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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

des Berges in gewisser Entfernung von einander zwei Stollen (Förderschächte) senkrecht in die Tiefe getrieben, um, sobald man hier die Tunnelsohle erreicht hatte, nach beiden Richtungen hin den Tunnelmündungen entgegen zu arbeiten, und auf diese Weise möglichst schnell zum Ziele zu gelangen. – Am 20. December 1857 Nachts erfolgte unter allgemeinem Jubel und Freudenschüssen von Seiten der betheiligten Arbeiter der Durchbruch. Die bei dieser Gelegenheit für die Arbeiter bestimmte Prämie von 500 Thalern wurde theilweise zur Unterstützung der einige Tage vorher – am 10. December – im Tunnel Verunglückten und deren Hinterlassenen verwendet. –

So schwierig und gefahrvoll auch die Ausführung dieses Baues war, so steht doch die Zahl der bis jetzt während der Arbeit Verunglückten

Der Werrabahn-Tunnel bei Eisenach.

zu der Größe des Unternehmens in keinem Verhältniß. Der oben angeführte ist der einzige erhebliche Unglücksfall, welcher beim Tunnelbau vorgekommen, und wurde durch Unvorsichtigkeit eines Arbeiters beim Laden eines Schusses verursacht; zwei der in der nächsten Nähe beschäftigten Arbeiter wurden dabei tödtlich und vier mehr oder minder verwundet.

Ungeachtet der vorerwähnten größeren Längenausdehnung des Tunnels werden doch die im Kostennanschlage enthaltenen 180,000 Thaler nicht nur vollständig ausreichen, sondern es wird noch eine erhebliche Summe erübrigt werden, indem nach den bisherigen Erfahrungen der Betrag von 140,000 Thalern zur Vollendung genügen wird. – Von den für die Herstellung des Tunnels verausgabten Kosten kommt ein großer Theil auf die Beschaffung des massenhaften Pulverbedarfs nebst sonstigem Zubehör, so wie auf die Anschaffung und Unterhaltung der Bohrwerkzeuge. (Die im Tunnel beim Bohren und Sprengen beschäftigten Arbeiter, circa 400–500 Mann an der Zahl, verbrauchten durchschnittlich täglich 5 Centner Pulver.)

Man hegt mit Bestimmtheit die Hoffnung, daß der Tunnel bis Mitte Juni gänzlich vollendet und alsdann die Strecke von Eisenach bis zum Tunnel vollständig fahrbar sei. – Am 20. Mai befuhr die erste Lokomotive die von Eisenach aus bereits vollendete kurze Strecke der Werrabahn, und überwand mit Leichtigkeit die bedeutende Steigung, welche sich zur Länge wie 1:50 verhält.

Wer jemals jenen düstern Waldwinkel, an dessen Stelle sich die nördliche Tunnelmündung befindet, passirte, der wird jetzt überrascht vor einer freundlichen, belebten Landschaft stehen, welche der mächtige Zeitgeist, „Verkehr“ genannt, aus jener Waldeinsamkeit geschaffen hat.




Die hohe Schulter und ihre Behandlung.
Von Dr. Paul Niemeyer.

Es gehört zur näheren Charakteristik unserer Zeit sicher auch der höchst auffällige Umstand, daß wir uns in vielen Dingen theoretisch um so mehr vervollkommnet haben, je mehr uns deren Praxis gleich einem kaum noch zu erreichenden Ideale in die Ferne entrückt worden ist. Jedes Intelligenzblatt wimmelt gegenwärtig von Anpreisungen aller Art zu Gunsten der vielfältigsten „Glückseligkeitsmittel“: „Keine Hühneraugen mehr!“ – „Die Kunst, das Leben zu verlängern!“ - „Untrügliches Mittel, schnell reich zu werden!“ – „Schönheitsmittel für alle erdenklichen Reize!“ – Fast sollte man meinen, die Welt müsse, diesen Mitteln zufolge,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_373.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)