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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Poppäa Sabina begrub, wurde mehr Weihrauch und Cassia verbrannt, als ganz Arabien in einem Jahre nachwachsen lassen konnte. Plinius erzählt von gemalten und polirten Scheiterhaufen, und während in dem alten Gesetz der XII Tafeln nur ein einziger Scheiterhaufen zur Verbrennung einer Leiche erlaubt war, brannten bei der Todtenfeier Sulla’s deren sechstausend.

Nach den bisherigen in drei Abhandlungen eingetheilten Betrachtungen sehen wir den Luxus der ersten Periode, der niederen Culturstufe, in noch roher Weise auftreten; er ist grobsinnlich, geht nur auf das Massenhafte oder äußerlich Prunkende und leistet gewöhnlich blos dem Müßiggange Vorschub. In der zweiten Periode, der Blüthezeit eines Volkes, nimmt auch der Luxus den schönsten Aufschwung. Er fördert alsdann, indem er zur Nachahmung anspornt, die Production mächtig, Millionen finden durch ihn ihr genügendes Brod in der Werkstätte der zahllosen Artikel, mit denen der Handel und die Industrie die höheren Bedürfnisse erweitern, den Comfort, die Behaglichkeit des Lebens vergrößern und dem Wechsel des Geschmacks und der neuerungssüchtigen Mode zuarbeiten. Schon Colbert erkannte dies und ermunterte den Luxus überall. Auch die arbeitende Classe gelangt in dieser Zeit zu einem größeren Genusse des äußeren Daseins und erhält ihren Antheil an dem höheren Geistesleben der Nation.

Interessant ist es nun, einen Blick in die Luxusgesetzgebung der einzelnen Jahrhunderte zu thun. Sie tritt natürlich durch die mittelalterliche Periode hindurch als Bekämpferin des Luxus auf und die angedrohten Strafen gehen vielfach bis zur Todesstrafe. Es spiegelt sich also in dieser Zeit durchaus der sittliche Grund in ihnen wieder und erst gegen das Ende derselben schaut aus ihnen die Absicht heraus, das alsdann mächtig aufblühende Bürgerthum in seinem Aufwande, namentlich in seiner Tracht niederzuhalten, um der schon sinkenden Aristokratie, welche außer der Prätension höherer Abkunft bald Nichts mehr voraus hat, im Luxus überhaupt, zumeist aber in der Kleidung, noch einen unterscheidenden Vorzug zu wahren.

Bei den Griechen richtete sich zuerst die lykurgische Gesetzgebung gegen den Luxus. Niemand solle ein Haus oder Hausgeräth besitzen, das mit feineren Werkzeugen als Beil und Säge verfertigt wäre. Bei Speisen dürfen außer Salz und Essig keine Gewürze gebraucht werden. Namentlich gegen die Leichenpracht und die Putzsucht der Frauen wendeten sich seine Verbote und waren über letztere besondere Aufseher gesetzt, die gleichzeitig auch die Gastmähler controlirten. Die solonischen Gesetze erlaubten der Braut als Mitgift nicht mehr als drei Kleider und einige wohlfeile Gefäße. Der altitalische Gesetzgeber Zaleukos verbot, ungemischten Wein zu trinken, und wollte den Uebertretungsfall mit dem Tode bestraft wissen.

In Rom bestanden gegen den Begräbnißluxus schon einige Königsgesetze, Sulla verschärfte sie und verbot gewisse Speisen, sowie die Glücksspiele. Der Standesunterschied der Ritter und Senatoren zeigte sich in den nach bestimmten Vorschriften gearbeiteten Ringen. Nach dem oppischen Gesetz dem Jahre 215 v. Chr. Geb. sollte keine Römerin mehr als eine halbe Unze Goldes noch bunte Kleider besitzen. Später gelang es den Frauen unter dem Consulate des älteren Cato, die Rücknahme dieses Gesetzes zu erwirken.

Wenn schon bei den Griechen nach Vorschrift der solonischen Gesetzgebung die öffentlichen Köche die Größe der bei ihnen bestellten Mahlzeiten der Obrigkeit anzeigen mußten und Niemand mehr als dreißig Gäste laden sollte, so erließ später der Tribun Orchius im Jahre 187 v. Chr. Geb. die Verordnung, daß zur Erleichterung der Controle alle Gastmähler bei offenen Thüren abgehalten werden sollten, wozu die Lex Fannia im Jahre 161 v. Chr. Geb. das erlaubte Maximum der Kosten eines Gastmahls bestimmte.

Derselbe ältere Cato verbot nachmals den römischen Frauen alle theuern Schmucksachen und Equipagen, wie von ihm schon früher fremde Salben und kostbare griechische Weine untersagt worden waren. Im Jahre 161 v. Chr. Geb. wurde ferner auch bestimmt, nicht mehr als 100 Pfund Silbergeschirr auf die Tafel zu setzen, während früher ein Consul von der Senatorenliste gestrichen worden war, weil er mehr als zehn Pfund Silbergeschirr besaß.

Unter den gesetzlich verbotenen Delicatessen sind bei dem Tafelluxus auch die damals in Mode gekommenen Spitzmäuse und ausländischen Muscheln genannt. Unter dem Kaiser Heliogabalus tagte – ein charakterisirendes Zeichen der Zeit – der weibliche Senat unter dem Vorsitz der Kaiserin Mutter behufs der Niedersetzung einer Kleider-Ordnung und anderer den Umgang betreffenden Bestimmungen. Die Tracht wurde in derselben streng nach den Ständen abgestuft und sogar über das Küssen Vorschriften gegeben. Bekannt ist das einfache Schwarz der venetianischen Aristokratie in Tracht, Verkleidung und Farbe der Gondeln. Niemand sollte vor dem Anderen sich auszeichnen und die Blicke des Volkes auf sich ziehen. Jeder glänzende Luxus war streng untersagt und nur Fremden oder Dirnen eigentliche Kleiderpracht erlaubt. Der Aristokratie dagegen war selbst Schnitt und Stoff des Mantels vorgeschrieben und nur in den Unterzeugen konnte Aufwand entfaltet werden.

Im Mittelalter durften nur die Ritter Gold, Damast und Sammet tragen, die Knappen nur Silber, Atlas oder Tafft. Die meisten Länder des Continents hatten bereits im dreizehnten Jahrhundert Tisch- und Kleider-Ordnungen. In Frankreich ist Philipp IV. der erste Luxusgesetzgeber. Die Bestimmungen betreffen hier meistens die Kleider, in Deutschland dagegen auch neben diesen das Zutrinken. Im vierzehnten Jahrhundert eifert man namentlich gegen den Luxus in Pelzwaaren, im sechzehnten Jahrhundert gegen die Gold- und Silberpracht.

Ein braunschweigisches Gesetz von 1228 läßt bei Hochzeiten höchstens zwölf Schüsseln und drei Spielleute zu. In England verbot man später das Tragen von Seide an Hut, Mütze und Hose. Gegen das Ende unserer deutschen Ritterzeit war es nur den Reichsunmittelbaren erlaubt, Kutschen zu gebrauchen. Philipp IV. hatte in seinen Luxusgesetzen den Aufwand der einzelnen Stände streng geschieden. Die Bürger durften keine Wagen halten, kein Gold, keine Edelsteine und nur gewisse Pelzwerkarten tragen. Selbst der Preis der Stoffe war bestimmt, sowie der Termin, bis zu welchem alle über den Stand hinausgehenden Kleider abgeschafft sein mußten. Die gleichzeitige Tischgesetzgebung verordnete, daß man bei Gastmahlen nur zwei Schüsseln und eine Specksuppe auftrage, während man in England schon unter Eduard III., zwei Gänge zu drei Schüsseln gestattete mit der Erläuterung, daß Pökelfleisch als besondere Schüssel gelte. Nachdem die Geistlichkeit auf den Concilien zu Paris im Jahre 1212 und zu Angers im Jahre 1365 vergeblich gegen die Schnabelschuhe damaliger Zeit geeifert hatte, verbot sie endlich Karl V. in einem Gesetz vom Jahre 1368 gänzlich. Dagegen wurde wiederum von der Ritterschaft auf mehreren Reichstagen heftige Angriffe gegen die Schmaußereien der Geistlichkeit und Mönche gerichtet.

Ludwig XII. wendete sich namentlich gegen den Luxus von Gold- und Silbersachen, und knüpfte den Ankauf von solchen im Werth von über drei Mark an die Einholung des königlichen Consenses. Im 16. Jahrhundert erscheinen mehrere Verbote gegen den Aufwand in Pelzwaaren und Goldstoffen. Der Gebrauch der letzteren wird in einem Gesetz von 1543 nur noch den Enfants de la France vorbehalten. Später brachten es auch die Hofdamen dahin, zu diesem Luxus berechtigt zu werden. In diesem Gesetz wurde den bürgerlichen Frauen untersagt, des Titels „Damoisells“ sich gegen einander zu bedienen. Auch das Maximum des Macherlohns der Kleider für jeden Stand war besonders bestimmt. Doch wurden in dieser Zeit bei Tische bereits drei Gänge zu sechs Schüsseln erlaubt, nur nicht Fische und Fleisch bei einem Gastmahl zugleich.

Seit der Entdeckung von Amerika stiegen die Preise der Luxusgegenstände mit denen der Lebensbedürfnisse. Dies veranlaßte Heinrich III. zum Erlaß seines Luxusedicts vom Jahre 1576. Es wurde alles vergoldete Holz, Blei, Eisen und Leder außer für die königlichen Prinzen untersagt, während man später dem Luxus in feinem Linnen aus Genua und Venedig durch das gesetzliche Preismaximum von 3 Livres für die Elle, nachmals von 9 Livres, zu steuern suchte. Die Strafen gingen bis zu 3000 Livres.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts findet sich ein wichtiger und zugleich interessanter Umschwung in den Motiven der Luxusgesetzgebung. Die Gesetze fassen bis dahin meist die Standesunterschiede in’s Auge, und sprechen dieses Motiv auch ganz offen aus. Allein es ist ein ganz eitles Vornehmen, die Consumtion zu überwachen. Während die Production an die Werkstätten gebunden ist, bedürfte die Controle über die Consumtion eigentlich eines Polizeimannes für jeden einzelnen Haushalt. Von der Unausführbarkeit solcher Prohibitivgesetze überzeugt sich denn endlich auch der Staat selbst, und man läßt sie stillschweigend fallen oder man drückt denjenigen Gesetzen, die man aufrecht erhalten will, entweder einen handelspolizeilichen Charakter auf, oder wandelt sie in rein finanzielle um. Der Bürgerstand ist im Laufe der Zeit erstarkt und wohlhabend

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