als vormals; aber im Durchschnitt geht dennoch daraus eine gewisse Mittelmäßigkeit der Studien hervor. Es ist Alles zu viel vorausgesehen und vorausgeordnet, auch im Kopfe der Studirenden. Die Arbeit des Semesters nimmt unbewußt ihre Richtung nach dem Examen; der Student muß alle Collegia hören, worüber er Zeugnisse beizubringen hat. Dagegen bleibt ihm keine Zeit übrig, diejenigen zu hören, die ihm nicht vorgeschrieben sind. Der Staat hat dadurch gewisse Vorlesungen gleichsam zu officiellen gestempelt und die übrigen, die nebenbei gehört werden können, herabgesest.“

Jakob Grimm.

Wilhelm Grimm.

Nach Photographieen von S. Friedländer in Berlin.

Im Jahre 1804 trat Savigny eine wissenschaftliche Reise nach Paris an, von dort ließ er den ihm liebgewordenen Jakob auffordern, dahin zu kommen, um ihn bei seinen literarischen Arbeiten zu unterstützen. Mit Freuden wurde ein solch’ ehrenvolles Anerbieten angenommen. Wenige Wochen darauf saß er auf dem Postwagen und traf über Mainz, Metz und Chalons Anfangs Februar in Paris ein, wo er sich unter der Leitung eines solchen Lehrers und Freundes bald in die Schätze der dortigen überreichen Bibliothek vertiefte. Unterdeß war die liebevolle Mutter jede Nacht aus dem Bette aufgestanden, um nach dem kalten Wetter auszuschauen. Frankreich schien ihr ganz außer dem Bereich der Welt zu liegen und sie hatte nur mit heimlicher Angst ihre Einwilligung zu der damals unendlich weiten Reise gegeben.

Im September 1805 wurde die Heimreise angetreten, in Marburg traf er mit Wilhelm zusammen, mit dem er sich nach Kassel begab, wohin die Mutter unterdeß von Steinau gezogen war, um von nun an in der Mitte ihrer Kinder zu leben. Jakob suchte eine Anstellung, die er nach vollendetem Examen mit Noth als

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_560.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2018)