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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Seit die politischen und Kriegsverhältnisse sich geändert haben, erhalten die Städte ein völlig verändertes Aussehen: an die Stelle des Zusammenrückens ist das des Ausbreitens getreten; statt der Enge sucht man das Weite; man reißt die Thore und Mauern nieder, trägt die Festungswerke ab, und füllt die Gräben aus; die Vorstädte sind nicht mehr nur halbgeduldete Anhängsel, sondern gleichberechtigte Theile der Stadt, die sich weiter und weiter hinausdehnen. Statt der himmelhohen Häuser, in denen sich zahlreiche Familien sonst zusammendrängten, baut man breitere, niedrigere, in denen wenige Familien größere Bequemlichkeiten finden; ja es läßt sich bereits das Streben erkennen, für jede Familie ein gesondertes Haus zu erlangen.

Daß die Städte dadurch an Schönheit gewinnen und gesünder werden, liegt auf der Hand.

Betrachten und vergleichen wir nun die beiden Ansichten von Leipzig etwas näher.

Das alte Leipzig.

An der Staffage, die das perspectivisch sehr mangelhafte Bild enthält, erkennen wir die Zeit, aus welcher dasselbe herrührt. Die Männer tragen dreieckige Hüte und Perrücken, die Frauen erscheinen mit bloßer Brust; wir sehen mehrere Reiter und auch eine Equipage. Das Alles erinnert an eine Verordnung des Rathes der Stadt Leipzig aus dem Jahre 1680, in welcher streng verboten werden alle „Schleppen an den Röcken, alle von weißen Haaren gemachten und andern kostbaren Perrücken, Locken und Stirnbänder, alle unzüchtige, freche und zu allerhand Ueppigkeit, großem Aergerniß, Verschwendung und vielem Kostenaufwande Anlaß gebenden neuen Moden, darunter zugleich mit sonderlicher Entblößung der Brüste schwarze Pflästerchen, welche zum Uebermuthe bisher in die Gesichter geklebt worden“ u. s. w. „Wir sehen Viele,“ heißt es weiter, „deren Vorfahren in Stand und Würden sich nicht gescheut haben, zu Fuß zu gehen, die schönsten Pferde, fürstliche Carethen, auch öfters fünf, sechs und mehr Diener in kostbarer Liverei beiherlaufend halten, ja kein Schneider und Schuster will mit den Seinigen mehr zur Hochzeit oder Kindtaufen erscheinen, er werde denn mit Carethen geholet und abgeführet. Zu Leipzig ist annoch in Menschengedenken, daß keine Carethe bräuchlich gewesen, itzo werden da gar viele gebraucht, ist auch wegen der vielen Carethen und „muthwilligen“ Pferde auf den Gassen fast nicht fortzukommen.“ Wie eine solche Carethe aussah, erkennen die Leser auf unserem Bilde.

Der Garten in der Mitte des Vordergrundes ist der berühmte bosenische Garten, lange Zeit der Sammelplatz und der Vergnügungsort der eleganten Welt Leipzigs, den jeder Fremde, der nach Leipzig kam, besuchen mußte, wie jetzt etwa das Rosenthal. An der hinteren Ecke desselben bemerkt man einen Bau, Colonnaden. Hier war es, wo die Gesellschaft sich versammelte und wo namentlich berühmte Concerte gehalten wurden. Noch in den zwanziger Jahren des jetzigen Jahrhunderts war

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_380.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)