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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Jahre 1836 begonnen und nach dem Plane und unter der Leitung August Döbner’s, des herzoglichen Baumeisters, bis 1840 in den Hauptmassen vollendet wurde. Das Ganze besteht aus dem mit drei starken Eckthürmen und zwei hohen Plattformen zierend umgebenen Hauptbau und zwei durch Bogengänge und Thormauern damit in Verbindung stehenden Nebenbauten, der Castellanswohnung und dem Thorwarthause. Von diesem bis zu jenem zieht sich eine Ringmauer hin, die einen freundlichen Hofraum umgürtet und das alte Thurmgetrümmer noch mit umschließt. Neben letzterem führt eine Pforte zu dem zweiten neuen Schmuck des Landsbergs, zu der herrlichen jungen Waldanlage, aus deren frischem Grün das Schloß so heiter und anmuthig emporragt und durch welche schattige Fußwege zur ebenfalls neuen und von Döbner nach Schweizermanier erbauten Meierei am Fuße des Hügels führen. Unser Holzschnitt zeigt uns Burg und Berg von dieser Seite.

„Dem äußeren Bilde der Burg entspricht vollkommen das Innere. Die Anmuth herrscht im ganzen Bau vor und hält die Pracht im rechten Maße zur Größe der Räumlichkeiten. Das Mittelalter zeigt uns hier alle heiteren Seiten seiner Lebensformen, und wie Herzog Bernhard II. dasselbe angesehen wissen will, sagt uns der Spruch über der Eingange der Waffenhalle:

„Nicht zurückwünschen laßt uns die alte Zeit,
Wohl aber der Ahnen Kraft und männlich Walten,
Nicht den Lehnsdruck, nicht der Ritter Eisenkleid,
Wohl aber die felsenfeste Treu’ der Alten.“

„Die Waffensammlung selbst ist klein, aber wohl gewählt und geschmackvoll geordnet. Besondere Beachtung nimmt der große Saal (50 Fuß lang, 17½ Fuß breit und eben so hoch) in Anspruch wegen W. Lindenschmitt’s acht historischer Bilder aus der Vorzeit Thüringens, der trefflichen Glasmalereien, der reichen gothaischen Schnitzereien am Holzgetäfel der Wände, des Credenztisches, der geschmackvollen Kerzenleuchter und der neuerdings dort aufgestellten sehr wertvollen Autographensammlung. Drei hohe Glasthüren verbinden diesen Saal mit der 3219 Quadratfuß großen nördlichen Plattform der Burg, die den Blick nach Norden und Osten frei läßt.

„Das nordöstliche Thurmzimmer und das Lutherzimmer sind hauptsächlich mit Sculpturwerken Ferdinand Müller’s ausgeschmückt, jenes mit einem beziehungsreichen Turnierfries, dieses mit Reformatorenstatuetten. Eine besondere Zierde des letzteren ist Kellner’s (in Nürnberg) Glasgemälde: „Der Tod der Maria.“

„Im zweiten Stock des Schlosses fesselt uns im Mittelzimmer ein Bild, das alle heiteren Eindrücke der bisher durchwandelten Räume plötzlich verdüstert. Da sitzt der arme Thyrann auf dem Balkone, das abgefeuerte Gewehr im Schooße, im Gesicht das Zeugniß eines vom Glaubenswahn verbranntem Gehirns: „Karl IX. nach seinem ersten Schusse auf die Hugenotten in der Barholomäusnacht“, Beck’s treffliche Copie nach Wapper’s weltberühmtem Gemälde. Auch die übrige Zimmergesellschaft kann einem ehrlichen Deutschen das Herz nicht erleichtern: Kaiser Karl V., Tilly und Ferdinand II. von Spanien. Was die in den Freinächten der Geister während der heiligen Zeit da droben mit einander berathen mögen? – Offenbar, um eine protestantische Opposition gegen etwaige Beschlüsse dieser gefährlichen vier Herren zu ermöglichen, hält im nordöstlichen Eckzimmer eine Versammlung von anderen Männern geheimen Rath: Ernst der Fromme, Bernhard von Weimar, Gustav Adolph, Philipp der Großmüthige und Friedrich von der Pfalz; Erzengel Michael, der Drachenbesieger, ist ihnen sinnig zugesellt, letzteres ein feineres Holzrelief. – Nachdem wir noch die Laube, das Spruch- und das Stammbaumzimmer, deren Bestimmung und Hauptschmuck durch die Bezeichnung erklärt ist, betrachtet haben, besteigen wir vom ebenfalls noch zimmerreichen dritten Stock aus die Schneckenstiege des 120 Fuß hohen Hauptthurmes, auf dessen freier Zinne wir 456 Fuß über dem Spiegel der Werra und 1343 Fuß über der Nordseefläche stehen.

„Gleichwohl kann die Aussicht in das von höheren Bergen begrenzte und an sich schmale Thal der Werra nur eine beschränkte sein. Außer den fern herüberschauenden Köpfen der Rhön und des Thüringerwaldes sind die Berge der Nähe, Geba und Dolmar, die Zierden des Rundbildes, welches gegen Süden die untere Vorstadt von Meiningen, nach Norden die berühmte Tabaksstadt Wasungen mit den Trümmern der ehemaligen Burg Maienluft (im Hintergrunde unseres Holzschnittes sichtbar) und außerdem noch zwischen Feldern und Wiesen und an Waldrändern und kahlen Höhen 8 Dörfer und Einzelnhöfe, die Meierei des Landsbergs eingeschlossen, in sich faßt. Anstatt der Aussicht erquickte mich auf der Thurmzinne beim Hinabblick auf das Schloß eine wohlthuende Einsicht. Vergleiche, lieber Leser, die Jahre vor der Julirevolution, wo die großen Sonnenblumen der ersten Restauration blühten, mit der Gegenwart: damals wieder, wie zu Ludwig’s XIV. Zeit, war Paris die Sehnsucht aller Prinzen, und nur das Ausland bot standesmäßige Bezugsorte für alle feineren Bedürfnisse der höheren Regionen. Was „nicht weit her“ war, taugte nichts, und wer nichts taugte, war „nicht weit her“. Ist das nicht anders, nicht besser geworden? Bei den schönsten Arbeiten da unten im Schlosse, zu deren Vollendung Handwerk und Kunst sich die Hände reichen mußten, frage: Wer sind ihre Meister? Wer war des Schlosses Maurer? Wer verfertigte jene Kronleuchter? Wer jene Holzschnitzereien der Sessel, Stühle und Wandbänke, der Thüren und Decken? Wer jenen kunstreichen Credenztisch? Wer die architektonische Malerei der Zimmer? Wer die Glasmalereien der Fenster und Thüren? Wer die plastischen Ornamente und historischen Sculpturenwerke? Da erfährst du Namen, wie: Meister Thomas, Meister Meiße, Meister Morgenroth, Meister Rieneck, Eberlein, Kellner, Thieme, Müller u. s. w., lauter deutsche Namen, deren Inhaber nicht weit her, meistens in Meiningen und, wenn nicht im Inland, höchstens nur in Deutschland daheim sind. Das thut wohl und macht dem edlen Bauherrn wie den tüchtigen Meistern der Heimat Ehre.“[WS 1]




Vom Luxus.[1]
II. Der Luxus eines blühenden Volkes.

Der Haushalt eines Volkes hat im Großen ganz dieselben Grundlagen und Bedingungen, wie der Haushalt einer Familie im Kleinen. Der Aufwand hängt vom Einkommen ab und ist, wenn er von diesem bestritten wird, daneben aber einige Ersparnisse möglich sind, unschädlich. Wenn auf solche Weise ein Volk neben dem nothwendigen und entbehrlichen Aufwande durch derartige Ersparnisse wohlhabender wird, so entsteht ein Nationalcapital, und dieses ist die Grundlage der ungeheuren Unternehmungen unsers Jahrhunderts. Da wo ein Volk nicht spart, müssen diese nothwendig unterbleiben. Die Vereinigung der in den Händen der Einzelnen angesammelten Capitalien hat jene großen Werke möglich gemacht, die dem Handel und Verkehr den nie geahnten Aufschwung gegeben haben. Nur durch die vereinte Macht der Einzelcapitale wurden – wenn wir von Staatsbauten absehen – die Eisenbahnen, Canäle, Brücken. Häfen, Schiffswerften, Schiffe und jene zahllose Menge der Maschinen zu dem verschiedensten Betriebe geschaffen. Hier zeigt es sich, welche Wichtigkeit die Sparsamkeit des Einzelnen für das Ganze, dessen Wohl und Gedeihen gewinnt, zeigt sich, wie der Einzelne, wenn er einen wahren Vortheil für sich selbst verfolgt, auch stets für die Allgemeinheit arbeitet. Es würde leicht sein, zu zeigen, daß jene großartigen industriellen und technischen Schöpfungen auch dem Geringsten in dem entferntesten Dörfchen zu Gute kommen. Deshalb ist jener socialistische Haß des Proletariers gegen den Vermögenden nur in der Unwissenheit begründet, die nicht ermessen kann, wie weit unsere Culturzustände ohne jenes Nationalcapital ohne jenes Zusammenwirken desselben zu einem Zwecke in wirthschaftlicher Hinsicht zurückliegen würden. – Diese wirthschaftliche Sparsamkeit des Volkes ist wiederum Folge der allgemeinen Cultur und Segen des Handels- und Gewerbefleißes. Sie findet sich bei minder cultivirten Völkern nicht oder kann, wo sie auftritt, nur von geringem Erfolge sein. Geringe Cultur und Armuth gehen mit der Unfreiheit meist Hand in Hand. Man nehme die Völker Asiens und Afrika’s. Da, wo sich große gewerbliche Anstalten oder technische Werke bei ihnen vorfinden, sind es durch gängig Werke der Abendländer.

  1. Siehe Nr. 21.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Holzschnitt nach dem Stahlstich in Meyer’s Universum, Band 18 (1857), S. 146-149. [1], woher auch der zitierte Text stammt.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_458.jpg&oldid=- (Version vom 5.8.2020)