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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

No. 36. 1858.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Leyer und Schwert.
Historische Novelle von Max Ring.


I.

Noch nie war das Burgtheater in Wien so gedrängt voll gewesen, als bei der ersten Aufführung des neuen Trauerspiels „Zriny“ von Theodor Körner. Die Jugend des Dichters, die Wahl des Stoffes und die vortreffliche Besetzung hatten ein überaus zahlreiches Publicum herbeigelockt, das mit gespannter Erwartung dem Beginn der Vorstellung entgegensah. Das Parquet war zum großen Theil von den anwesenden Ungarn eingenommen, deren nationaler Held in dem Stücke gefeiert werden sollte. In den Logen saß die Elite der Wiener Gesellschaft, die hochgestellte Aristokratie und die reiche Finanzwelt. Neben der liebenswürdigen Frau von Pereira bemerkte man den preußischen Gesandten, Wilhelm von Humboldt, der, ein Freund von Körner’s Vater, ein ganz besonderes Interesse an dem Erfolge dieser ersten Aufführung nahm.

Der Dichter selbst befand sich hinter den Coulissen, wo er noch einige nöthige Anordnungen zu treffen hatte, obgleich schon mehrere kleine Stücke von ihm auf der Bühne mit großem Beifalle gegeben waren, so konnte er sich doch einer gewissen Aufregung nicht erwehren, die sich in seinen hastigen Bewegungen und in dem stärkeren Pochen seines Herzens bekundete. Es ist ein eigenthümliches Gefühl, das wohl jeden dramatischen Schriftsteller bei einer ersten Aufführung zu ergreifen pflegt. Die größte Aehnlichkeit hat diese Empfindung mit der des Spielers, welcher eine hohe Summe auf eine Karte setzt. Wer mit dem Theaterleben nur einigermaßen bekannt ist, der weiß nur zu gut, daß alle Berechnungen hier täuschen können, und der Zufall seine wunderlichen Launen hat. Die Stimmung des Publicums ist so veränderlich, wie das Glück; sie hängt von einem Ungefähr, von der Lust oder Unlust der Schauspieler, von einer mangelhaften Decoration, von der Ungeschicklichkeit eines Statisten ab. Dennoch liegt ein wunderbarer Zauber in dieser Ungewißheit des Erfolges, und wer einmal mit den Bretern, welche die Welt bedeuten, genauere Bekanntschaft gemacht hat, der läßt nicht bald davon, und wird selbst von einem Mißlingen nicht so leicht zurückgeschreckt.

Aehnliche Gedanken bewegten die Seele des jungen Dichters, der von Hoffnung und Zweifel bestürmt wurde. Das Bild der geliebten Eltern umschwebte ihn, und er gedachte wohl auch des Kummers, den ein nicht vorauszusehender Durchfall seines Trauerspiels diesen bereiten würde. Der treffliche Vater, hinlänglich bekannt als der Freund Schiller’s, hatte die früh sich äußernde dichterische Thätigkeit des jungen Theodor eher zurückgedrängt, als gefördert. Aus eigener Anschauung kannte er das eben nicht beneidendswerthe Loos eines deutschen Poeten. Er rieth um so mehr von einer solchen Laufbahn ab, da er als fein gebildeter Kenner und Kritiker die höchste Anforderung an jeden Dichter stellte, und über alle mittelmäßige Leistungen entschieden den Stab brach.

Der erfahrene, lebenskluge Mann hatte dem Sohne erst vor Kurzem in diesem Sinne geschrieben:

„Zu bedauern ist Jeder, der von der Gunst der Musen Unterhalt erwartet. Nähren soll den Mann sein Geschäft, und hierzu soll sich der Jüngling vorbereiten. Zu der Kunst treibt ihn die Liebe, und was sie ihm dagegen darbietet, hat er blos als Geschenk anzunehmen, aber nie als auf einen Sold darauf zu rechnen. – – Die Kunst sei die Würde Deines Lebens. Widme ihr Deine schönsten Stunden, aber nicht immer zur Production, sondern oft auch zum Studium.“

Theodor besaß trotz seiner Jugend hinlängllche Besonnenheit, um die Richtigkeit dieser väterlichen Worte einzusehen, aber auf der andern Seite trieb ihn sein Genius und der jugendliche Schöpferdrang zu immer neuen Versuchen. Das Glück war ihm dabei in auffallender Weise günstig gewesen; mehrere kleine Lustspiele hatten von Seiten des nachsichtigen Wiener Publicums eine überaus freundliche Aufnahme erfahren, selbst ein größeres Schauspiel „Toni“, nach einer Novelle von Heinrich Kleist gearbeitet, wurde mit enthusiastischem Beifall aufgenommen, und machte den Namen des Dichters schnell bekannt. Um so mehr fürchtete er einen Umschlag der öffentlichen Meinung, zumal er sich in seinem neuen Trauerspiele „Zriny“ auf ein ihm bis jetzt fremdes Gebiet der Geschichte gewagt hatte.

Er verschwieg auch den Schauspielern, welche in seiner Nähe standen, nicht seine Besorgnisse, während diese dem jungen Dichter Muth einzusprechen versuchten.

„Verlassen Sie sich auf mich,“ sagle der erste Liebhaber Korn, welcher die Rolle des „Juranitsch“ in dem Drama spielte. „Ihr Zriny wird nicht durchfallen, dafür haben Sie gesorgt. Der Stoff ist herrlich und die Begeisterung, die aus Ihren schönen Versen weht, muß zünden. Ich kenne meine Wiener. Geben Sie Acht, das Stück macht Furore und bringt Ihnen Geld und Ehre ein.“

„Das gebe Gott,“ seufzte der ängstliche Dichter. „Je länger ich mit dem Theater zu thun habe, desto unsicherer fühle ich mich.“

„Das geht uns Allen so,“ sagte der tüchtige Charakterdarsteller Ochsenheimer. „Ich bekomme jedes Mal wieder das Lampenfieber, wenn ich in einer neuen Rolle auftrete. Für den Ausgang kann Einem kein Mensch einstehen. Ich habe in meiner

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 509. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_509.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)